Raisin-Gründer Tamaz Georgadze (Bild: PR)

„Es ist absurd, daraus ein Fintech-Problem zu machen“ – der Weltsparen-Gründer über den Greensill-Skandal

Im Drama um die Greensill Bank gibt es nun auch Kritik an den Zinsplattformen, die hunderte Millionen Euro von Kleinanlegern an die Bremer Bank vermittelt haben. Im Interview spricht Weltsparen-Gründer Tamaz Georgadze über die Vorwürfe und die Verantwortung seines Fintechs.

Die Zinsplattform Weltsparen gehört zu den zurückhaltenden deutschen Fintech-Startups, doch seit ein paar Tagen steht die Firma hinter dem Angebot, Raisin, im Fokus der Öffentlichkeit. Hunderte Millionen Euro haben die Berliner Firma und ihr Konkurrent Zinspilot von Kleinanlegern an die Greensill Bank vermittelt, die in einen Skandal verwickelt ist. Die Aufsichtsbehörde Bafin hat ein Moratorium verhängt, kein Geld darf die Bank mehr verlassen. Zudem ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft (Finance Forward berichtete).

In den vergangenen Tagen kam nun auch Kritik an den Startups auf, obwohl das Geld abgesichert ist. „Der Fall wirft kein gutes Licht auf einzelne Zinsplattformen“, sagte etwa der Grünen-Politiker Danyal Bayaz dem Handelsblatt. „Nach Wirecard wäre das ein weiterer Schlag für unseren Fintech-Standort“. Kleinanleger müssten vor unseriösen Angeboten geschützt werden.

Finance Forward hat mit dem Raisin-Gründer Tamaz Georgadze über die Vorwürfe, kritische Berichte aus der Vergangenheit und mögliche Regeln gesprochen.

Tamaz, bereits im vergangenen Sommer gab es kritische Berichte über die Greensill Bank. Warum habt Ihr über Eure Plattform „Weltsparen.de“ die Kundengelder weiter dorthin geleitet?

Tamaz Georgadze: Dahinter steht die Frage nach unserer Rolle. Wir sind als Zinsplattform nicht in der Lage, eine tiefergehende Bilanzprüfung durchzuführen. Wir schauen von außen auf die Firma. Die Greensill Bank war mit rund 500 Millionen Euro Eigenkapital gemessen an Einlagen und Risiko sehr gut kapitalisiert – und sie hat profitabel gearbeitet. Selbst „Finanztest“ hat das Institut empfohlen. Die kritischen Berichte haben wir natürlich wahrgenommen. Aber da ging es um Konzentrationsrisiken, nicht um Bilanzfälschung. Und kritisch berichtet wird über viele Banken.

Das heißt, Ihr habt als Zinsplattform keine Prüfungs-Verantwortung?

Georgadze: Natürlich schauen wir uns die Banken an, bevor sie auf unsere Plattform kommen, beispielsweise ob sie profitabel arbeiten, wie viel Liquidität sie vorhalten und wie die Eigentümerstruktur aussieht. Man muss zwischen zwei Betrachtungen unterscheiden: Erstens, welcher Schaden kann für unsere Kunden entstehen? Durch die gesetzliche und private Einlagensicherung waren und sind die Gelder von Privatanlegern im Fall der Bremer Greensill Bank gesichert. Und dann stellt sich zweitens die Frage: Warum haben in diesem Fall der mutmaßlichen Bilanzmanipulation die Sicherungsmechanismen nicht gegriffen? Sowohl der Prüfungsverband der Banken als auch die Bafin verfügen über Instrumente der Kontrolle und der Sanktion. So kann die Bafin zum Beispiel die Höhe der Einlagen begrenzen.

Ihr könntet nicht mehr tun?

Georgadze: Wie soll das in der Praxis funktionieren? Wenn aus dem „Fall Greensill“ jetzt ein Fintech-Fall gemacht wird, dann ist das absurd. Es ist nicht die Aufgabe der Zinsportale, die Bücher zu prüfen, das ist Aufgabe der Aufsicht und der Wirtschaftsprüfer. Wie soll eine umfangreiche Prüfung von unserer Seite denn in der Praxis bitteschön funktionieren? Dafür fehlen uns natürlicherweise die Mittel und Instrumente. Und: Für wen würde das dann noch gelten? Was ist mit Check24? Was ist mit Finanztest? Und was ist mit Google? Denn die Greensill Bank hat die Sparer ja nicht nur über die Portale angesprochen, sondern sich im Internet auch direkt vermarktet. Wir stehen jetzt plötzlich im Mittelpunkt der Kritik. Dabei kamen von uns überhaupt nur zehn bis 15 Prozent der Einlagen …

… das wären grob 350 Millionen bis 500 Millionen Euro …

Georgadze: … während der weit überwiegende Teil des Geldes allem Anschein nach gar nicht über Zinsportale zur Greensill Bank geflossen ist, sondern über klassische Einlagenvermittler, die ihr Geschäft im Auftrag von Firmenkunden und sonstigen institutionellen Anlegern betreiben. Warum wird jetzt so getan, als sei der Sparer das Problem?

Euer Modell sieht vor, dass Anleger höhere Zinsen bekommen und es trotzdem in der Theorie kein Ausfallrisiko gibt. Widerspricht das nicht dem Grundsatz, dass mit höheren Renditen höhere Risiken einhergehen?

Georgadze: Man muss sich unsere Funktion noch einmal bewusst machen. Es gibt einerseits die normalen Retailbanken. Die zurzeit auf unglaublich viel Geld sitzen, das immer öfter negativ verzinst wird. Auf der anderen Seite stehen Banken, die zum Beispiel Factoring oder Immobilienfinanzierungen betreiben und die Geld brauchen und die genau solche Einlagen suchen, um sich günstiger refinanzieren zu können. Diese beiden Parteien verbinden wir über unsere Plattform – und diese Funktion erklärt, warum Kleinanleger über Portale wie Weltsparen höhere Zinsen erhalten als bei ihrer Hausbank. Es ist also nicht so, dass die Sparer bei uns höhere Zinsen erhalten, weil wir die Risiken an die Einlagensicherung auslagern.

Gibt es aus deiner Sicht keine Mechanismen, um nur die guten Banken auf die Plattform zu bringen?

Georgadze: In Deutschland sind allein 1.600 Banken am Markt, in Europa rund 6.500. Die weit überwiegende Mehrheit hat ein legitimes und solides Geschäftsmodell und es sind nicht alle Bilanzfälscher und Manipulatoren. Mit ihren Leasing-, Factoring- oder Immobilien-Geschäften können sie teilweise gute Margen vorweisen. Das zu prüfen, ist der Endkunde nicht in der Lage und uns als Plattform fehlen Mittel und Befugnisse dafür.

Wie lässt sich ein Fall wie Greensill denn aus deiner Sicht verhindern?

Georgadze: Bislang kennt man ja noch nicht die Hintergründe. Aber generell gesprochen: Betrug wird sich nicht immer verhindern lassen. Aber es gibt ja Instrumente: Sanktionsmechanismen für Vorstände. Oder einen besseren Schutz für Whistleblower. Denn wenn Betrug im Spiel ist, dann machen Vorstände die Buchungen im Zweifel nicht alle selbst, sondern da gibt es ja Mitwisser.

Welche Konsequenzen hat der Fall für das Image der Zinsplattformen?

Georgadze: Das ist schwer abzuschätzen. Unser Hauptanliegen ist es zurzeit, dort zu helfen, wo wir können. Wir haben zum Beispiel die Kunden ausführlich informiert. Und es gibt unzählige Presseanfragen. Weltsparen steht plötzlich im Mittelpunkt, weil wir uns zu Wort gemeldet haben. Andere Betroffene wie die Ratingagentur, andere Vermittler oder Konkurrenten von uns haben sich noch gar nicht geäußert.

Wie reagieren die Kunden?

Georgadze: Gerade zu Anfang der Berichterstattung haben sich viele gemeldet und gefragt, wie es jetzt weitergeht. Mittlerweile hat sich das wieder beruhigt.