Wie schaut die Finanzaufsicht eigentlich auf NFT?
Das französische Startup Sorare hat vor ein paar Wochen die größte Series-B-Finanzierung Europas eingesammelt. Das zeigt, wie ernst es Investoren mit dem NFT-Markt meinen. Dabei stellt sich die Frage: Wie ist der Stand der NFT-Regulierung?
Ob in der Kunst-, Musik-, Gaming- und Sammlerszene – NFT sind inzwischen überall. Aber auch darüber hinaus sind zahlreiche Anwendungsfelder für die Zertifikate denkbar, die nicht nur digitale, sondern auch physische Werte wie beispielsweise Autos oder Sneaker repräsentieren können. Je weiter der Anwendungsbereich der NFT reicht, umso größer werden die Investitionsmöglichkeiten.
Gibt es bereits eine Regulierung von NFT?
International gibt es bislang nur wenige regulatorische Hinweise darauf, ob NFT in den Bereich der bestehenden Regulierung für Kryptoassets fallen. Darüber hinaus fehlt eine einheitliche Systematik, um die vielfältigen technischen und wirtschaftlichen Erscheinungsformen von NFT zu erfassen. Einen Regulierungsansatz zur Orientierung bietet jedoch das Financial Stability Board. Das unterscheidet drei Grundformen von Token: Solche mit Zahlungsfunktion (Payment oder Currency Token), zur Anlage dienende Token (Security oder Investment Token) sowie Zugangsschlüssel für Waren und Dienstleistungen (Utility Token). Hierauf stützen sich die aktuellen Entwicklungen der Gesetzgeber und Anwendungen der Regulierungsbehörden. Dennoch unterscheiden sich die Regulierungssysteme weltweit erheblich. Das macht es notwendig, den regulatorischen Rahmen in jedem Land zu analysieren, in dem NFT ausgegeben, vermarktet und gehandelt werden.
Die meisten Staaten haben noch keinen speziell auf NFT anwendbaren Regulierungsrahmen entwickelt, es bestehen allenfalls Pläne zur Regulierung von DLT oder Kryptoassets im weiteren Sinne, und dies in ganz unterschiedlichen Reifegraden. Eine Ausnahme bildet Liechtenstein, das bereits ein Gesetz über den zivil- und aufsichtsrechtlichen Rahmen für die Tokenisierung von Rechten an physischen Vermögenswerten erlassen hat, das bestimmte NFT erfassen würde. Ansonsten bestehen bisher nur vage Regulierungsansätze vor allem in den USA und der Europäischen Union sowie ein vielversprechender Ansatz in Deutschland, die NFT nur im Einzelfall erfassen.
Nach US-Kapitalmarktrecht könnten NFT als „investment contract“ angesehen werden. Um festzustellen, ob ein NFT entsprechende Merkmale aufweist, wenden die Gerichte nach der Lesart des US-amerikanischen Supreme Courts den sogenannten Howey-Test an, nach dem das Wertpapierrecht mit spezifischen Offenlegungsanforderungen gilt, wenn eine Investition von Geld oder einer anderen Gegenleistung in ein unternehmerisches Vorhaben eine konkrete Aussicht auf Gewinne begründet.
Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat wiederholt Utility Token als prospektpflichtige Anlagen behandelt, wenn diese von den Anlegern in der Erwartung von Zahlungsflüssen oder Wertsteigerungen durch die künftige Geschäftstätigkeit des Emittenten erworben wurden und handelbar waren. Das dürfte zumindest bei NFT-Kunstwerken aber nicht der Fall sein.
Viele Ansätze zur NFT-Regulierung
Der europäische Rechtsrahmen kennt dagegen bisher nur Regeln für Finanzinstrumente und Wertpapiere. Eine entsprechende Kategorisierung setzt unter anderem voraus, dass ein Instrument oder Wertpapier gattungsmäßig standardisiert ist, um gehandelt zu werden und dass es dazu dient, eine finanzielle Rendite zu erzielen. Bei Kunst- oder Musik-NFT dürfte eine gattungsmäßige Standardisierung gerade aufgrund ihrer Einmaligkeit oder ihrer Exklusivität weniger Stücke nicht vorliegen und das Erzielen einer finanziellen Rendite zumindest fraglich sein. Eine Spekulationsabsicht oder die Erwartung einer finanziellen Rendite ist nicht ausreichend.
Es muss eine begründete Gewinnerwartung durch eine Beteiligung am Gewinn des Emittenten oder eine Verzinsung vorliegen. Bei NFT-Immobilienanteilen könnte das dagegen der Fall sein. Im Einzelfall könnten Kunst- oder Musik-NFT von den Regelungen der Fünften Geldwäscherichtlinie der EU erfasst werden, wenn Personen, die mit Kunstwerken handeln oder beim Handel mit Kunstwerken als Vermittler tätig werden und wenn sich der Wert der Transaktion auf 10.000 Euro oder mehr beläuft. Solche Personen sind unter anderem verpflichtet die Identität ihrer Kunden zu identifizieren, fortlaufend zu verifizieren und zu dokumentieren.
Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber in Deutschland mit der Definition eines Kryptowerts bereits eine begriffliche Grundlage geschaffen, die im Einzelfall NFT erfassen könnte. Indes besteht auch hier noch Ungewissheit, ob es sich bei NFT um Kryptowerte handelt, die Anlagezwecken dienen. Von Seiten der Finanzmarktaufsicht Bafin gibt es hierzu noch keine klarstellende Stellungnahme.
MiCA als Ausweg aus dem regulatorischen Dilemma
Sollten die bestehenden europäischen und nationalen Gesetze angepasst werden, würden NFT einem umfassenden Antrags- beziehungsweise Zulassungsverfahren unterliegen, was sowohl gegenüber den Emittenten als auch für den Handel nicht mehr verhältnismäßig wäre. Eine Lösung aus diesem regulatorischen Dilemma könnte der europäische Legislativ-Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) bieten. Dieser enthält auch eine Definition eines Kryptowerts, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten würde. Der Begriff wird sehr weit gefasst, sodass ein Ausgangspunkt für eine Regulierung von NFT gelegt wäre. Demnach würden öffentliche Angebote und der Handel von NFT speziellen Offenlegungsregeln von Informationen unterliegen. Darüber hinaus ist bisher keine Zulassung, sondern lediglich eine Notifizierung gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden und eine Aufnahme in ein europäisches Verzeichnis erforderlich.
Allerdings sind in dem Entwurf weitreichende Ausnahmen gerade für solche Kryptowerte, die nur einmal existieren und gerade nicht-fungibel sind, vorgesehen. Hierdurch dürfte der grundsätzlich vorhandene Regulierungsansatz für NFT in der Praxis wieder eingeschränkt werden. Ein Grund könnte darin liegen, dass weder bei den Konsultationen auf Fachebene noch in den Erwägungsgründen der Verordnung NFT ausdrücklich berücksichtigt wurden. Die Regelungen, die NFT erfassen könnten, sind aktuell als bloßer Auffangtatbestand vorgesehen, weshalb ausdrückliche Regelungen für NFT fehlen.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung unterschiedlicher NFT in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, wäre es zu wünschen, wenn bei den laufenden Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Rat, die spätestens 2024 abgeschlossen sein sollen, die Regelungen im Sinne der Rechtsklarheit nachgeschärft würden. NFT kommt in ihrer technischen Ausstattung und wirtschaftlichen Bedeutung eine Sonderrolle zu. Deshalb sollte der sich gerade entwickelnde Rechtsrahmen darauf mit spezifischen Regeln und Ausnahmen konkret eingehen. Dann könnte Europa mit einem transparenten Rechtsrahmen ein Vorreiter sein, um für Emittenten und Investoren von NFT Rechtssicherheit zu schaffen und diese regulatorisch zu begleiten.
Alexander Wellerdt ist Rechtsanwalt und Finanzregulierungsexperte bei der Frankfurter Kanzlei Hengeler Mueller.