Auf den Spuren des Startup-Investors, der nicht zahlte
Vor wenigen Wochen musste das Berliner Startup Cure Finance Insolvenz anmelden, weil ein dubioser Geldgeber versprochene Millionen nicht überwiesen hatte. Wer steckt hinter der Firma? Ein Ortsbesuch unter der Adresse von Perffin in Troisdorf bei Bonn.
Fahnen wehen vor dem Glasbau, der von einer zwei Meter hohen Bruchsteinmauer umgeben ist. Der Parkplatz steht voller Mitarbeiterautos. Drumherum das Gewerbegebiet von Troisdorf nahe Bonn, mit Restaurants, Betrieben und einer Kletterhalle. Auf den Klingelschildern: eine Logistikfirma, ein Steuerberater und kleinere Firmen, die Luftreiniger vertreiben. Das gesamte Areal wurde vor einigen Jahren von einem Logistikunternehmen gekauft, ehe es sich aus einigen Gebäudeteilen zurückzog und die Räume an andere Unternehmen vermietete. Von Perffin allerdings findet sich unter der Adresse keine Spur.
Dabei sollte hier, unweit der Autobahn A59, die Perffin Invest AG residieren – das zumindest versprach die entsprechende Eintragung im Handelsregister beim Amtsgericht Siegburg. Seit zwei Monaten ist der Investor Gesprächsthema in der deutschen Fintech-Szene. Erst Anfang des Jahres war Perffin bei Cure Finance eingestiegen, einem Berliner Fintech, das die lukrative Deutsche Apotheker- und Ärztebank mit einem digitalen Bankkonto angreifen wollte. Doch die versprochenen drei Millionen Euro kamen nie an. Der Investor überwies das Geld einfach nicht, wie Finance Forward zu der Zeit herausfand.
Offenbar Investmentzusagen bei mindestens einem anderen Unternehmen
Bereits im Februar veröffentlichte das Schweizer Digitalunternehmen Talenthouse eine hoffnungsvolle Nachricht. Das Unternehmen habe neue Geldgeber gefunden, die insgesamt 16 Millionen Schweizer Franken investieren wollten. „Fortschritt der Serie B Kapitalaufnahme“ war die Pressemitteilung überschrieben, in der über Zusagen von alten und neuen Geldgebern berichtet wurde. Ein Teil des Geldes sei dabei von Perffin zugesagt worden, berichten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen. Perffin und Talenthouse reagieren nicht auf eine Anfrage.
Talenthouse galt als vielversprechendes Startup-Projekt, über die Plattform können Kreative ihre Werke anbieten. Angeschlossen war auch ein Fintech-Dienst für die eigenen Kundinnen und Kunden. Prominente Zukäufe weckten Fantasien, darunter auch der einstige Instagram-Konkurrent Eyeem aus Berlin, den Talenthouse für 40 Millionen Euro kaufte. An der Schweizer Börse war das Unternehmen zwischenzeitlich fast eine halbe Milliarde Franken wert, doch dann fiel der Kurs rasant. Heute ist nicht mehr viel übrig.
Schon bei der Finanzierungszusage befand sich das Unternehmen in einer Umbauphase, der Österreicher Digitalveteran Roman Scharf übernahm die Geschäfte. Bei einer „strategischen Überprüfung“ sei herausgekommen, dass bei den Tochtergesellschaften „erhebliche ausstehende Verbindlichkeiten, einschliesslich Gehältern, Steuern und Sozialversicherungen, in einer Höhe bestehen“, die diese nicht decken könnten, heißt es. Man habe sich entschieden, diese nicht mehr weiter zu finanzieren.
Dazu zählte nicht nur Eyeem, sondern auch die deutsche Tochter Jovoto, eine Freelancer-Plattform. „Talenthouse hat sich mit seinen neuen Investoren auf diese Entscheidung geeinigt und erwartet, dass die neuen Gelder aus der laufenden Finanzierungsrunde in den kommenden Tagen einzugehen beginnen“, schrieb das Unternehmen im März. Damit wolle man den funktionierenden Teil der Firma retten.
Mitte Mai musste das Unternehmen dann vermelden: „Gewisse frühere Verpflichtungen, die andere Investoren eingegangen sind, und teilweise auch Gegenstand von Mitteilungen der Gesellschaft waren, können wahrscheinlich nicht umgesetzt werden.“ Talenthouse kämpft aktuell weiter ums Überleben, das Management hat seine Gläubiger und Aktionäre um Hilfe gebeten. „Ohne diese Unterstützung droht der Konkurs“, schreibt das Unternehmen.
Gab es neue Entwicklungen, die den Geldgeber Perffin zum Rückzug bewegte? Oder beschleunigte das nicht gezahlte Geld die Krise? Der Investor wollte sich dazu nicht äußern.
„Für die habe ich hier mal eine Menge Post abgeladen“
Finance Forward hätte gerne mit Perffin gesprochen. Zurück in Troisdorf ist jedoch wenig zu finden. Der Postbote räumt gerade die Briefe aus seinem gelben Kastenwagen. Der Name Perffin komme ihm bekannt vor. „Für die habe ich hier mal eine Menge Post abgeladen“, sagt er.
Eine Frau am Eingang gibt den entscheidenden Tipp: „Versuchen Sie es mal bei der Steuerberatungsgesellschaft, dritte Etage.“ Ein Mann öffnet etwas überrascht die Tür. Ob er schon einmal etwas von Perffin gehört habe? Ja, aber schon Monate nicht mehr, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Das Unternehmen sei ein Mandant der Kanzlei gewesen.
Ausländischen Firmen, die einen Standort in Deutschland aufbauen wollten, biete man verschiedene Dienstleistungen an, sagt er. Im Fall Perffin habe das bedeutet, als Firmenadresse zu fungieren, die Post zu öffnen, den Inhalt unkommentiert zu scannen und dann an das Unternehmen zu mailen, erzählt er auf Nachfrage weiter. Die Steuerkanzlei will das auf Anfrage nicht kommentieren.
Nicht nur das Geld ist spurlos verschwunden.