Robo Advisor sind nur der Anfang: Wie virtuelle Assistenten zum Kundenberater werden, den wir uns immer gewünscht haben
Robo Advisor. Was für ein Wort! Aber berät ein Robo-Advisor eigentlich? Oder befolgt er nur klar definierte Regeln? Letzten Endes sind die neuen Lieblinge der Bankenbranche der Versuch, Online- und Mobile-Banking im Jahr 2018 persönlich zu halten – oder es überhaupt erstmal zu personalisieren. Das ist doch viel zu kurz gegriffen.
Laut einer Studie von Accenture ist fast die Hälfte der Bankkunden (47%) bereit, in Zukunft Chatbots oder Robo Advisor zu nutzen. Dabei erwarten sie, dass die “Banking-Experience” genauso “spot on” ist wie die GPS-Funktion auf ihren Handys. Kurzum: Sie soll zuverlässig sein. Wer dieses Bedürfnis ignoriert, riskiert elf Prozent seiner Kundschaft zu verlieren. Das ist der Prozentsatz derer, die laut der Studie 2017 zu virtuellen Banken, wie etwa N26 oder Revolut, gewechselt sind. Neben günstigeren Services gaben Wechselwillige eine bessere App oder Webseite als Begründung an. Robo Advisor würden sie vorrangig nutzen, um Kosten zu minimieren, aber auch weil der Prozess “proaktiver” und “responsiver” sei als im Umgang mit einem Bankberater. Kurzum: Künstliche Intelligenz ist durchaus willkommen, zumindest unter US-Kunden. Sie erfordert zum einen Investitionen seitens der Banken, um zeitgemäßes Finanzmarketing anzubieten, kann dann aber passgenaue und individuelle Beratung auf einem bislang unerreichten Level anbieten. Die Frage ist nur: Wie?
Als proaktiver Finanz-Navigator
Was dem Bankkunden beim Online- und Mobile-Banking vorgesetzt wird, sind immer noch nicht mehr als, nun ja, Zugänge. Der Nutzer bekommt Zugriff auf sein Konto. Eine Auflistung Einnahmen, Ausgaben und Salden. That’s it. Persönlicher wird es bei einer Filialbank kaum, wenn man nach dem Login vom Foto des zugewiesenen Bankberaters angelacht wird oder eine Direktbank ihre Chatfunktion bewirkt. Was Personalisierung im Banking im Jahr 2018 eigentlich bedeutet, das ist der Einsatz von Tools passgenau auf die Bedürfnisse. Nicht der Kunden im Allgemeinen, sondern des einzelnen Kunden.
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Nehmen wir beispielsweise die Payment-Funktion in Banking-Apps. Mit dem Einsatz von AI ließen sich nicht nur Zahlungen realisieren, man könnte dem Kunden automatisiert Orientierung bieten. So ließe sich auf Basis früherer Transaktionen der Kontostand prognostizieren bzw. Gebühren und Einzahlungen auf der Grundlage früherer Aktivitäten vorhersagen und damit etwa ein Wochenendsaldo bereitstellen, den der Kunde unter Umständen mit einer anstehenden Überweisung überziehen würde. Basierend auf diesen Formulierungen könnte die App dann Handlungen empfehlen, um die Abweichung abzudecken. Letztendlich könnte ein solcher proaktiver Prozess es dem Kunden ermöglichen, Überziehungsgebühren zu vermeiden.
Wäre das zu viel Einmischung seitens der Bank? Wohl kaum, wenn diese Art des Engagements dem Kunden das Gefühl vermitteln kann, dass die Bank auf ihn Acht gibt und ihm dabei hilft, fundiertere finanzielle Entscheidungen zu treffen. Weg vom Upselling unpassender Finanzprodukte, hin zum Mentoring eines mündigen Kunden, der gute Argumente für eine dauerhafte Beziehung zu seiner Bank bekommt in einer Zeit, in der in wenigen Minuten ein neues Konto angelegt und das alte gekündigt ist.
Als smarter Finanzberater
Alexa hat “Skills”. Genau wie Siri oder Googles Assistant. Doch welcher smarte Assistent verfügt auch über Investment-Skills? Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass mehr Banken virtuelle Assistenten für personalisiertes Marketing und Kundenbetreuung verstärkt einsetzen wollen. So launchte etwa die comdirect einen Alexa-Skill, über den sich Aktienkurse abfragen lassen. Allemal hilfreich, doch noch nicht wirklich personalisiert.
Der erste Schritt zum Aufbau eines effektiven virtuellen Assistenten besteht darin, zu verstehen, was der Kunde von ihm erwarten würde. Stichwort: Customer centricity. Wie viel Aufwand der Change-Prozess für eine Bank sein kann, davon hat ING-Diba-CEO Nick Jue im Interview mit FinanceFWD bereits erzählt. Dank Google, Facebook, Apple und Amazon hat der Kunde mittlerweile die Erwartungshaltung, dass das Unternehmen Probleme für ihn löst, von denen er noch gar nichts wusste. Für Banken bedeutet das: Pain points, wie etwa unerwartete Gebühren, frühzeitig vermeiden, damit der Kunde erhalten bleibt. Ein virtueller Assistent mit Zugang zur finanziellen Situation eines Kunden – also Salden, Einlagen und Zahlungen – könnte eine mögliche Überziehung frühzeitig erkennen und Gebühren vermeiden. Er würde Komplexität reduzieren und den Nutzer vor Fallstricken, die das System mit sich bringt, beschützen.
Derlei Assistenten gibt es auch schon. CapitalOnes digitaler Assistent Eno bietet einen Chatbot, der es dem Benutzer ermöglicht, seinen Kontostand zu überprüfen, Transaktionen zu überprüfen und Kreditkartenzahlungen per Text zu tätigen. Die amerikanische Finanzdienstleistungsgruppe USAA arbeitet derweil mit Amazon an einem virtuellen Bankassistenten, der Fragen interpretieren und Antworten geben kann, indem er menschliche Gespräche nachahmt. Für Banken dürften die Herausforderung darin liegen, nicht in “Featuritis” zu verfallen und der Kundschaft das passende Paket aus intelligenten Services zu schnüren, anstatt sie zu überfordern.
Als intelligenter Investor
Erst wenn man dem Kunden vermitteln konnte, dass die digitalen Services ihm vorrangig nützen, kann aus einem “Advisor” auch ein vertrauenswürdiger “Seller” werden. Ein denkbares Szenario: Künstliche Intelligenz sorgt langfristig dafür, dass sich virtuelle Geldbörsen von Zahlungs-Tools zu “Assistenten mit Brieftasche” entwickeln, die alle Aktivitäten nicht nur tracken, sondern daraus auch Schlüsse ziehen. Ein solcher Assistent könnte dem Verbraucher etwa dabei helfen, finanzielle Engpässe zu erkennen und dann Vorschläge zu liefern, den Lebensstil langfristig besser zu managen. Oder alternativ passende Investments anbieten, wenn es der Kontostand erlaubt. Denkbar wären auch Spartipps passend zur Lebenssituation. Das wäre ein Grad der Personalisierung, wie ihn keine Filialbank jemals anbieten konnte.
Derlei Ansätze gibt es schon. So ist es etwa das Langziel des von uns mehrfach in Artikeln erwähnten savedroid, eine AI-driven Wallet anzubieten, die automatisiert Geld anlegt. Und die amerikanische Citi-Bank hat vor Kurzem einen “360-Grad-Finanzüberblick” in der App gelauncht, der Citi- und Nicht-Citi-Konten zusammenführt. Stichwort: Plattform. Zu gewagt für deutsche Banken? Dabei muss man sich nur fragen, was die zwei großen Vorteile der gefürchteten GAFA sind: der direkte Kundenkontakt und die enorme Datenbasis. In dem Fall würde man als Bank den virtuellen Geldbeutel “ownen” und gleichzeitig ein Verständnis dafür bekommen, welche Produkte beim Endkunden gefragt sind, die man selbst noch nicht anbietet. Wer eine Vorstellung dafür bekommen will, wie so etwas aussehen könnte, dem sei die App “Zuper” ans Herz gelegt, die alle Girokonten inklusive Haushaltsbuch vereint und Überweisung über all diese Konten aus einer App heraus ermöglicht. Und wenn es auch um eine andere Branche handeln mag: GetSafe startete vor drei Jahren als virtuelle Versicherungsmakler und bietet nun eigene Produkte an – auf Basis gesammelter Daten – während Verivox vor Kurzem das Maklergeschäft übernommen hat.
Egal wie, Hauptsache: datenbasiert
So sehr in Zukunft “die Filiale” und “der Berater” im Retailbanking an Relevanz verlieren werden, so werden digitale Services an deren Stelle treten. Robo Advisor sind zweifelsohne das Trendthema 2018. Doch für kundenzentrierte Beratung braucht es nicht nur smarte Investment-Algorithmen, sondern datenbasierte Services. Hier kommt ins Spiel, dass Assistenten wie Siri, Google Assistant und Alexa nicht nur immer smarter werden, sondern über Schnittstellen auch immer mehr Zugriff auf Nutzerdaten bekommen. Gelingt es Banken, ihren immensen Datenbestand richtig einzusetzen, dann waren “Robo Advisors” nur der erste Schritt hin zu einer Kundenbeziehung, in der digitale Tools nicht nur dem Abverkauf dienen, sondern der Bankberater tatsächlich sein Revival erlebt – auf dem Smartphone.