Gerade für das Online-Shopping soll das neue System eingesetzt werden. (Bild: Sergey Zolkin on Unsplash)

EPI steht auf der Kippe – Spanier und Holländer zögern bei Funding

Exklusiv: Das Prestige-Projekt „European Payments Initiative“ kämpft mit Problemen. Banken aus Spanien und Niederlanden wollen das Milliarden-Projekt nach Informationen von Finanz-Szene.de nicht mitfinanzieren. Was sind die Hintergründe?

Im Milliarden-Poker um die „European Payments Initiative“ wächst die Sorge, dass die finanziellen Lasten letztlich an den deutschen und französischen Banken hängen bleiben. So zieren sich nach Informationen von Finanz-Szene.de speziell die spanischen und niederländischen Institute, beim anstehenden Funding für das Prestigeprojekt mitzumachen. In beiden Ländern gebe es deutliche Zweifel sowohl an den Erfolgschancen als auch am Mehrwert eines paneuropäischen Payment-Schemes, heißt es übereinstimmend in Finanzkreisen.

Unzufriedenheit herrscht derweil in Bezug auf die Rolle der EPI-Projektgesellschaft. „Die Story für die Shareholder ist noch nicht stark genug. Die Verantwortlichen bei EPI haben sich bislang vor allem um inhaltliche Fragen gekümmert – aber viel zu wenig darum, ihre potenziellen Investoren zu überzeugen. Stattdessen herrschte irrtümlich der Glaube, die Banken zögen ohnehin mit“, sagt ein Insider.

Die „European Payments Initiative“ ist gedacht als europäischer Gegenentwurf zu Visa und Mastercard. Bislang haben 31 Banken aus sieben verschiedenen Ländern ihre Teilnahme signalisiert. Darunter befinden sich aus Deutschland die beiden großen Verbünde, die Deutsche Bank sowie die Commerzbank – und auch sonst steht auf der Gründerliste fast alles, was Rang und Namen hat im europäischen Bankgeschäft. Von BNP bis SocGen. Von Santander bis BBVA. Von Unicredit bis ING. Die große Frage lautet nun: Welche Institute belassen es beim losen Commitment – und welche stellen tatsächlich die für den raschen Aufbau von EPI nötigen finanziellen Mittel bereit?

„Die Last muss verteilt werden“, sagt ein deutscher Banker fast flehend

Nach Informationen von „Finanz-Szene.de“ liegt der Investitionsbedarf für EPI bei zunächst rund 1,5 Milliarden Euro. Die deutschen Sparkassen haben intern bereits den Entschluss gefasst, sich mit rund 150 Millionen Euro zu beteiligen. Das allerdings taten sie in der Hoffnung, es würden auch genügend andere Stakeholder mitziehen. Stattdessen fürchten die deutschen und französischen Banken inzwischen folgendes Dilemma: Entweder sie finanzieren EPI mehr oder weniger allein – oder sie lassen das Milliarden-Projekt platzen. „Das alles kann nur funktionieren, wenn die Last auf genügend Schultern verteilt wird“, sagte uns ein deutscher Banker gestern fast flehend.

Die Zeit drängt. In spätestens zwei bis drei Wochen müsse eine Entscheidung zu EPI fallen, betonen Beteiligte. Was hierbei den Druck noch einmal entscheidend erhöht hat: Erst am Dienstag hatte Finanz-Szene exklusiv berichtet, dass Mastercard sein Debit-System „Maestro“ von Juli 2023 an auslaufen lässt. Vor allem der deutschen Kreditwirtschaft erwächst hieraus ein Problem – schließlich ist die überwiegende Zahl der rund 100 Millionen ausgegebenen Girocards hierzulande nur dank der „Maestro“-Co-Badge im Ausland einsetzbar. Für die künftig – und spätestens Juli 2023 – neu auszugebenden Karten muss dann eine Lösung her. Den zeitlichen und logistischen Druck auf alle Beteiligten und den potenziellen Wettbewerber EPI zu erhöhen, dürfte ein wesentliches Ziel von Mastercard bei der Maestro-Entscheidung gewesen sein.

Den deutschen Banken war es nach unserer Berichterstattung kommunikativ gelungen, die Bedeutung der Mastercard-Entscheidung herunterzuspielen. Tenor: Statt mit „Maestro“ werde die Girocard halt mit einer Mastercard-Debit-Co-Badge ausgestattet – und alles bleibt mehr oder weniger, wie es ist.

Branchenexperten äußern an dieser Darstellung allerdings Zweifel. Denn: Die Umstellung von Maestro auf Mastercard Debit (und möglicherweise ja bald auch von V-Pay auf Visa Debit) beim Co-Badging sei technisch anspruchsvoll und dementsprechend mit enormem Aufwand in der kompletten Kette aus Banken, Abwicklern und IT verbunden. Dadurch könne innerhalb der Bankenbranche die Motivation leiden, mit der Umstellung auf EPI (sei es parallel zur oder anstelle der Girocard) gleich den nächsten finanziellen Kraftakt vorzunehmen.

Warum Spanier und Holländer an EPI zweifeln

Noch sehr viel massiver sind die EPI-Zweifel dieser Tage in Spanien und den Niederlanden (und angeblich auch Polen). Anders als in Deutschland mit der Girocard und in Frankreich mit der Carte Bancaire gibt es in diesen beiden Ländern kein klassisches nationales Debit-Scheme. Sondern: Die entsprechenden Karten-Lösungen sowohl in den Niederlanden als auch in Spanien basieren auf Kooperationen mit Visa und Mastercard.

Was vielleicht sogar noch schwerer wiegt: In den Niederlanden und in Spanien existieren – in krassem Gegensatz zu Deutschland – etablierte nationale Online-Payment-Dienste. Das sozusagen holländische Paydirekt heißt „iDEAL“ und gilt als großer Erfolg: Zuletzt liefen 69 Prozent aller eCommerce-Transaktionen in den Niederlanden über den von zwölf Banken getragenen Dienst. Die Tendenz ist steigend – um den schrumpfenden Rest müssen sich Visa, Mastercard, Paypal und Co. prügeln.

Das iberische Gegenstück wiederum nennt sich „Bizum“, wird ebenfalls von den heimischen Banken getragen und kommt auf 18 Millionen Nutzer – und sei als stark handyzentriertes P2P-Payment-Angebot zwar nicht ganz so erfolgreich wie „iDEAL“, so Branchenkenner, habe aber dennoch eine drastisch höhere Marktdurchdringung als hierzulande Paydirekt/Giropay.

Die Folge, so sagen es jedenfalls Insider: In den Niederlanden und Spanien würden an die „European Payments Initiative“ geringere Hoffnungen geknüpft als in Deutschland und in Frankreich. Konkreter: Hierzulande malen sich die EPI-Optimisten im Best-Case-Szenario die Etablierung einer sozusagen europäischen Girocard (mit E-Commerce-Fähigkeit) aus. Dagegen würden zum Beispiel spanische Banker in der „European Payments Initiative“ durchaus auch eine potenzielle Konkurrenz zu einheimischen Bezahl-Lösungen sehen.
Daraus wiederum ergäben sich Konflikte, was zum Beispiel die Kompetenzen von EPI angeht. Hierzulande haben sich einige Entscheidungsträger inzwischen zu der Sichtweise durchgerungen, das künftige EPI-Management müsse mit größtmöglicher Autonomie ausgestattet werden, um es mit den Visas, den Mastercards und natürlich auch den Klarnas dieser Welt aufzunehmen. Andere Länder wollen das Mandat angeblich enger fassen, etwa was die Produkthoheit angeht.

Was den deutschen Banken Hoffnung macht? Vielleicht Brüssel

Die Hoffnung, dass sich die spanischen und niederländischen Banken – zumindest in bescheidenem Umfang – doch noch am EPI-Funding beteiligen, sei nicht vollends verflogen, machen sich manche deutsche Banker Mut. Im Umfeld spanischer Banken heißt es derweil, man bleibe „grundsätzlich interessiert“, alleine schon, weil zu den EPI-Gründern besonders viele spanischen Banken gehörten. Tatsächlich stammt ein Drittel der 31 EPI-Banken aus Spanien – was zugleich illustriert, wie entscheidend die Haltung der Spanier ist (wohingegen die Niederländer mit der ING unterrepräsentiert sind; die ABN Amro z.B. zählt nicht zu den bisherigen EPI-Teilnehmern)

Eine Kompromisslinie könnte (zumindest theoretisch) so aussehen, dass die französischen und deutschen Banken zwar den weit überwiegenden Teil der Finanzierung übernehmen – aus den Finanzzentren anderer Länder aber zumindest ein klares Commitment kommt, sich als Issuer an EPI zu beteiligen. Beispielhaft gesprochen wäre die Santander dann zwar kein EPI-Shareholder, wohl aber ein „EPI Scheme Member“.

Und dann: Ist das immer noch die Hoffnung, die Europäische Union könne sich (schließlich geht es in gewisser Weise ja um Infrastruktur) zum Förderer der European Payments Initiative aufschwingen. Angeblich sind in der Sache zuletzt auch Vertreter des deutschen Finanzministeriums bei der EU-Kommission vorstellig geworden. Tatsächlich gelten öffentliche Mittel schon lange als entscheidender Booster für das ganze Projekt. Indes: Auch in Brüssel sähe man es vermutlich gern, wenn nicht nur die deutschen und französischen Banken private Mittel zur Verfügung stellen.