Die drei Brygge-Gründerinnen: Barbara Buchalik, Cornelia Schwertner und Bianca Steinke (Bild: PR)

Drei Fintech-Expertinnen starten ein N26 für die ältere Generation

Exklusiv: Drei erfahrene Fintech-Gründerinnen arbeiten an einer neuen Neobank: Brygge richtet sich mit einer Banking-App an Menschen über 55. Wie soll das funktionieren?

Seit dem Frühjahr schon arbeiten sie an dem – wie sie glauben – nächsten großen Ding. Auf Linkedin gab es bereits kleinere Andeutungen, und auch im Handelsregister tauchte die Brygge GmbH auf. Jetzt wird erstmals klar, was Cornelia Schwertner, Barbara Buchalik und Bianca Steinke vorhaben: Eine Banking-App für die ältere Generation.

Die drei Gründerinnen, jeweils mit einem prominenten Fintech-Hintergrund, treiben damit die sogenannte Vertikalisierung der Fintech-Welt voran. Nachdem N26 Neobanking groß gemacht hat, richten sich die neuen Anbieter jeweils an nischigere Zielgruppen, etwa Muslime oder Teenager.

Und nun also ein eigenes Angebot für Menschen ab 55 Jahren. Brygge soll für die ältere Generation das machen, was N26 bei den Millennials bereits vorgemacht hat. Doch wie wollen die drei eine Zielgruppe für ein digitales Banking-Angebot begeistern, die bislang vor allem in Filialen gegangen ist?

Fintech statt Filiale

Wie jedes gute Startup es nun mal macht, hat auch Brygge ein Alltagsproblem identifiziert, das es zu lösen gilt. Und das ist nicht zu unterschätzen: Während vor allem im ländlichen Raum der Republik die Bankfilialen wegsterben, richtet sich der vermeintliche Ersatz, also große Smartphone-Banken wie N26, hauptsächlich an junge, digitalaffine Menschen.

Eine ganze Generation wird dabei außen vorgelassen, sagt Mitgründerin Cornelia Schwertner im Gespräch mit Finance Forward. Die älteren Bankkunden benötigten eine eigene Ansprache und ein Angebot, das nicht von zu vielen Features überfrachtet sei, argumentiert sie.

Angepackt wird das Problem von drei Profis – die Gründerinnen haben jeweils bereits eine solide Vergangenheit in der Fintech-Welt: CEO Schwertner war lange bei PwC, bis sie zu dem Open-Banking-Startup Figo als Chief Risk Officer wechselte, das dann 2019 zu Finleap Connect überging.

Auch Steinke, die bei Brygge die Produktentwicklung verantwortet, kommt von Figo. Buchalik wiederum bringt eine andere Perspektive ins Gründerinnenteam: Sie war jeweils drei Jahre bei der Finanzaufsicht Bafin und dann im Finanzministerium tätig. Bei Brygge wird sie Chief Operating Officer.

Das Konzept des Startups: Die Open-Banking-Plattform führt die bestehenden Konten ihrer Kunden per API-Schnittstelle zusammen, ein Kontowechsel ist also auch nicht von Nöten. Im Kontrast zu N26 und Co. soll Brygge beispielsweise auf „denglische Begriffe“ verzichten, das ist Schwertner wichtig. Also keine „No-Bullshit-Bank“.

Brygge bietet eine einfache Nutzeroberfläche, die ohne viel Ablenkung die wichtigsten Funktionen des Bankings aufweist. Die Nutzer können auch eine vertraute Person als „Tandem-Partner“ in ihr Konto lassen, also etwa die eigenen Kinder.

Kosten ältere Nutzer mehr Kundenservice?

Den Kunden wird in gesammelten digitalen Schulungen das Angebot beigebracht, so sollen frühzeitig höhere Kosten für den Kundenservice vermieden werden. Dass sich die Kunden, die laut Schwertner teilweise auch in Altersheimen wohnen werden, nicht häufiger an den Kundensupport wenden werden als etwa die jungen N26-Kunden, ist trotzdem unwahrscheinlich – und damit ein weiterer Kostenfaktor.

Um das finanzieren zu können, soll die Nutzung einen monatlichen Beitrag kosten, auf den sich die Gründerinnen noch nicht festgelegt haben. Das Preismodell soll aus ersten Tests hervorgehen. Klar ist aber jetzt schon: Personen mit weniger als 1.000 Euro Einkommen im Monat sollen Brygge kostenlos nutzen können.

Für das Startup wird eine besondere Schwierigkeit, mit dem Angebot tatsächlich Geld zu verdienen. Besonders im Banking-Segment tun sich Fintechs noch sehr schwer auf dem Weg in die Profitabilität. Weitere Features, bei denen Brygge beispielsweise eine Provision erhalten würde, also Versicherungen oder Geldanlage-Themen, will Schwertner trotzdem vermeiden. „Wir wollen es auf jeden Fall ohne Provisionsmodelle versuchen, um unsere Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu bewahren“, sagt sie.

Spätestens, wenn im Gespräch mit Wagniskapitalgebern Buzzwords wie „Customer-Lifetime-Value“ – also der Ertrag, den ein Kunde dem Unternehmen während seines gesamten „Kundenlebens“ realisiert – aufkommen, wird Brygge weitere Einnahmequellen aufweisen müssen. Das Beispiel N26 zeigt bereits seit Jahren, dass sich nur mit Abo-Modellen kein Geld verdienen lässt. Langfristig sei allerdings auch ein B2B-Angebot denkbar, sagt Schwertner. Doch bis dahin gebe es noch viel über die Kundengruppe zu lernen.

Dass sich die Zielgruppe von denen sämtlicher weiteren Endkunden-Fintechs im Alter unterscheidet, ist indes auch ein großer Vorteil für Brygge: In der Kundenakquise wird das Startup nicht im inzwischen teuren Kampf der Google-Rankings oder Facebook-Werbung mitmischen müssen. Stattdessen kann es sich auf Portale wie Nebenan.de oder auf lineare Radiosender konzentrieren, deren Werbe-Preisschilder dank sinkender Nachfrage vergleichsweise günstig sind.

Los gehen soll es erst Mitte 2022, bis dahin muss noch Kapital aufgenommen und ein Team zusammengestellt werden. Business-Angels haben erstes Funding im Sommer gestellt, aktuell ist Schwertner im Gespräch mit weiteren Investoren.