SO1 hat sich auf Kunden aus der Handelsbranche spezialisiert (Bild: imago images / Xinhua)

SO1-Gründer kaufen ihre Firma von Wirecard zurück

Exklusiv: Nur wenige Monate vor dem Ende übernahm der Payment-Konzern Wirecard das Berliner Startup SO1 – und zog es mit in die Pleite. Nun konnten die Gründer ihre Firma zurückkaufen.

Es war eine der letzten positiven Nachrichten, die der inzwischen insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard im Frühjahr hervorbrachte: Für einen zweistelligen Millionenbetrag übernahm der Aschheimer Dax-Konzern das Berliner Big-Data-Startup SO1. Intern schmiedete man große Pläne für die neue Tochter: SO1 sollte das Kernstück eines Werbenetzwerks bilden, das dank der in Massen vorhandenen Transaktionsdaten bald mit Google oder Facebook konkurrieren könnte. Soweit die Theorie.

In der Realität stürzte Wirecard nur kurze Zeit später über einen riesigen Bilanzskandal und musste Ende Juni Insolvenz anmelden. Nur einen Tag nach der Wirecard AG war auch die Berliner SO1 GmbH zahlungsunfähig. Gründer Raimund Bau trauerte um sein „Baby, das wir mit viel Mühe und gegen Widerstände im Markt und von Investoren groß bekommen haben“, so beschrieb er es gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Capital. „Das Ende hätten wir uns nicht so vorgestellt.“

Seit dieser Woche ist klar: Diese Geschichte bekommt noch eine Fortsetzung. Denn die Gründer konnten die Assets ihrer Firma zurückkaufen und planen nun den Neustart.

Am Dienstag genehmigte die Gläubigerversammlung den Vorschlag von Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma, die Reste des Betriebs an eine von den Gründern Raimund Bau und Sebastian Gabel neu gegründete Gesellschaft zu verkaufen. Der Kaufpreis liegt im fünfstelligen Euro-Bereich und damit deutlich unter der Summe, die Wirecard im Frühjahr für die Firma überwiesen hat. Trotzdem sei der Rückkauf auch für diesen Preis „eine gute Sache“, so Köhler-Ma, „weil er Erlös sichert und Kosten spart“. Andernfalls wäre er als Insolvenzverwalter nämlich gezwungen gewesen, die Gesellschaft zu schließen, die Mitarbeiter aber für weitere drei Monate bezahlen zu müssen.

Eine andere Option habe er auch nicht gesehen, so Köhler-Ma – zwar hätte es ein paar Anfragen potenzieller Käufer gegeben, „aber niemanden, der ein Gebot abgeben wollte, da es sich um einen stark personenbezogenen Geschäftsbetrieb“ gehandelt habe. Im Klartext heißt das: Ohne die Gründer hätte das Startup überhaupt keinen Wert mehr gehabt.

Trotzdem sieht es von außen erst einmal so aus, als hätten die Gründer mit der ganzen Aktion einen guten Schnitt gemacht: teuer verkauft und für einen Spottpreis zurückgekauft. Andererseits dürfte die Firma heute in einem deutlich unattraktiveren Zustand sein als vor dem Exit: Während der Zugehörigkeit zu Wirecard wurde massiv Personal aufgebaut und gleichzeitig den bisherigen Kunden gekündigt – denn SO1 sollte ja nun sein Business neu ausrichten.

„Wir setzen nun mit verkleinerter Mannschaft das ganze Ding neu auf“, verspricht Raimund Bau gegenüber Finance Forward. Etwa die Hälfte des Teams bleibt an Bord. Mit Unterstützung von Investoren fließen noch einmal zwei Millionen Euro in die Firma, die nun noch 22 Mitarbeiter zählt und in den USA registriert wurde – weil die Gründer dort am ehesten einen Exitkanal vermuten und es mit einer US-Gesellschaft einfacher gewesen sei, die Mitarbeiter mit realen Aktien zu beteiligen.

Die erste Aufgabe sei nun, „den Cashflow wieder hochzukriegen“, sagt Bau, denn während der Wirecard-Zeit sei „die Sales-Pipeline kollabiert“. Inzwischen gebe es aber wieder Anfragen, „mehr als ich handlen kann“, so der Gründer. SO1 wird sich nun wieder seinem Kernmarkt, dem Handel, zuwenden. Damit war das Startup groß geworden, mit seiner Technologie ließ sich das Kaufverhalten von Kunden analysieren, woraus dann individuelle Rabatte errechnet werden konnten.

„Wir glauben, dass die Umsätze da schnell wieder hochgehen werden“, sagt Bau. „Der Markt ist gerade sehr dynamisch, denn der Handel hat in der Coronakrise eine deutliche Revolution in Sachen Technologie gesehen.“