Die Autoren und Podcast-Hosts Florian Adomeit und Noah Leidinger (Bild: PR)

„Visa und Mastercard geben jedes Jahr so viel Rabatte, wie Zalando 2022 insgesamt umgesetzt hat“

Seit Jahren zählen sie zu den heimlichen Gewinnern der Finanzwelt: Die Kreditkarten-Anbieter Visa und Mastercard erzielen Gewinnmargen von 50 Prozent – Werte, auf die nicht einmal die profitabelsten Software-Konzerne der Welt kommen. Ihr Erfolgsrezept haben Noah Leidinger und Florian Adomeit im neuen Buch „Ohne Aktien wird schwer“ durchleuchtet. Ein Auszug.

Auf den ersten Blick sind die beiden Kreditkartengiganten Visa und Mastercard unscheinbar. Doch während sich Chiphersteller wie ASML aus den Niederlanden über 20 bis 30 Prozent Gewinnmarge freuen, bleiben bei Visa und Mastercard nach Abzug aller Kosten rund 50 Prozent des Umsatzes als Gewinn übrig. Auf solche Werte kommen nicht mal die profitabelsten Softwarekonzerne der Welt, obwohl die für ihre hohen Margen eigentlich bekannt sind.

Anhand dieser Marge sieht man, dass Visa und Mastercard einen unfassbaren Burggraben haben müssen. Denn wenn bei einem Geschäft auf Dauer fast die Hälfte vom Umsatz als Gewinn hängen bleibt, will natürlich jeder ambitionierte Unternehmer genauso ein Geschäft nachbauen. Bisher hat das aber niemand geschafft – und so konnten die beiden Kredithaie ihre hohen Gewinne ohne Probleme verteidigen. Abgesehen von China, wo es mit China UnionPay einen lokalen Player gibt, sind Visa und Mastercard auch so gut wie überall auf der Welt die beiden Marktführer im Kreditkartengeschäft. Und genau das ist für das Business so entscheidend.

Denn auf den ersten Blick machen Mastercard und Visa denkbar wenig, um ihre hohen Margen zu rechtfertigen. Beide Firmen geben weder selbst irgendwelche Karten aus, noch bieten sie Kredite an oder sind sonst mit irgendwelchen Endkunden in Kontakt. Alles, was die beiden Firmen machen, ist, Banken ein Recht einzuräumen, ihr Logo auf Kreditkarten zu drucken und die Zahlungen dann über das Netzwerk von Mastercard und Visa laufen zu lassen. Der große Mehrwert der beiden Firmen ist eigentlich nur, dass so gut wie jeder an diese Netzwerke angeschlossen ist.

Das Netzwerk von Mastercard und Visa

Wer bei einem Laden mit Kartenzahlung einkaufen geht, kann sich zu 99 Prozent sicher sein, dass er dort mit seiner Visa- oder Mastercard zahlen kann. Und der Ladenbesitzer kauft sich natürlich direkt ein Kartenterminal, das Visa und Mastercard unterstützt. Er ist nämlich auch zu 99 Prozent sicher, dass die Karte des Kunden über die Netze von einem der beiden Kredithaie läuft. Das ist der unüberwindbare Burggraben.

Natürlich ist das ein bisschen vereinfacht. Mastercard und Visa haben über die Jahre technologisch sehr starke Systeme aufgebaut, die dafür sorgen, dass Transaktionen schnell und vor allem sicher ablaufen. Außerdem bieten sie rund um das Kreditnetz immer mehr andere Services an.

Der große Burggraben beider Firmen, das starke globale Netzwerk, an das Millionen Händler und Hunderte Millionen Kunden angeschlossen sind, ist praktisch nicht nachzubauen. Solche Netzwerke sind aus Businesssicht deshalb so attraktiv, weil sie Netzwerkeffekte aufweisen.

Das bedeutet, dass ein Netzwerk wertvoller wird, je mehr Menschen es nutzen. Je mehr Händler Visa nutzen, desto mehr Sinn macht es auch für Konsumenten, Visa zu nutzen. Je mehr Konsumenten Visa nutzen, desto mehr Sinn macht es wiederum für Händler. Und so dreht sich die Spirale weiter nach oben.

Solche Netzwerkeffekte gibt’s natürlich nicht nur bei Kreditkartennetzwerken, sondern zum Beispiel auch bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder TikTok. Bei Visa und Mastercard kommt allerdings der Vorteil dazu, dass manche Player in diesem Netz sehr schwer zu überzeugen sind.

Sich einen Account bei einem neuen sozialen Netzwerk zu machen, dauert vielleicht ein paar Sekunden und hat keine großen Nachteile oder Kosten. Entsprechend sind in den letzten Jahren trotz Netzwerkeffekten immer wieder neue soziale Netzwerke sehr erfolgreich geworden.

Visa und Mastercard überraschend abhängig von einigen wenigen Kunden

Im Kreditkarten-Space war das hingegen nicht der Fall. Denn wenn jetzt ein neuer Kreditkartenanbieter um die Ecke kommen würde, müsste er natürlich erst mal die großen Banken überzeugen, in dem Netzwerk mitzumachen. Banken sind aber bekanntlich nicht die agilsten Firmen und haben außerdem sehr hohe Compliance-Anforderungen, die ein Startup schlecht erfüllen kann. Visa und Mastercard haben dadurch die sehr seltene Kombo aus starken Netzwerkeffekten und hohen Wechselkosten. Und genau das macht das Business so attraktiv.

Aber noch mal zurück zur Frage, wie Visa und Mastercard eigentlich Geld verdienen, wenn sie keine Karten verkaufen, Kredite ausgeben und in ihrem Netzwerk anders als zum Beispiel Facebook keine Werbung schalten. Schließlich ist es ja nur ein Netzwerk an Bankkonten.

Der einfachste Weg, um mit so einem Netzwerk Geld zu verdienen, wäre, einfach bei jeder Transaktion eine kleine Gebühr einzubehalten. Wenn man bedenkt, dass Visa allein im Geschäftsjahr 2022 rund 193 Milliarden Transaktionen mit einem Gesamtwert von 11.600 Milliarden US-Dollar abgewickelt hat, würde da schon einiges zusammenkommen. In der Realität ist das Business aber deutlich komplexer.

Für Investoren ist das vor allem deshalb so entscheidend, weil sowohl Visa als auch Mastercard überraschend abhängig von einigen wenigen Kunden sind. Bei Visa hat 2022 ein einziger Kunde für zehn Prozent der Umsätze gesorgt. Bei Mastercard haben die fünf größten Kunden 2022 für rund 21 Prozent der Umsätze gesorgt. Aber wie kann das sein, wo die Karten von Visa und Mastercard doch jeden Tag von Millionen von Menschen genutzt werden?

Zumal jeder ja schon einmal gehört hat, dass der Bäcker um die Ecke keine Kreditkarten annimmt, weil er die Gebühren dafür nicht zahlen will. Diese Interchange-Gebühren kassieren allerdings nicht Visa oder Mastercard, sondern die Banken, von denen die Kunden des Bäckers ihre Karten haben. Und die Kosten, die man bei manchen Banken noch für die eigene Kreditkarte zahlen muss, kommen erst mal den Banken zugute.

Die Schwachstelle in dem Geschäft

An erster Stelle kassiert bei der Kartenzahlung also die Bank, die die Karten ausgegeben hat. Und die Bank wiederum muss an zweiter Stelle Mastercard oder Visa zahlen. Wie viel genau die Bank den Kartennetzen zahlen muss, hängt vereinfacht gesagt davon ab, wie viel und oft mit den Karten gezahlt wurde. Allerdings gibt es je nach Bank unterschiedliche Verträge und unterschiedliche Komponenten. Die größten Banken beziehungsweise wichtigsten Kunden müssen entsprechend geringere Gebühren zahlen als eine kleine lokale Hausbank.

Dass Visa und Mastercard schlussendlich von einigen wenigen Banken und nicht Millionen an Kartenbesitzern bezahlt werden, ändert erst mal nichts daran, dass das Business an sich attraktiv ist. Das Kreditkartennetz ist trotzdem enorm wertvoll und kann von einer einzelnen Bank oder einem jungen Konkurrenten kaum nachgebaut werden.

Trotzdem zeigt es die Schwachstelle in dem Geschäft. Die größten Banken haben eine sehr starke Verhandlungsposition, weil sie immer androhen können, mit ihren Karten von Visa zu Mastercard oder von Mastercard zu Visa zu wechseln. Je mehr es in der Bankenwelt zu einer Konsolidierung kommt – also immer weniger kleine Banken überleben –, desto schwieriger wird es auch für Visa und Mastercard, die hohen Gebühren weiterhin durchzusetzen.

Diese Info bekommt man aber allerdings nur, wenn man ein bisschen genauer hinschaut und nicht denkt, dass man ein Business verstanden hat, nur weil man die Produkte kennt. Wer die Berichte von Mastercard und Visa noch etwas genauer analysiert, sieht übrigens, dass beide 2022 mehr als zehn Milliarden US-Dollar an Incentives an ihre wichtigsten Kunden überwiesen haben. Zu diesen zehn Milliarden US-Dollar zählen vor allem Rabatte, die die Banken bekommen, wenn sie zum Beispiel eine bestimmte Anzahl an Karten ausgeben oder diese Karten ein vorher festgelegtes Transaktionsvolumen erreichen. Und nur um die Zahl mal ins Verhältnis zu setzen: Visa und Mastercard geben jedes Jahr so viel Rabatte, wie das deutsche Vorzeige-Startup Zalando 2022 insgesamt umgesetzt hat. Ende 2022 war es sogar genug Geld, um ganz Zalando aufzukaufen.


Aus: Ohne Aktien Wird Schwer“ von Noah Leidinger und Florian Adomeit. Die Autoren sind die Köpfe hinter dem erfolgreichen „Ohne Aktien wird schwer“-Podcast. Im gleichnamigen Buch erklären die beiden nun anschaulich die Basics der Aktienanalyse in 25 Beispielen. Leidinger startete mit 13 Jahren am Aktienmarkt und schrieb seit der Schulzeit Artikel und Aktienanalysen, Adomeit studierte in Berlin und St. Gallen Betriebswirtschaftslehre und arbeitete als Dozent an der Freien Universität Berlin.

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