Neufund wirft hin und gibt der Bafin die Schuld – zu Recht?
Neufund wollte Kleinanleger über seine Blockchain-Plattform an Startups beteiligen. Nun wird das Projekt eingestellt – weil die Bafin zu restriktiv sei, wie Gründerin Zoe Adamovicz kritisiert. Doch in der Branche gibt es Zweifel an dieser Darstellung.
Mit Kritik an der Bafin wird in diesen Tagen nicht gespart, zumeist geht es dabei um die unrühmliche Rolle, die die Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal gespielt hat. Am Sonntag kam ein neuer Vorwurf hinzu: Die Behörde sei innovationsfeindlich und habe ihr Startup derart behindert, dass es nun seinen Betrieb einstellen müsse – so beklagte sich Neufund-Gründerin Zoe Adamovicz am Sonntag in der FAS.
Neufund wollte über seine Blockchain-Plattform sogenannte Equity Token Offerings (ETO) anbieten, mit denen Kleinanleger sich an Startups beteiligen können. Das gestaltete sich von Beginn an schwierig: 2016 gestartet, brauchte die Berliner Firma für seine Aufbauphase deutlich länger als gedacht – erst im Oktober 2019 konnte sich mit dem E-Bike-Hersteller Greyp das erste Startup über Neufund finanzieren. Und gleich schritt die Bafin ein: Weil entgegen der Vorschriften kein Wertpapierprospekt veröffentlicht worden war, musste Greyp deutsche Anleger vom Angebot ausschließen. Drei weitere Projekte wurden angekündigt, aber nicht realisiert.
Kann das sein? Was ist dran an den Vorwürfen?
Das Prospekt als Hindernis
Die Hauptaufgabe der Bafin ist es laut Selbstverständnis, Anleger und Verbraucher zu schützen. Wenn Unternehmen also Wertpapiere ausgeben, müssen sie einen Prospekt dazu veröffentlichen, aus dem alle wesentlichen Angaben zu dem Angebot hervorgehen. „Er soll den Anleger in die Lage versetzen, sich ein zutreffendes Bild über das Angebot zu machen und auf dieser Grundlage seine Investitionsentscheidung zu treffen“, heißt es.
Das gilt allerdings nur für Wertpapiere bis zu einem Wert von 100.000 Euro, danach geht die Finanzaufsicht davon aus, dass sich Anleger bei Investitionen selbst ausreichend informieren können. Damit, kritisiert Adamovicz, mache die Bafin die Reichen reicher und erschwere es gleichzeitig den weniger Reichen, investieren zu können. Neufund bot seine ETOs schon ab 100 Euros an. Adamovicz’ Hoffnung: Für digitale Anbieter könnte es eine Ausnahmeregelung von der Prospektpflicht geben. Doch die Behörden hätten den Plan erstickt und „Innovation blockiert“, so das Unternehmen am Sonntag in einem Blogbeitrag.
Die Bafin sagt dazu: „Eine Bevorzugung eines Emittenten oder eines anderen Marktteilnehmers allein aufgrund des Einsatzes neuer Technologien kann und darf die Bafin nicht vornehmen“, so ein Sprecher. Denn für Anleger seien die Risiken dieselben – und so könne es keine Ausnahmen geben, „selbst wenn es sich um Finanzinstrumente handelt, die momentan besonders im Trend liegen“.
Tatsächlich ist die Erstellung eines Wertpapierprospekts aufwändig, kann schnell mehrere zehntausend Euro verschlingen. Neufund wollte unbedingt vermeiden, für jede Emission auf seiner Plattform einen Prospekt erstellen zu müssen. Die Ressourcen, die Zeit, die das verschlingen würde, hätte die Skalierbarkeit des Projekts letztlich in Frage gestellt. Andererseits gab es nie ernsthafte Anzeichen, dass sich die Regelungen zu Neufunds Gunsten ändern würden – dass Adamovicz bis zuletzt weiter daran glaubte, macht einige Szeneköpfe schon länger stutzig.
Die Blockchain-Branche und ihr Verhältnis zur Bafin
„Schon seit Jahren fragen sich einige in der Branche, wie Neufund das rechtlich umsetzen will, auf die Prospekte zu verzichten“, sagt ein Insider. Er ist überzeugt, dass eher handwerkliche Fehler am Geschäftsmodell zum Scheitern führten. „Das jetzt der Bafin vorzuwerfen, ist nicht fair.“ Ein anderer Branchenkenner sagt: Die Tokenisierung von Assets funktioniere in der Regel schon in Deutschland – nur müssten die Unternehmen eben bereit sein, die Kosten für die entsprechenden Prospekte in Kauf zu nehmen.
Die Finanzaufsicht wird von vielen gegen die Kritik in Schutz genommen. Eric Romba von der Kanzlei Lindenpartners aus Berlin, der das erste von der Bafin lizenzierte Security Token Offerring (STO) von Bitbond begleitete, kann nicht glauben, dass sich die Behörde dem Dialog verschlossen habe. „Ich habe die Bafin immer als sehr informiert und offen erlebt“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. Dass die Unternehmen von der Aufsicht gut abgeholt würden, zeige sich auch in den Hinweisschreiben, in denen die Bafin explizit den Dialog suche.
Einer, der Adamovicz’ Bafin-Kritik teilt, ist ist Neufund-Investor Frank Thelen. Er schreibt auf LinkedIn: „Wir hatten die Hoffnung, dass Deutschland zum ‘Silicon Valley für Blockchain’ werden kann.“ Dazu brauche es jedoch „einen Umbau der Bafin, da heute Technologie keine ernsthafte Rolle spielt“. Für diese Aussage bekam er in den Kommentaren deutlichen Widerspruch.
In der Szene sieht man die Kritik an der Behörde als durchschaubaren Versuch, der Bafin den schwarzen Peter zuzuschieben – und damit zu kaschieren, dass viele der Neufund-Probleme hausgemacht waren. Nur ein einziger richtiger ETO wurde auf der Plattform durchgeführt. Insgesamt haben 11.000 Investoren 17 Millionen Euro über Neufund verteilt, 3,4 Millionen davon an das Unternehmen hinter Neufund, die Fifth Force GmbH, und 1,4 Millionen an Greyp; der Rest wurde im Rahmen eines sogenannten Initial Capital Building Mechanism (ICBM) an Investoren verteilt, die ihre Token in den folgenden 18 Monaten ausschließlich zum Investment für neu ausgegebene Equity-Token über Neufund nutzen konnten.
Die Coronakrise zwang Neufund dann zu ersten Kürzungen. Im März trennte sich das Unternehmen nach Informationen von Finance Forward von einem Drittel der etwa 50-köpfigen Belegschaft. In erster Linie waren Marketing- und KYC-Department sowie Office-Management betroffen.
Die Entscheidung, das ETO-Geschäft ganz einzufrieren, fiel dann offenbar sehr spontan: Noch Anfang Juni veröffentlichte Neufund einen Blogbeitrag, in dem es euphorisch Updates zum Produkt verkündete.
Neufund war auf Anfrage von Finance Forward am Montag nicht zu erreichen. Man verfolge ein neues Projekt, hieß es in einer Pressemitteilung von dem Unternehmen. Details würden allerdings erst Ende des Jahres folgen.