Angeblich renditestarke Immobilien: Was steckt hinter den Versprechen von Soldd?
Das Startup Soldd will Immobilien-Investoren dabei helfen, renditestarke Objekte zu finden und bündelt dazu die Daten aus mehreren Immobilienplattformen. Kann das funktionieren? Ein bekannter Immobilienanalyst ist skeptisch.
Seine erste Wohnung habe er in Graz gekauft, für 2.000 Euro pro Quadratmeter, erzählt Christian Feldbacher. Der hager wirkende Software-Unternehmer lächelt, während er mit ruhiger Stimme die Fragen des Unternehmers Gerald Hörhan, der auch unter dem Namen „Investmentpunk“ bekannt ist, beantwortet. Schon bei seinem ersten Investment habe Feldbacher gemerkt, wie viel Spaß ihm das Thema Immobilien mache. Innerhalb von zwei Jahren, erzählt er, häuft er sich ein beachtliches Portfolio an: 20 Wohnungen und zwei Zinshäuser – also Wohnhäuser, die einen Ertrag über Mieteinnahmen erzeugen –, Gesamtwert zwischen sieben und acht Millionen Euro.
Feldbacher wirkt nicht protzig, während er über seine Investments spricht, sondern sympathisch, nahbar. Er habe Schwierigkeiten bei der Suche gehabt, gibt er zu. Zwar gebe es zahlreiche Immobilien-Portale, auf denen ständig neue Objekte inseriert werden. Doch: „Zum Investieren eignet sich eigentlich nur ein Bruchteil davon.“ Daher habe der Software-Entwickler ein eigenes Tool gebastelt, das die Inserate der verschiedenen Plattformen filtert und nach Nettorendite – also der monatlich erzielbaren Miete abzüglich Betriebskosten und Rücklagen dividiert durch den Kaufpreis – und Vergleichswert am Markt sortiert. Und so war sein nächstes Unternehmen geboren: Soldd.
Experten aber klagen immer wieder über die schlechte Datenlage auf dem deutschen Immobilienmarkt. Hat Christian Feldbacher mit Soldd also eine Marktlücke gefunden – und die ideale Plattform für Anleger entwickelt, die gerne am Immobilienmarkt teilnehmen möchten?
„Die Idee scheitert an der Realität“
Ein Experte ist skeptisch – und zwar nicht nur, weil vom zweiten auf das dritte Quartal 2022 die durchschnittlichen Preise für Wohnimmobilien erstmals seit acht Jahren gesunken sind. „Die Idee, die sehr analoge und intransparente Immobilienbranche digitaler zu machen, hat zwar ihren Charme, aber scheitert an der Realität“, sagt Thomas Beyerle. Der Immobilienanalyst ist Head of Research des Finanzunternehmens Catella, das sich auf Immobilienberatung und Fondsverwaltungen spezialisiert hat. Außerdem ist er Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach.
Beyerle befasst sich täglich damit, wie viel Immobilien wert sind. Dass eine Plattform wie Soldd Immobilieninserate nach deren künftiger Rendite filtern kann, hält er für eher unrealistisch. „Erst, wenn der Verkauf einer Immobilie abgeschlossen ist, steht ihr konkreter Wert fest“, sagt er. „Der Angebotspreis, etwa in einem Inserat, ist nur ein Erwartungswert.“ Die auf Immobilienplattformen inserierten Preise seien nur Schätzungen, die auf Vergangenheitswerten basieren. „Der Markt befindet sich aber gerade im Wandel“, so der Immobilienanalyst. Prognosen seien daher mit größter Vorsicht zu genießen.
Dennoch wirbt Soldd auf seiner Website selbstbewusst damit, „die renditestärksten Immobilien“ zu finden. Der Kunde könne mithilfe der Software beispielsweise Immobilien mit mehr als fünf Prozent Rendite in Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern in Österreich oder Deutschland finden, behauptet das Startup. Außerdem könnten Investoren mithilfe von Soldd auch Immobilien entdecken, die 15 Prozent unter dem Marktwert liegen.
In einem Video erklärt Soldd-Gründer Feldbacher, was damit gemeint ist: Mithilfe des Tools können Anleger sehen, wie hoch der Kaufpreis pro Quadratmeter im Vergleich zu anderen Wohnungen mit derselben Postleitzahl ist. Ganz so einfach ist es aber nicht. Für Immobilienexperte Beyerle ist ein niedriger Quadratmeterpreis noch nicht zwangsläufig ein Indikator für Unterbewertung. „Die Fallzahl pro Vorort ist zu gering, außerdem basieren auch die Preise der anderen Immobilien auf Vergangenheitswerten“, erklärt er. Noch dazu kommt der Zustand der Immobilie. Zehn Quadratmeter von 1922 sind nicht so viel wert wie von 2022, oder frisch energetisch saniert.
Wie viele Kunden hat Soldd?
Doch wenn sich weder Rendite noch eine mögliche Unterbewertung seriös schätzen lassen – darf Soldd überhaupt mit solchen Versprechen werben? Laut der Anwältin Jennifer Beal, Leiterin des Berliner Büros der Wettbewerbszentrale, müsse ein Konkurrent oder ein klagebefugter Wirtschafts- oder Verbraucherverband, der gegen solche Versprechen vorgehen möchte, konkret beweisen, dass diese nicht wahr seien. „Solange es wirklich möglich ist, mithilfe der Plattform Immobilien mit der versprochenen Rendite zu finden, darf das Unternehmen auch damit werben“, sagt Beal.
Die Werbung auf der Website lässt sich also in die Kategorie „rechtliche Grauzone“ einordnen. Auf Erwartungswerte sollten sich Anleger im aktuellen Marktumfeld nicht verlassen – denn hier findet ein Umschwung statt. Zwar erwarten Experten, dass Mieten weiter steigen werden. Doch wer seine Immobilie mit Wertsteigerung verkaufen möchte, hat schlechte Karten. Der Aufschwung am Wohnungsmarkt ist abgekühlt: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet damit, dass dieses Jahr die Wohnimmobilienpreise um bis zu zehn Prozent zurückgehen, die DZ Bank rechnet mit bis zu sechs Prozent. Besonders Bestandsimmobilien verlieren an Wert, während die Preise für Neubau relativ stabil bleiben.
Immobilienanalyst Beyerle rät Anlegern zum Neubau, idealerweise zentral in der Stadt gelegen. Bei Bestandsimmobilien könnten Sanierungsanforderungen zu bösen Überraschungen werden, außerdem rechnet er damit, dass zunehmend mehr Menschen in Städte ziehen werden und die Nachfrage nach Wohnraum auf dem Land sinken wird. Er bezweifelt, dass eine Software, die Daten aus Immobilienplattformen auswertet, bei der Renditeberechnung auch solche Trends berücksichtigt. „Ein solches Tool kann allenfalls Anlegern dabei helfen, sich einen Überblick zu verschaffen.“
Fast 30 Euro monatlich zahlen Kunden für die günstigste Version der Soldd-Software. In diesem Angebot sind aber nur Informationen über Wohnungen und nicht über Häuser oder Grundstücke inbegriffen. Wer nicht nur nach Wohnungen, sondern auch nach Häusern sucht, muss fast 150 Euro pro Monat ausgeben – und für das Paket, in dem auch Infos über Grundstücke enthalten sind, werden 500 Euro pro Monat fällig. In den beiden teureren Versionen sind auch mehr Funktionen erhalten, etwa die Möglichkeit zur Standortanalyse.
Die günstigste Version ist laut Soldd nur für Privatanleger oder Firmen mit weniger als 200.000 Euro Jahresumsatz erhältlich. Wie viele Kundinnen und Kunden Soldd derzeit hat, ist nirgendwo auf der Website zu finden – und auch zu Finanzierungsrunden gibt es keine Informationen im Netz.
Keine Kooperation mit Immoscout24
Dabei wurde Soldd bereits 2020 in Wien von Feldbacher und seinem Geschäftspartner Alexander Leutgöb gegründet. Bereits 2012 haben sie Felgo aufgebaut, ein Unternehmen für App-Entwicklungssoftware. Seit vergangenem Jahr versuchen sich Feldbacher und Leutgöb mit Qosty auch an einer Multibanking-App (Finance Forward berichtete). Als Herausgeber der App fungiert die Soldd GmbH.
Erfahrung zu Immobilien haben die Gründer offenbar nur als Investoren gesammelt, in der Branche tätig waren sie zuvor nicht. Ihre Software nutzt die Daten aus mehr als 46 Immobilienportalen, bündelt sie, wertet sie aus und sendet dem Kunden täglich oder stündlich Angebote, die seinen Suchkriterien entsprechen. Wer mehr zu einem interessanten Objekt erfahren möchte, wird auf die jeweilige Immobilienplattform, von der das Inserat stammt, weitergeleitet.
Doch ist es überhaupt legal, von anderen Immobilienplattformen Daten auszuwerten und für Geld weiterzuverkaufen? Das sei davon abhängig, wie Soldd an die Daten gekommen sei, erklärt Christian Solmecke, Partner der Kanzlei WBS Legal und Experte für Internetrecht.
So würde die Immobilienplattform Immoscout24 beispielsweise in ihren Nutzungsbedingungen die automatisierte Abfrage durch Suchsoftware oder vergleichbare Maßnahmen ausschließen und verbiete es, die durch Abfrage gewonnenen Daten zu verwenden, um eine eigene Datenbank aufzubauen. Allerdings habe der Bundesgerichtshof bereits 2021 festgestellt, dass das sogenannte Screen Scraping trotz entgegenstehender AGB wettbewerbsrechtlich erlaubt sei, wenn dabei keine technischen Schutzvorkehrungen überwunden werden.
Somecke weist auch daraufhin, dass ein erneutes Veröffentlichen der Daten von Plattformen wie Immoscout24 auch urheberrechtlich problematisch sein könnte, da diese ein Leistungsschutzrecht an den eingestellten Inhalten haben. Die reine Verlinkung auf die Inhalte der Original-Datenbank sei aber zulässig.
Wie genau Soldd an die Daten gelangt ist, bleibt offen: Eine ausführliche Anfrage von Finance Forward bleibt unbeantwortet. Eine Sprecherin von Immoscout24 sagt, es bestehe keine Kooperation zwischen den beiden Unternehmen. Immoscout24 behalte sich insofern eine rechtliche Prüfung des Angebots von Soldd vor.