Warum Binance in den Fokus der US-Börsenaufsicht SEC geraten ist
Die US-Börsenaufsicht SEC verklagt die weltgrößte Kryptobörse Binance in 13 zivilrechtlichen Punkten – unter anderem wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Kundengeldern. Dahinter stecken wohl auch politische Interessen.
Changpeng Zhao ist ein freundlicher, untersetzter Mann. Wer sich mit ihm unterhält, bekommt das Gefühl wertgeschätzt zu werden. Zhao, den alle nur „CZ“ nennen, wirkt nicht wie jemand, der mehrere Milliarden Dollar schwer ist, Konkurrenten der Reihe nach plattmacht – und andererseits mit seiner Kryptobörse „Binance“ hunderte Millionen Kundengelder veruntreut haben soll.
Binance soll, so der Vorwurf, Kundengelder mit einer separaten Handelsfirma von CZ vermischt haben. Die SEC behauptet, dass Binance und Zhao die Kontrolle über die Kundengelder hatten, was erlaubt habe, Gelder zusammenzulegen oder umzuleiten. Dabei seien Milliardensummen an eine auf den Britischen Jungferninseln eingetragene Krypto-Asset-Handelsfirma namens Merit Peak geschickt worden. Diese ist im Besitz von CZ.
Handelsvolumen künstlich in die Höhe getrieben
Die Vermögenswerte wurden angeblich auch zu einem anderen Unternehmen umgeleitet, das Zhao gehört und von ihm kontrolliert wird, Sigma Chain. Laut SEC habe diese „manipulativen Handel“ betrieben und so das Handelsvolumen der Plattform künstlich in die Höhe getrieben. Nicht zuletzt habe es Binance versäumt, US-Kunden von der Plattform festzuhalten. Formal müssen amerikanische Kunden über die unabhängige Tochter Binance.US handeln, weil bei der Konzernmutter Binance zum Beispiel unerlaubte Coins wie der eigene Binance-Coin BNB gehandelt werden. Und laut der SEC zieht Zhao auch bei der US-Tochter die Strippen.
„Zhao und die Binance-Unternehmen sind in ein umfangreiches Netz aus Täuschungen, Interessenkonflikten, mangelnder Offenlegung und kalkulierter Umgehung des Gesetzes verwickelt“, sagte Gary Gensler, Vorsitzender der SEC. Gensler ist noch nie als großer Krypto-Freund aufgefallen. Doch selbst für seine Verhältnisse sind die aktuellen Aussagen zu Binance deutlich: „Die Öffentlichkeit sollte sich davor hüten, ihr hart verdientes Vermögen bei oder auf diesen rechtswidrigen Plattformen anzulegen.“
Binance und sein Gründer CZ äußerten sich in einer ersten Reaktion enttäuscht vom Vorgehen der SEC. Man nehme die Anschuldigungen zwar ernst, weise sie aber als unbegründet zurück. Man werde sich „energisch verteidigen“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Gründer CZ wurde auf Twitter sehr deutlich: „Ich frage mich, ob Gary Gensler die Kommentare der Konsumenten liest, die er eigentlich schützen will.“ CZ startete kurz darauf eine Umfrage, wer die Nutzer besser schütze: Binance oder die SEC. 85 Prozent stimmten für Binance.
SEC steht politisch unter Druck
Beide Seiten gehen ein hohes Risiko – denn sie stehen gleichermaßen unter enormem Druck. Der SEC-Vorsitzende Gary Gensler wurde vor einem Monat im Repräsentantenhaus regelrecht gegrillt. Ihm wurde die Verantwortung für die Probleme rund um FTX zugewiesen und er wurde angehalten, in Zukunft härter gegen Kryptofirmen durchzugreifen. Gleichzeitig ringt Gensler mit der US-Einlagensicherung FDIC um die Frage, wer die noch härtere Gangart anschlagen kann. Es geht um Zuständigkeiten, Macht und finanzielle Mittel.
Doch auch für Binance geht es um viel, denn die USA sind mit Abstand der wichtigste Markt für alle Teilnehmer. Dass sich die SEC jetzt ausgerechnet auf Binance einschießt, kommt nicht von ungefähr. „Niemand weiß bei Binance, wo sie eigentlich sitzen, und wie man sie regulieren kann. Das macht sie angreifbar“, sagt ein Analyst hinter vorgehaltener Hand. Auch Nourdine Abderrahmane, Partner bei Lucht Propst Associates, ist nicht unbedingt überrascht, dass es Binance trifft. Bemerkenswert sei aber die Schwere der Anschuldigungen: „Der gravierendste Vorwurf lautet, dass offenbar kriminelle Energie am Start war. Das kann dazu führen, dass institutionelle Anleger ihr Vermögen abziehen und es zu einer Kettenreaktion kommt.“
Er wolle nicht spekulieren, sagt Abderrahmane, schließlich seien die Erkenntnisse noch nicht gesichert. Sollte Binance aber tatsächlich Kundengelder veruntreut haben, sei dies als Zeichen der Schwäche zu werten. CZ habe immer wieder erklärt, wie sicher Binance gegen regulatorische Eingriffe sei. Sollte er aber beispielsweise US-Gelder über Merit Peak in Jurisdiktionen außerhalb des Zugriffs amerikanischer Behörden geleitet haben, zeige das doch, wie sehr CZ mögliche Regulierung fürchte. „Wesentlicher Treiber dürfte dann aber sein, dass er das Handelsvolumen auf der Hauptbörse vergrößern wollte“, sagt Abderrahmane.
Auch Coinbase und Kraken im Fokus
In diesen Punkten unterscheidet sich Binance auch von Coinbase, das am Dienstag ebenfalls von der SEC verklagt wurde. „Bei Coinbase geht es nicht um konkrete Betrugsvorwürfe, sondern um die Frage, welche Kryptoassets sie in den USA eigentlich handeln dürfen und welche nicht. Das Problem lässt sich sicher lösen“, sagt der Analyst, der anonym bleiben will. Coinbase arbeite seit vielen Jahren mit US-Behörden zusammen, so der Experte, und wolle jede mögliche Lizenz erhalten. „Man darf Coinbase unter keinen Umständen mit Binance vergleichen. Das Gleiche gilt für Kraken, gegen die eine ähnliche Klage wie bei Coinbase läuft. Diese Unternehmen werden es leichter haben als Binance.“
Aus anderen Quellen heißt es aber auch, dass sich Coinbase und die SEC seit längerem intensiv beharken. Auf die Androhung strengerer Regulierung beziehungsweise härterer Regeldurchsetzung habe die Handelsplattform demnach mit der Ankündigung reagiert, sich nach alternativen Unternehmensstandorten umzusehen. So sollen die Bahamas und Dubai im Gespräch sein, zudem reiste CEO Brian Armstrong unlängst nach Großbritannien – ein Land, das für „sinnvolle Kryptoregulierung“ stehe, wie Armstrong auf Twitter verkündete.