Nach IT-Chaos: Eine Berliner Neobank wittert ihre Chance gegen die Apobank
Die traditionsreiche Apobank kämpfte im vergangenen Jahr mit technischen Problemen, Karten funktionierten nicht, Konten waren einsehbar. Nun will das Berliner Fintech Cure Finance die Chance mit einem digitalen Angebot nutzen – und hat zum Start die langjährige Marketingchefin der Apobank abgeworben.
Es wäre wahrscheinlich nur eine kleine Personalnews, die wenig Aufsehen erregen würde. Eine gewisse Cassie Kübitz-Whiteley fängt im Management bei einem erst kürzlich gegründeten Fintech an. Und doch ist der Wechsel pikant, denn die Marketingexpertin verlässt nach 16 Jahren die Deutsche Apotheker- und Ärztebank, kurz Apobank. Sie zieht es von der 1902 gegründeten größten deutschen Genossenschaftsbank zu einem Berliner Startup, dessen Geschäftsmodell ausgerechnet ihren alten Arbeitgeber angreifen soll: Cure Finance. Sie wird dort die für die Anfangszeit wichtigen Marketing- und PR-Aktivitäten verantworten.
Ein Branchenriese mit Problemen
Über Jahre schlug sich die Apobank gut und umwarb seine lukrative Zielgruppe bereits im Studium. An deutschen Universitäten verschenkte die Bank Tickets für beliebte Partys, im Gegenzug mussten die Studenten zu Beratungsgesprächen. Bei den jährlichen Medimeisterschaften, einem großen Sportturnier zwischen medizinischen Fakultäten mit zuletzt 25.000 Besuchern, trat die Apobank prominent als Sponsor auf.
Die Marke soll den Medizinern bis zum Berufseinstieg im Gedächtnis bleiben, vor allem bei einer Praxiseröffnung. In dem Bereich macht die Apobank den Großteil ihres Geschäfts. Und das wächst jährlich. Das Institut konnte seine Kundenzahl in den vergangenen Jahren stetig steigern, zuletzt auf 481.000. Im ersten Halbjahr 2020 erwirtschaftete die größte Genossenschaftsbank einen Gewinn von 32,7 Millionen Euro – bei einem Zinsüberschuss von etwa 380 Millionen Euro und einem Provisionsüberschuss von mehr als 100 Millionen.
Doch in den vergangenen Monaten tauchte die Düsseldorfer Bank in den Fachmedien vor allem wegen der Umstellung ihres Kernbanksystems auf – und dem folgenden IT-Desaster. „Alles noch Murks. Und das ,neue‘ Apobanking sieht aus wie der Rückschritt zu DOS, nur in Weiß“, beschwerte sich einem Bericht von Finanz-Szene zufolge ein Kunde nach dem über drei Jahre vorbereiteten Wechsel des Dienstleisters für das Kernbanksystem. So konnten zwischenzeitlich Arztpraxen ihr Personal nicht bezahlen, Karten funktionierten nicht und Konten von anderen Kunden waren plötzlich einsehbar. Unter den Nutzern wuchs Unmut heran, die Bank erlitt in der Branche einen Reputationsschaden. So richtig viele Möglichkeiten zu wechseln, gab es für die Kunden allerdings nicht.
Auch aus diesem Grund plant das Berliner Fintech Cure Finance den Angriff, die Gründer haben allesamt langjährige Erfahrung im Fintech-Bereich, unter anderem bei Paypal und Fidor. „Ich komme aus einer Medizinerfamilie“, sagt CEO Martin Buhl. „Daher weiß ich, wie analog die bestehenden Angebote sind und wie viel unnötige Zeit sie die Ärzte und ihr Personal kosten.“ Es ist nicht die erste Smartphonebank, die sich spezialisiert: Tomorrow setzt etwa auf ein grünes Bankangebot und Insha ist für eine Zielgruppe, die den Grundsätzen des islamischen Bankings folgen will.
Softwareanbieter oder Bank?
Zu Beginn wird Cure Finance als reiner Software-Anbieter loslegen. Im Mai startet die Testphase mit den ersten Ärzten als Finanzlayer zwischen Bank und Praxis. Die Kunden können ihr bestehendes Konto über eine PSD2-Schnittstelle mit der Software des Startups verbinden und Einkauf, Abrechnung, Buchhaltung und ihre Steuer abwickeln.
„Wir sehen uns gleichermaßen als Software-Anbieter und Bank für unsere Kunden“, sagt Buhl. Für die Software wird eine monatliche Gebühr erhoben, zudem können bei einzelnen Features Einzelgebühren hinzukommen. Im dritten Quartal folgt dann auch die Zusammenarbeit mit der Solarisbank, wenn die Kunden genügend Vertrauen aufgebaut haben, können sie zudem ein Konto eröffnen. Das Startup wird dann auch an Transaktionsgebühren verdienen.
Langfristig sollen auf diesem Weg weitere Geschäftsbereiche wie etwa Versicherungen oder Praxis- und Gerätefinanzierungen hinzukommen. Dafür sei es bereits in konkreten Gesprächen mit Partnern. „Niedergelassene Ärzte haben beim Kauf von medizinischen Geräten gegenüber Krankenhäusern den Nachteil, keinen Mengenrabatt zu erhalten“, sagt der Gründer. Dafür plant Cure Finance, Einkaufsgenossenschaften seiner Kunden zu gründen. Bestellt ein Arzt ein Gerät, erfasst das Startup das Gesuch gemeinsam mit dem anderer Kunden und will so bei den Herstellern bessere Preise erzielen.
Derzeit ist Cure Finance nach Informationen von Finance Forward auf Geldgebersuche. Unter den Investoren sind bereits, genau wie im Beirat des Startups, Ärzte. Mit dem Geld soll der Launch vorbereitet und das sechs-köpfige Team aufgestockt werden. Während die Kunden anfangs ihr Konto bei der Apobank behalten können, um die Software von Cure Finance zu nutzen, wird das Fintech schon bald zu einem direkten Konkurrenten.
Dann wird sich zeigen, ob das digitale Angebot reicht, um Ärzte zum Wechsel bewegen zu können. „Gerade bei klar definierten Zielgruppen wie im Gesundheitsmarkt gilt es neue Technologien einzusetzen, um den Kundennutzen zu maximieren“, lässt sich Kübitz-Whiteley in einer Mitteilung zitieren. Dafür habe sie sich in den vergangenen Jahren bei der Apobank bereits eingesetzt, jetzt werde sie dies „bei einem Fintech wie Cure noch konkreter und umfassender umsetzen können“.
Am Donnerstag wird die Apobank ihre Geschäftszahlen für das Jahr 2020 vorstellen, dann wird Cure Finance und der Wechsel hinter den Kulissen sicherlich auch ein Gesprächsthema sein.