Wie Instagram-Scammer die Reputation von Finanzexperten missbrauchen
Immer häufiger werden die Profile bekannter Finanz-Experten auf Instagram kopiert. Mit den vertrauten Gesichtern versuchen Kriminelle, Follower zu falschen Trading-Seiten zu locken. Was unternimmt Meta, die Firma hinter Instagram, dagegen?
Überrascht läuft die Berlinerin zu ihrem Mann. Auf Instagram wurde sie von ihm angeschrieben. „Hallo! Wie laufen deine Trades dieses Jahr?“, fragt @cwroechl auf Instagram. Antworten wird der echte Christian W. Röhl. Denn die Kriminellen haben mit ihrem kopierten Fake-Profil ausgerechnet den Account der Ehefrau des Finanzexperten erwischt.
Der kopierte Account ist sehr leicht mit dem echten zu verwechseln, einzig der Nutzername hat einen Buchstaben mehr drin – in diesem Fall @cwroechl statt @cwroehl. Ein Detail, das viele andere auf den ersten Blick übersehen werden. Von diesen Fake-Accounts gibt es einige – und sie tauchen immer wieder auf. Allein am Donnerstagmittag war Christian W. Röhl insgesamt sechs Mal auf Instagram zu finden.
Ein aufwändiger Scam – der sich offenbar lohnt
Röhl soll auf der Handelsplattform die „Signale von erfahrenen Händlern kopieren“, um von ihren Geschäften zu profitieren – so fordert es die Person hinter dem Fake-Profil. Es ist nur eine von vielen verschiedenen Maschen, mit der in den vergangenen Monaten unzählige Instagram-Nutzer im deutschsprachigen Bereich kontaktiert wurden. Manchen Followern werden Gewinne mit Krypto-Trades oder Derivaten angeboten, anderen angebliche Mentoring-Programme oder Beratung. Alles im Namen der Finanzexperten.
Das Playbook: Man kopiere den Account von bekannten Finanz-Experten – inklusive einiger Bilder, damit das Profil echt aussieht. Die Scammer kaufen sich für jeden Fake-Account Tausende falsche Follower, um nicht aufzufallen. Dann blockieren sie den Originalaccount, um nicht entdeckt zu werden.
Im nächsten Schritt werden die Follower des Originals nach und nach per Privatnachricht kontaktiert. Röhl hat rund 31.000 Follower, Klöckner kommt auf 4.000. Wenn nur ein Bruchteil von ihnen dem Fake-Profil Glauben schenkt, hat sich das für die Scammer bereits gelohnt. Dass diese Accounts immer wieder auftauchen, zeigt: die Masche funktioniert.
In dem Glauben, persönlich mit einem heißen Finanz-Tipp von einem bekannten Finanz-Experten angeschrieben zu werden, können schon mal mehrere Tausend Euro in ein vermeintliches Investment fließen. Dafür setzen die Scammer falsche Webseiten auf, über die angeblich gehandelt wird. Am Ende ist das Geld weg, mitunter soll es über Kryptowährungen eingezahlt werden.
Dahinter steckt eine aufwändige Organisation. Die Accounts müssen aufgesetzt werden, die Bilder hochgeladen und Follower gekauft werden. Dann beginnt die richtige Arbeit: Nach und nach werden die Follower kontaktiert, immer im Namen der Finanzexperten. Die meisten werden skeptisch, sowohl Röhl als auch Klöckner bekommen viele Nachrichten von Followern, die diese Accounts gemeldet haben. Doch manche vertrauen den mühevoll kopierten Profilen. „Wir haben es hier mit Identitätsdiebstahl zu tun, den Meta offenbar einfach in Kauf nimmt“, sagt Röhl. Er bekomme von seinen Followern bis zu 50 Nachrichten pro Tag, die ihn über diese Accounts informieren. „Und dann ist da noch die Dunkelziffer derer, die sich womöglich schämen, auf so etwas reingefallen zu sein.“
Die Fake-Accounts bleiben zum Teil über Monate online
Auffällig ist, wie lange die Fake-Accounts online bleiben, obwohl sie jeweils dutzendfach gemeldet werden – teils sogar wochenlang. Auch Röhl und Klöckner selbst haben Beschwerde eingereicht. Passiert ist zunächst: Nichts.
Erst nach einer Presseanfrage von Finance Forward löschte Instagram die Accounts am Donnerstagnachmittag. „Die Sicherheit unserer Community hat für uns höchste Priorität und wir nehmen ungewollte Nachahmung und Imitation auf Instagram sehr ernst – ein solches Verhalten verstößt gegen unsere Gemeinschaftsrichtlinien“, sagt eine Meta-Sprecherin. „Wir investieren stetig in umfangreiche Kontrollen, Meldemöglichkeiten und Technologien, um gegen betrügerische Inhalte und Konten vorzugehen.“
Die Existenz eines dieser Fake-Accounts lässt an diesen Worten besonders zweifeln. Er imitiert Klöckner bereits seit Ende Dezember – also nunmehr sieben Wochen. Für ein Tech-Unternehmen wie Meta, das neben Instagram auch Facebook und Whatsapp betreibt, sollte es ein Einfaches sein, diese Accounts frühzeitig zu erkennen. Algorithmen sind mittlerweile in der Lage zu erkennen, wenn Bilder, die bereits auf der Plattform hochgeladen wurden, erneut gepostet werden. Nicht zuletzt auch die sehr ähnlichen Nutzernamen sollten schnell erkannt werden. Trotzdem sind diese Accounts über mehrere Wochen aktiv.
Klöckner vermutet dahinter Kalkül. „Es ist technisch möglich, diese Accounts schnell zu löschen, das wissen wir ja bereits“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. „Aber: Wenn Instagram damit einmal anfängt, dann verlieren sie sofort eine große Zahl an Nutzern.“ Auf der Grundlage der von Meta selbst kommunizierten Zahl an Account-Duplikaten (elf Prozent) könnten das mindestens hundert Millionen sein, die über Nacht weg wären, mutmaßt er. Das würde das Geschäftsmodell gefährden – und an den Kapitalmärkten entsprechend bestraft werden.
Auffällig ist, dass sich diese Zahl seit 2018 nicht geändert haben soll, während sich diese Werte davor jedes Jahr gesteigert hatten. Auch die Zahl der „unerwünschten Accounts“ kommuniziert das Unternehmen seit 2018 als fünf Prozent der gesamten Nutzerschaft. Wie es zu dieser Stagnation kommt, erklärt das Unternehmen nicht.
Dass die technischen Voraussetzungen für derartige Kontrollen funktionieren, das zeigt Instagram seit Jahren in einem ganz anderen Fall: Die Plattform unterbindet beispielsweise das Posten von weiblichen Nippeln. „Es ist viel einfacher, eine Künstliche Intelligenz zu entwickeln, die einen Nippel erkennen kann, als zu bestimmen, was sprachlich gesehen Hate-Speech ist“, sagte Meta-Chef Mark Zuckerberg selbst 2018. Er weiß also, dass es möglich ist.
Für Klöckner und Röhl bedeutet das, sich mittelfristig von der Plattform zurückziehen zu müssen. „Eigentlich müsste ich Instagram verlassen, um meine Follower zu schützen“, sagen beide. Das wird wohl davon abhängen, wie sich die kommenden Monate auf der Plattform entwickeln.