Oleg Boyko beim Filmfestival in Cannes (Bild: IMAGO / ZUMA Wire)

Zieht sich der russische Oligarch Oleg Boyko aus deutschen Fintechs zurück?

Exklusiv: Der russischstämmige Unternehmer Oleg Boyko ist an deutschen Kredit-Startups wie Vexcash und Spotcap von Rocket Internet beteiligt. Nun verkauft er seine Anteile teilweise. Der Oligarch steht auf der „Putin-Liste“ des US-Finanzministeriums.

Der indirekt bei mehreren Kredit-Startups hierzulande investierte russischstämmige Unternehmer Oleg Boyko ordnet allem Anschein nach seine Beteiligungen neu – mit Folgen auch für die Eigentümerstruktur der deutschen Fintechs Vexcash, Cashcape und Spotcap. Im Kern laufen die Transaktionen offenbar auf ein zumindest vordergründiges „De-Investment“ hinaus. Gleichwohl bleibt einstweilen diffus, ob der Oligarch Boyko die Kontrolle über seine Beteiligungen wirklich komplett aufgibt.

Im Zusammenhang mit den aktuellen Sanktionen taucht Oleg Boyko nicht auf. Allerdings findet er sich auf der sogenannten „Putin-Liste“, die das US-Finanzministerium Anfang 2018 veröffentlicht hatte. Dort sind Manager russischer Staatsfirmen sowie „Oligarchen“ aufgeführt, die zum damaligen Zeitpunkt angeblich eine „Nähe“ zum russischen Präsidenten aufwiesen. Das offiziell „Caatsa-Report“ genannte Dokument ist keine Sanktionsliste.

Bei einer der Gesellschaften, hinter denen zumindest teilweise Boyko stehen soll, handelt es sich um die „4finance Group“. Der „4finance Group“ gehört unter anderem das Berliner Fintech Vexcash, wie dessen Vorstand Vladimir Kudryashov auf Nachfrage von Finanz-Szene.de bestätigte. Die Vexcash AG weist für 2020 Umsatzerlöse von 9,7 Millionen Euro und einen Jahresüberschuss von 1,7 Millionen Euro aus. Damit zählt das 2010 gegründete Startup, das online Kurzzeit-Kredite vergibt, nicht nur zu den größeren Fintechs hierzulande – sondern auch zu den wenigen profitablen.

„Ereignisse in der Ukraine“ hätten die Vorgänge „beschleunigt“

Rund die Hälfte der „4finance“-Anteile (und damit indirekt rund die Hälfte der Vexcash-Anteile) lagen bislang offiziell bei Vera Boyko, der Mutter Viktor Boykos. Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung des Unternehmens hervorgeht, soll die Boyko-Mutter ihren 49-Prozent-Stake an „4finance“ Mitte März auf zunächst 27 Prozent reduziert haben. In den kommenden Wochen, hieß es, seien weitere „De-Investitionen“ geplant, so dass der Anteil schließlich auf Null sinke. Knapp zehn Prozent der Anteile gehen an Verwandte, die „ukrainische Staatsbürger“ seien.

Die „De-Investitionen“ der Boyko-Mutter stehen erklärtermaßen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. In der offiziellen Mitteilung der „4finance Holding“ heißt es zwar, die Transaktionen seien schon im vergangenen Jahr „initiiert“ worden. Die „Ereignisse in der Ukraine“ allerdings hätten die Vorgänge „beschleunigt“.

Jeweils 3,3 Prozent der Anteile sind der Mitteilung zufolge auf drei Verwandte namens Taras Boiko, Denys Boiko und Kateryna Boiko übertragen worden. Bei allen dreien handele es sich um „ukrainische Staatsbürger“, so die Mitteilung. Weitere 9,9 Prozent der Anteile sollten zudem an einen Wohltätigkeitsfonds zur Förderung des Behindertensports übergehen – wobei nicht mitgeteilt wurde, wer wiederum dahintersteht (Boyko selber war in der Vergangenheit wiederholt als Förderer des Behindertensports aufgefallen). Unklar bleibt vorerst auch, wer die verbleibenden 29 Prozent der Vera-Bojko-Anteile erhalten soll. Einen Teil bekomme das Management, heißt es in der Mitteilung lediglich.

2016 – Einstieg beim Rocket-Startup Spotcap

Etwas schwieriger sind die Verbindungen Oleg Boykos zu dem Kreditanbieter Cashcape sowie Spotcap, einem Whitelabel-Anbieter für Kredit-Software, nachzuvollziehen. Laut den Recherchen stellen sich die Dinge wie folgt dar:

Schon 2016 war Boyko übereinstimmenden Medienberichten zufolge beim Rocket-Internet-Fintech Spotcap eingestiegen – allerdings anders als bei Vexcash lediglich als Minderheitsgesellschafter.

Nach verschiedenen Management-Wechseln in den vergangenen Jahren firmiert der oben bereits erwähnte Vexcash-Vorstand Kudryashov inzwischen auch als Spotcap-Geschäftsführer. In dieser Funktion teilte er kürzlich mit, die Mehrheit an Spotcap liege mit mehr als 60 Prozent der Anteile immer noch bei Rocket Internet sowie Holtzbrink Ventures und Access Industries.

„4finance“ soll demzufolge weiterhin nur einen Minderheitsanteil halten. Allerdings würden die „Veränderungen in der UBO-Struktur“ (UBO steht für “Ultimate Beneficial Owner”) auch für den Minderheitsanteil bei Spotcap Anwendung finden. Sprich: Auch hier soll es irgendeine Form von „De-Investment“ seitens Boykos geben.

Auch bei Cashcape ordnet Boyko die Besitzverhältnisse neu

Hinter Cashcape wiederum steht die vor einigen Jahren aus dem Umfeld des Bankenberaters zeb hervorgegangene Quantic Finance GmbH. Bei dieser war 2019 zunächst als Minderheitsgesellschafter eine auf Zypern gemeldete Tirona Limited eingestiegen – die laut einem luxemburgischen Handelsregister-Auszug mit der „4finance Holding“ verknüpft ist, also ebenfalls dem Boyko-Clan zuzuordnen sein dürfte.

Wie nun aus deutschen Handelsregister-Auszügen hervorgeht, hatte Tirona Limited die Anteile an der Quantic Finance GmbH im vergangenen Jahr aufgestockt und hielt daraufhin zwei Drittel der Anteile. Auf Anfrage von Finanz-Szene.de teilte Quantic-Finance-Geschäftsführer Jan Weitzel mit, in der „UBO“ von Cashcape gingen „ähnliche Restrukturierungen“ vonstatten wie im Fall Vexcash. Sprich: Demzufolge würde der Boyko-Clan auch hier die Besitzverhältnisse neu ordnen.

Auf das operative Geschäft der drei Fintechs haben die Vorgänge, soweit wir erkennen können, bislang keine Auswirkungen.