Zeke Faux (Bild: PR)

Investigativjournalist Zeke Faux über Krypto-Recherchen: „Alles, was ich sah, waren Hype und Betrug“

Zeke Faux beschreibt in seinem Buch „Number Go Up“ das Platzen der Kryptoblase. Er sagt, viele Kryptowährungen seien nutzlos. Den Bitcoin sieht er zwar differenziert, manche Anhänger dafür umso kritischer. Ein Interview.

Finance Forward: Mister Faux, in Ihrem Buch „Number Go Up“ beschreiben Sie, wie sich die Kryptoblase erst immer größer wurde und dann platzte – weil die Preise eben nicht immer weiter steigen konnten. Nun gibt es auf einmal wieder ein Comeback der Kryptomärkte, der Bitcoin liegt wieder bei über 40.000 Dollar. Was halten Sie davon?

Zeke Faux: „Dass die Krypto-Preise jetzt wieder steigen, verblüfft mich wirklich, zumal es nicht nur um Bitcoin geht, sondern auch um obskure Kryptowährungen wie Dogecoin, was erklärtermaßen keinen höheren Zweck hat, als eine Art lustiges Glücksspiel zu sein. Für keine dieser Währungen wurde irgendein echter Nutzen erfunden, trotzdem kaufen die Leute wieder wie verrückt. Selbst einige Szeneköpfe fragen: Geht es wirklich wieder nach oben? Das kann böse enden. “

Nach Ihrer ganzen Recherche haben Sie immer noch keine Erklärung?

„Ich habe zwei Jahre lang die Welt bereist, um herauszufinden, wofür all diese Coins gut sein sollen und um zu sehen, ob etwas hinter dieser verrückten Blase steckt. Und alles, was ich sah, waren Hype und Betrug. Sam Bankman-Fried, einer der respektiertesten Unternehmer der Branche, entpuppte sich als einer der größten Betrüger aller Zeiten. Der Chef von Binance, der größten Kryptobörse der Welt, hat sich gerade in wirklich schwerwiegenden Anklagepunkten wie Geldwäsche, Sanktionsumgehung und Finanzierung von Terrorismus schuldig bekannt. Die Wertpapieraufsicht SEC hat angekündigt, sehr aggressiv gegen Kryptobörsen vorzugehen. Ich sehe wirklich nicht, warum Krypto jetzt wieder reizvoll sein soll, stattdessen gibt es viele neue Risiken. Und dennoch gehen die Zahlen nach oben. Es ist unerklärlich.“

Und da gibt es auch keinen Unterschied zwischen Bitcoin und anderen Kryptowährungen, sogenannten Altcoins?

„Doch. Bitcoin hat die Grenze zum Kult, zur Religion längst überschritten, da gibt es Leute, die sind derart besessen davon, dass sie denken, es wäre die Lösung für alle globalen Probleme – von Armut bis zum Weltfrieden. Deswegen versuche ich längst nicht mehr vorherzusagen, was mit dem Bitcoin passiert. Aber die anderen Coins, die sind entweder offensichtlich nutzlos oder sie sind eine Art Anteil an einem Start-up oder Projekt. Dort habe ich den Gründern immer wieder die Frage gestellt: Angenommen, der Wert deiner Währung würde nicht weiter steigen, was wäre dann der Reiz deines Produkts? Das konnte keiner beantworten. Schlimmer noch: Einige von denen, die ich das gefragt habe, hatten nicht nur nutzlose Produkte, sie haben sich später als Betrüger herausgestellt.“

Sie halten die Produkte wirklich für sämtlich nutzlos?

„Damit Krypto noch ein Erfolg werden kann, muss die Branche unbedingt Anwendungsfälle erfinden, die für normale Menschen interessant sind. Und das haben sie noch nicht getan. Deswegen ist es einfach nicht nachhaltig, dass die Zahlen grundlos immer weiter nach oben gehen. Vergleichen Sie Krypto mit Künstlicher Intelligenz: Da gab es auch einen großen Hype, aber es gab eben auch ChatGPT, was nach seinem Launch zum am schnellsten wachsenden Endkundenprodukt aller Zeiten wurde. Jeder wollte es ausprobieren. Hier wurde etwas geschaffen, das die Leute nutzen wollen. Das haben die Kryptounternehmen nicht geschafft.“

Und trotzdem kaufen die Leute weiter Kryptowährungen.

„Sie kaufen sie, aber sie nutzen sie für nichts! Dazu kommt, dass der Kryptomarkt, verglichen mit dem Aktienmarkt, ziemlich klein ist. Das heißt, Geldströme, die auf dem Aktienmarkt keine größeren Auswirkungen haben würden, können große Marktbewegungen in der Kryptowelt auslösen. Die Altcoins sind höchst volatil – und sie können fast grundlos einbrechen.“

Lassen Sie uns über die grundsätzlichen Ideen hinter Blockchain und Krypto sprechen. Ein großer Vorteil, so heißt es, sei deren Dezentralität.

„Ein guter Punkt. Aber während meiner Recherchen für das Buch habe ich die Vorteile von Zentralisierung ganz neu schätzen gelernt. Wenn alles dezentral funktioniert, dann gibt es auch keinen Kundenservice, wenn Sie Ihre Coins verlieren, dann sind sie weg. Und die Technologien, die Produkte sind ziemlich unhandlich.“

Zum Beispiel?

„Als Experiment für das Buch wollte ich einen NFT kaufen…“

… ein Non-Fungible Token, Kunstwerke, die auf der Blockchain gespeichert sind.

„Genau. Ich wollte einen dieser mutierten Affen aus der bekannt Kollektion Mutant Are Yacht Club kaufen. Dafür musste ich ein Krypto-Wallet namens Metamask benutzen, was unfassbar kompliziert war. Dann lebte mein Affe im Prinzip in einer Browsererweiterung meines Google Chrome. Wenn ich mein Passwort verlieren oder auch nur einen falschen Link klicken würde, könnte mein wertvoller Affe gestohlen werden. Das hat mich verrückt gemacht. Wissen Sie, was mir wirklich genutzt hat während der Recherchen?“

Was denn?

„Meine Visa-Karte. Damit konnte ich auf den Philippinen, in Kambodscha, Vietnam, Italien und der Schweiz bezahlen, ohne dass ich mich das irgendwelche Gebühren kostete. Und als meine Frau Probleme mit ihrer Karte hatte, konnten wir unsere Bank anrufen, die sich darum gekümmert hat. Die Kryptoleute gehen immer davon aus, dass normale Menschen ihre Produkte unbedingt benutzen wollen. Aber sie stehen im Wettbewerb mit zentralisierten Systemen, die sehr schnell und billig sind. Dezentrale Systeme sind unhandlich und langsam und teuer – und Verbrauchern sind die Vorteile, die Kryptobefürworter zitieren, ziemlich egal.“

Bitcoin aber funktioniert als dezentrales System erstaunlich gut.

„Es ist auch ziemlich eindrucksvoll, dass Bitcoin auf diese Art und Weise seit Jahren besteht und niemand das System zerstören und alle Bitcoins stehlen konnte. Die Art und Weise, wie das ganze aufgebaut ist, macht es trotzdem sehr unhandlich, es kann nur einen Bruchteil der Transaktionen abwickeln, die Visa oder Mastercard schaffen. Das Validierungssystem für die Zahlungen braucht irre Mengen an Energie. Und noch etwas: Wenn ein Typ zu mir kommt und behauptet, er hätte dieses dezentrale, autonome System geschaffen – woher weiß ich denn, dass das stimmt?“

Was macht Sie so misstrauisch?

„Ich habe das oft gehört und musste dann feststellen, dass es entweder grobe Fehler gab oder alles ein riesiger Betrug war.“

Okay, dann noch ein Vorteil: In vielen Teilen der Welt gibt es kein entwickeltes Zahlungs- oder Bankensystem, hier kann Krypto eine Lücke schließen.

„Ja, das hört sich gut an. Aber in Wirklichkeit? Ich habe mir das Beispiel El Salvador genauer angesehen…“

…wo der autoritär regierende Präsident Nayib Bukele verordnet hat, dass Bitcoin offizielles Zahlungsmittel wird und Händler das akzeptieren sollen.

„Genau, da bin ich hingefahren. Und ich erlebte, dass die Bevölkerung Bitcoin total ablehnt. Es gibt da null Interesse, es für irgendetwas zu nutzen. An der Küste gibt es eine kleine Surferstadt, die als Bitcoin-Zentrum des Landes gilt. Selbst dort sind viele Händler derart genervt davon, dass sie Schilder aufgestellt haben: Hier wird kein Bitcoin akzeptiert. Menschen in Entwicklungsländern wollen auch Finanzprodukte, die sich einfach nutzen lassen. Und dafür gibt es ja gute Beispiele: In Kenia nutzt jeder M-Pesa, selbst Bettler. Nur hat das System nichts mit Krypto zu tun.“

Sind Sie bei Ihren Recherchen nie auf einen Anwendungsfall gestoßen, der wirklich nützlich war?

„Naja, für Betrüger und Scammer sind Kryptowährungen sehr praktisch… Früher brauchten sie Mittelsmänner, die ihre Bankkonten für Zahlungen zur Verfügung stellten. Das geht heute einfacher und anonymer. Für Bürger in autoritären Staaten ist es aber tatsächlich eine gute Möglichkeit, ihr Geld zu verstecken. Und dann wiederum gibt es Hinweise, dass Russen große Beträge mithilfe von Stablecoins wie Tether, dessen Wert an den Dollar gekoppelt sein soll, in den Nahen Osten transferiert haben.“

Sie beschreiben die Kryptowelt in ziemlich düsteren Farben, voller Verbrecher und Betrüger und naiven Anlegern. Warum haben so Viele da mitgemacht?

„Wissen Sie, Betrüger verkaufen immer eine Geschichte. Krypto war einfach so eine gute, mächtige Geschichte. Es ging immer um die Zukunft des Geldes, was hohe Wertzuwächse versprach. Jeder kennt irgendwen, der mit Bitcoin oder Ethereum viel Geld verdient hat. Und die Aufsichtsbehörden habe nie richtig hingeschaut. Das ist eine der wichtigen Lektionen aus dem Ganzen: Es macht Sinn, die Finanzmärkte zu regulieren.“

Werden wir nach dem aktuellen Anstieg einen erneuten Crash sehen, ein spektakuläres Platzen der Blase? Oder wie wird das Kryptozeitalter enden?

„Das kann ich nicht vorhersagen, aber ich halte für sehr wahrscheinlich, dass die Menschen nach und nach das Interesse an den meisten Kryptowährungen verlieren werden. Wenn es keine sinnvollen Anwendungen geben wird, wird der Preis sinken. Die Preise können nicht immer weiter steigen. Natürlich arbeiten viele schlaue Menschen in dem Bereich, vielleicht erfinden die ja etwas Neues, aber ich sehe derzeit nichts.“