Krypto-Krise bei Celsius und Three Arrows Capital: Was sind die Hintergründe?
Seit einer Woche beschäftigt der Fall Celsius die Kryptowelt. Der Verleiher zahlt seitdem keine Kundengelder mehr aus. Wie konnte es bei dem Milliarden-Unternehmen so weit kommen? Was ist bekannt? Eine Zusammenfassung von dem Krypto-Experten Julius Nagel.
Celsius gehört zu einer Gruppe von Finanzdienstleistern, die in einem kaum regulierten Umfeld in den vergangenen Monaten enorm gewachsen sind. Diese Unternehmen nutzen die bei ihnen hinterlegten Kryptowährungen primär, um auf dem Decentralized-Finance-Markt Renditen zu erwirtschaften. Jedoch scheint Celsius hierbei einen fatalen Fehler im Liquiditäts- und Risikomanagement der Anlagen begangen zu haben. Dieser ist erst durch den aktuellen Crash an den Krypto-Märkten ans Licht gekommen.
Das Kryptounternehmen hatte einen signifikanten Anteil der bei ihnen eingezahlten Ether bei sogenannten Staking-Anbietern wie Lido angelegt und einen weiteren Teil selbst auf der sogenannten „Beacon Chain“ von Ethereum hinterlegt. Was hierbei jedoch offenbar nicht bedacht wurde, ist, dass diese Coins erst nach dem erfolgreichen Merge der Ethereum-Blockchain mit eben dieser Beacon Chain ausgezahlt werden können. Dies wird je nach Zeitpunkt des Merge in sechs bis zwölf Monaten, vielleicht aber auch erst später, möglich sein.
Ausgangspunkt war der Luna-Crash
Der Anbieter Lido versucht dieses Problem der illiquiden Ether dadurch zu umgehen, in dem mit Staked ETH (stETH) ein Token an die Anleger herausgegeben wird. Über den können sie frei verfügen, um Transaktionen in der Kryptowelt zu tätigen. Das Versprechen lautet: stETH repräsentiert bei Lido hinterlegte Ether, die durch das Staking bereits heute eine Rendite erwirtschaften und nach dem erfolgreichen Merge wieder in Ether im Verhältnis 1:1 umgetauscht werden können.
Für Celsius bedeutet dies vor allem zweierlei. Erstens: Wenn zu viele Nutzer gleichzeitig ihr Geld abziehen würden, könnten sie durch langfristig angelegten Ether in Schwierigkeiten geraten. Zweites: Sie sind auf einen Marktpreis von stETH angewiesen, der in etwa einem ETH entspricht, um ihre stETH bei Bedarf ohne Verluste in ETH tauschen zu können.
Durch die stark fallenden Kurse der vergangenen Monate und Spekulationen darüber, inwieweit Celsius auch im Luna-Crash bereits Verluste hinnehmen musste, hatten immer mehr Nutzer ihre Kryptowährungen aus dem Unternehmen abgezogen. Dies führte dazu, dass erste Marktteilnehmer auf die prekäre Situation von Celsius aufmerksam wurden und einen größeren Verkauf der stETH-Positionen am Markt befürchteten.
Der Markt reagierte auf einen möglichen Verkauf
Um nicht selbst einen Verlust auf ihre stETH-Positionen realisieren zu müssen, hatten daraufhin einige Krypto-Fonds wie zum Beispiel Alameda Research von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried große Mengen stETH am Markt verkauft. Das führte wiederum dazu, dass der Preis von stETH fiel und derzeit mit einem Discount von 5 bis 7 Prozent zu Ether am Markt gehandelt wird.
Für Celsius erschwerte dies die Lage weiter, da sie nun mit eigenen stETH-Verkäufen den Preis weiter nach unten treiben und somit ihre Verluste weiter erhöhen würden. Gleichzeitig wurden immer mehr Anleger in den vergangenen Tagen auf die Situation aufmerksam, was zu weiteren Abzügen von liquiden Mitteln auf der Celsius-Plattform geführt hat und Spekulanten dazu gebracht hat, gegen den Preis von stETH zu wetten. Um dann von günstigen Preisen zu profitieren, wenn große Akteure wie Celsius sich gezwungen sehen, ihre stETH auch mit herben Verlusten verkaufen zu müssen.
Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass es sich im Fall von stETH nicht um einen sogenannten „depeg“ handelt, wie es im Fall des Stablecoins UST noch vor wenigen Wochen geschehen ist. Der Stablecoin hatte sich von dem Wert eines Dollars entkoppelt. stETH lässt sich vielmehr als eine Anleihe betrachten, die in Zukunft für Ether eintauschbar ist. Bis dahin jedoch frei am Markt gehandelt werden kann. Und in Zeiten, in denen Anlegern Liquidität wichtig ist, auch durchaus mit einem Discount zu Ether gehandelt werden kann. Hinzu kommt, dass der stETH-Preis weitere Risiken reflektieren sollte, wie zum Beispiel das eines gescheiterten oder verschobenen Merge oder das Smart-Contract-Risiko des Emittenten Lido.
Die Ereignisse rund um Celsius haben den schon stark angeschlagenen Kryptomarkt weiter in Panik versetzt, was zu starken Verkäufen im Laufe der Woche geführt hat. Hiervon blieben auch gestandene Größen der Kryptowelt nicht verschont, die sich zum Teil große, gehebelte Positionen aufgebaut hatten. Der Krypto-Fonds Three Arrows Capital (3AC) hatte ebenfalls größere Mengen stETH angehäuft und diese auch noch auf dezentralen Lending-Seiten wie AAVE gegen Ether beliehen, welche wiederum bei Lido gestaked wurden. 3AC konnte teilweise die Margin Calls auf ihre bestehenden Positionen nicht mehr bedienen.
Die Angst ist allgegenwärtig
Bislang ist noch unklar, was genau mit den verbleibenden Vermögenswerten auf der Celsius-Plattform geschieht. Sicherlich werden die Geschehnisse die Finanzaufsichten in Alarmbereitschaft versetzt haben. Mit der Konsequenz, dass sie Finanzdienstleister wie Celsius in Zukunft stärker regulieren.
Doch wie geht es weiter? Nach den turbulenten Tagen hatten sich die Kurse rund um die Marken von 21.000 Dollar für einen Bitcoin und 1.100 Dollar für einen Ether stabilisiert. Die Angst vor weiteren Liquidierungswellen von großen Fonds, die ihre gehebelten Positionen womöglich nicht bedienen können, ist allgegenwärtig. Wenn man sich die bestehenden Positionen auf den dezentralen Lending-Plattformen ansieht, so wird deutlich, dass die 1000-Dollar-Marke für Ethereum eine bedeutsame Schwelle darstellt. Sollte der Wert darunter fallen, würden womöglich weitere große Positionen liquidiert werden – was weitere starke Abverkäufe nach sich ziehen könnte.
Es scheint so, als wäre der Crash noch nicht überstanden, bis sich die Marktteilnehmer darüber ein klares Bild gemacht haben, welche Partei wie zahlungsfähig ist und die Spekulation über weitere Liquidierungen ein Ende haben.
Der Krypto-Experte Julius Nagel unterhält sich im Podcast „Alles Coin Nichts Muss“ jede Woche mit Florian Adomeit über die Neuigkeiten aus der Krypto-Welt. Am Samstag erscheint eine ausführliche Analyse zum Fall Celsius.