Kreditkarten-Werbung auf Tiktok: „Wahre Kosten stecken im Kleingedruckten“. Bild: IMAGO / Pond5 Images

Kreditkarten ohne Bonitätscheck trenden auf Tiktok – das steckt dahinter


Auf Tiktok taucht immer wieder Werbung für vermeintlich kostenlose Kreditkarten ohne Bonitätsprüfung auf. Damit sollen vor allem Verbraucher in Zahlungsnot gelockt werden. Aber was verbirgt sich hinter den Angeboten?

Die Welt auf Tiktok ist schnelllebig. Zwischen einem GRWM („Get Ready With Me“) und einem lustigen Video, in dem ein Hund Skateboard fährt, ploppt plötzlich ein neues Video auf. „Schlechte Kreditgeschichte, aber du brauchst eine Kreditkarte? Kein Problem. Du kannst eine Karte mit einem großen Limit bekommen. Diese Banken schauen nicht auf deine Kreditwürdigkeit”, fragt da eine computergenerierte Stimme. Im Video packen zwei Hände eine nagelneue Kreditkarte aus. Dazu dramatische Musik, schnelle Schnitte und viele Emojis. Aber ist sowas überhaupt seriös?

Werbung für schnelles Geld funktioniert auf Social-Media-Plattformen hervorragend. Oft werden junge Leute auf Instagram und Youtube eingeladen, schicken Trading-Gruppen beizutreten. Auf der Videoplattform Tiktok geht das noch direkter: Hier wird gerne direkt mit Anzeigen für vermeintlich kostenlose Kreditkarten geworben. Es gibt zahlreiche solcher Werbungen. Da heißt es etwa: „Brauchst du kurzfristig Geld? Kein Problem. Diese Karte ist gebührenfrei und gibt dir bis zu 3.000 Euro Sofortkredit. Hole dir jetzt kostenlos deine Karte.“ Oder: „Hole dir die Kreditkarte, die dein Leben verändert. 10.000 Euro Limit ohne Bonitätsprüfung.“ Schon auf den ersten Blick sehen die Anzeigen nicht sonderlich seriös aus. Versprochen wird meist eine schnelle Kreditkarte, ohne Prüfung, teilweise mit einem hohen Kreditrahmen. Die Anzeigen landen neben den „normalen“ Videos im Feed der Nutzerinnen und Nutzer der Plattform. Abbestellen können sie die Werbung nicht.

Banken schalten Werbeanzeigen nicht selbst

Die Kreditkarten, um die es geht, sind unter anderem die X1 Card von der Coastal Community Bank, die Discover Card von der gleichnamigen Discover Bank oder die Extra Karte von der maltesischen Novum Bank. Doch das Geflecht ist noch ein klein wenig komplizierter. Denn die Banken schalten die Anzeigen nicht immer selbst. Sie kommen beispielsweise von Softwareunternehmen wie der Monet Financial Technologies GmbH, aber auch von Medienunternehmen wie Draivi Media Oy aus Finnland oder PPC Media Ltd. aus Gibraltar. Es sind also Vermittler, die an die Website der Kreditkarten weiterleiten – und dafür Geld bekommen. Solche Weiterleitungen werden entweder für jeden Klick, also jeden weitergeleiteten Datensatz oder aber für jeden tatsächlich abgeschlossenen Kredit vergütet.

Social-Media-Plattformen wie Tiktok eignen sich perfekt für zielgruppengerechte Anzeigen – deshalb schalten die Vermittler sie dort besonders gerne. Bei Karten, die mit Sofortkrediten ohne Bonitätsprüfung werben, ist die Zielgruppe höchstwahrscheinlich selbst nicht kreditwürdig. Sonst könnten die Nutzerinnen und Nutzer schließlich auch an andere Kreditkarten kommen.

„Wahre Kosten stecken im Kleingedruckten“

Wenn Verbraucherinnen oder Verbraucher etwa in Zahlungsnot geraten, der Dispo aber schon ausgereizt ist, suchen sie nach Möglichkeiten, anders schnell an Geld zu kommen. Nach Kreditkarten ohne Bonitätsprüfung zum Beispiel. Genau auf diese verletzliche Verbrauchergruppe zielen die Anzeigen. Menschen, die unter enormen finanziellen Druck stehen, wird ein schneller Ausweg angeboten. Oft allerdings mit verheerenden Folgen. „Bei den angeblich kostenfreien Kreditkarten verstecken sich die wahren Kosten im Kleingedruckten“, erklärt Niels Nauhauser. Er ist Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und leitet den Fachbereich Altersvorsorge, Banken und Kredite.

Bei der Extra Karte beispielsweise steht im Kleingedruckten, dass Zinskosten anfallen, wenn nicht der gesamte monatlich ausstehende Betrag zurückgezahlt wird. Und diese sind gar nicht mal so niedrig. Für die Extra Karte stellt die Novum Bank einen Effektivzinssatz von 24,6 Prozent in Rechnung. Für Verbraucher in Zahlungsnot kann es aber erst einmal erleichternd wirken, wenn der monatlich ausstehende Betrag nicht in voller Höhe ausgeglichen werden muss. „Die Grundkonstruktion dieser sogenannten revolvierenden Kredite ist darauf ausgelegt, Verbraucher langfristig als Schuldner zu binden, um die Profite aus Zinseinkünften und sonstigen Kosten zu maximieren“, erklärt Nauhauser.

Und auch sonst steht der Verbraucherschützer den auf Tiktok beworbenen Kreditkarten skeptisch gegenüber. „Ob Verbraucherinnen einer fremden Bank mit Sitz auf Malta, die nicht den deutschen Aufsichtsbehörden unterliegt, einen derart tiefen Einblick in ihre finanziellen Verhältnisse und ihr Einkaufsverhalten gewähren wollen, sollte reiflich überlegt sein“, sagt Nauhauser. Denn bei der Extra Karte etwa sollen Verbraucher der kartenherausgebenden Bank Lesezugriff auf das eigene Girokonto gewähren mit der Begründung, diese müsse das Einkommen verifizieren. So steht es im FAQ-Bereich der Extra Karte. Das sieht Verbraucherschützer Nauhauser kritisch: „Vereinfacht gesprochen, würde man einem Dritten sämtliche Kontoauszüge des eigenen Girokontos übergeben. Daraus gehen nicht nur Arbeitgeber und Gehalt hervor, sondern auch das gesamte Konsumverhalten, sofern man regelmäßig mit Karte bezahlt.“ Illegal ist so etwas zwar nicht. Aber auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) klärt über die Risiken von solchen revolvierenden Kreditkarten auf.

Werbeanzeigen melden

Auf Tiktok gibt es allerdings Richtlinien für Werbeanzeigen und das Bewerben von Markeninhalten. Zu den unzulässigen Branchen, deren Markeninhalte nicht beworben werden dürfen, gehören neben Glücksspiel, Waffen, Tabakprodukten auch Finanzprodukte oder -services. Konkret wird auch das Bewerben von Kreditkarten verboten. Auf Anfrage von Finance Forward entfernte Tiktok einige der Anzeigen, weil diese gegen ihre Richtlinien verstoßen würden. Alle weiteren Fragen ließ das Presseteam jedoch unbeantwortet.

Immerhin haben Nutzerinnen und Nutzer der Plattform die Möglichkeit, einzelne Werbeanzeigen zu melden. „Klicke auf das Symbol „Teilen“ unten rechts auf der Anzeige und wähle dann „Melden“. Folge den Anweisungen auf dem Bildschirm“, heißt es im Datenschutzzentrum von Tiktok. Ob gerade die Zielgruppe dies auch tut, ist allerdings fragwürdig. Am Ende gilt es, die Angebote zu hinterfragen. Aber: „Es gibt nicht die eine Checkliste, die verhindert, Betrügern auf den Leim zu gehen oder überteuerte Verträge abzuschließen“, sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Bei vermeintlich kostenlosen Kreditkarten, ohne Bonitätscheck und mit hohem Kreditrahmen sollten Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings aufpassen.