In Deutschland setzt Peter Thiel fast nur noch auf Fintechs
Super-Investor Peter Thiel hat in Deutschland bereits in eine Foto-App, ein soziales Netzwerk und ein Fertiggerichte-Startup investiert. Das ist Geschichte: Inzwischen setzt Thiel fast ausschließlich auf Fintech-Geschäftsmodelle. Wie erfolgreich ist er damit?
EyeEm-Gründer Florian Meißner platzte fast vor Stolz, als er im April 2015 die Serie-B-Finanzierung seiner Foto-Community verkündete. 18 Millionen Dollar kämen „von einer Gruppe herausragender Partner“, angeführt von Valar Ventures, dem New Yorker VC des milliardenschweren Deutsch-Amerikaners Peter Thiel. Er sei „begeistert, sie an Bord zu haben“. Die neuen Investoren würden „nicht nur an EyeEms Vision für die Zukunft der Fotografie glauben, sondern auch an unser Team, an unsere kreative Community und unsere herausragende Technologie“.
Dass Valar seine Anteile 2017 schon wieder verkaufte und sich aus dem Unternehmen zurückzog, kommunizierte EyeEm hingegen nie öffentlich (stattdessen ließ man es so aussehen, als hätten die Bestandsgesellschafter – inklusive Valar – zehn Millionen draufgelegt). Nach Informationen von Finance Forward halten nun der Münchner Investor Cipio Partners sowie Accel-Industries-Partner Jörg Mohaupt die Anteile.
Vermutlich war der Valar-Rückzug gar nicht so sehr eine Entscheidung gegen EyeEm – sondern für eine neue Strategie, die der streitbare Milliardär Thiel seit einiger Zeit in Europa verfolgt. Noch vor wenigen Jahren war das Portfolio an Startups aus seiner deutschen Heimat eine wilde Mischung aus Firmen verschiedener Kategorien. Inzwischen fokussiert er sich bei seinen Investments fast ausschließlich auf Fintech und Insurtech. Für Thiel ist es eine Art Rückkehr zu den Anfängen: Schließlich begann er seine Karriere 1999 mit der Gründung eines der wichtigsten Fintechs der Dotcom-Zeit, dem Online-Bezahldienst PayPal.
2015 investierte Valar Ventures erstmals in die Challengerbank N26, an der der Fonds noch heute zwölf Prozent der Anteile hält. Das eindrucksvolle Wachstum des Berliner Startups um die Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal, das heute 3,5 Milliarden Dollar wert ist, soll für Thiel auch der Impuls gewesen sein, nach weiteren vielversprechenden Geschäftsideen in dem Sektor zu suchen.
Wechselhaften Erfolg brachte Thiel bislang das Investment in das Hamburger Scoring-Startup Kreditech. 2015 beteiligte sich Thiel über sein Family Office Thiel Capital an einer 40-Millionen-Dollar-Runde. Kreditech verhob sich mit massiven Expansionsanstrengungen und dem Festhalten an einem Scoring-Algorithmus, der Kreditausfälle viel schlechter prognostizierte als die Gründer Alexander Graubner-Müller und Sebastian Diemer es die Öffentlichkeit lange glauben ließen. Die Gründer sind nicht mehr an Bord, die Investoren setzten die Bewertung von über 200 auf zwischenzeitlich nur noch 14 Millionen Euro herunter.
Seit 2016 ist Thiel am Hamburger Festgeldvermittler Deposit Solutions beteiligt. Den kleinen Anteil von etwas über drei Prozent an dem jüngst mit einer Milliarde Dollar bewerteten Fintechs hält Thiel über eine US-Firma namens Rivendell (zu deutsch: Bruchtal – Thiel ist erklärter Fan der Herr-der-Ringe-Trilogie und hat vielen seiner Ventures Namen aus der fantastischen Welt J.R.R. Tolkiens gegeben).
Eine weitere Rivendell-Holding sowie der in San Francisco ansässige Founders Fund, der ebenfalls von Thiel ins Leben gerufen wurde, sind seit 2016 Shareholder des Kölner CFD-Tradingportals Nextmarkets. Ein wichtiger Investor ist der Frankfurter Inkubator Finlab, der auch an Deposit Solutions beteiligt ist.
2018 und 2019 investierte der Thiel-VC Valar Ventures Millionen in die 2016 gestartete Steuererklärungs-App Taxfix. Das Berliner Startup hat insgesamt gut 40 Millionen Euro eingesammelt.
Das Insurtech Coya wurde 2017 und 2018 von Valar finanziert. Das vom ehemaligen Kreditech-CIO Andrew Shaw gegründete Startup aus Berlin hat eine der größten Serie-A-Finanzierungen der letzten Jahre gestemmt, es bietet etwa Hausrat- und Haftpflichtversicherungen an. Valar versucht mit Coya und Taxfix, das Erfolgsrezept von N26 zu wiederholen – mit benutzerfreundlichen Apps und einer coolen Marke.
Anfang 2019 vervollständigte das Münchner Startup Cluno das Valar-Portfolio, das Autos verschiedener Hersteller im Abo anbietet – Wartung und Versicherung inklusive. Valar-Partner Andrew McCormack sieht das Venture als Fintech, nicht als Mobility-Modell: „Zum Kunden hin sind wir eine Mobilitätslösung, im Hintergrund aber prüfen wir Bonitäten, kaufen die Autos, finanzieren sie.“
Thiel verfügt damit über ein Portfolio, das zum einen relativ junge Hoffnungsträger enthält, daneben aber auch Schwergewichte wie N26 oder Deposit Solutions.
Im Vergleich dazu wirken Thiels deutsche Nicht-Fintech-Investments erst recht bescheiden. Abgesehen von EyeEm gehörte dazu auch das Berliner Food-Startup Eating with the Chefs, das mit seinen High-End-Fertiggerichten keinen Fuß in die Tür bekam und Anfang 2018 aufgelöst wurde. Noch offen ist, was aus Researchgate wird: Schon 2012 investierte Thiel hier mit dem Founders Fund; heute hat der einstige Berliner Shooting-Star zwar fast 90 Millionen Dollar an VC-Kapital eingesammelt, wird aber auch durch langwierige Streitigkeiten mit Wissenschaftsverlagen gelähmt.
Insbesondere mit Valar hat Thiel auch in anderen europäischen Märkten früh große Fintech-Hoffnungen identifiziert – Transferwise, der britische P2P-Geldtransferdienst, der wie N26 mit 3,5 Milliarden Dollar bewertet wird, gehört auch dazu. Bemerkenswert ist das erst recht vor dem Hintergrund von Thiels ausgesprochen kritischer Haltung gegenüber europäischen Gründern – so lästerte er 2014, diese hätten „niedrige Erwartungen“ und würden „nicht hart genug arbeiten, um Dinge zu ändern“. Wer weiß, vielleicht werden ihn seine deutschen Fintech-Erfolge eines Tages dazu bringen, diese Haltung zu überdenken.