Exklusiv: Nach Hype um geteilte Luxusimmobilien – Anbieter Lilo vor dem Aus
Das US-Startup Pacaso setzte mit Kaufimmobilien in Teilnutzung einen Trend. Auch in Europa gingen daraufhin einige Player mit sogenannten Co-Ownership-Angeboten an den Start, darunter das Fintech Lilo. Nun scheint das Unternehmen allerdings in der Krise zu stecken.
„Die Welt sammeln“, das verspricht das Immobilien-Startup Lilo auf seiner Website. Die Sammlung, das sind luxuriöse Stadtwohnungen und Ferienhäuser, in europäischen Metropolen wie London oder Lissabon und teuren Urlaubsorten wie Kitzbühel oder der Toskana. Normalerweise muss man für solche Immobilien mehrere Millionen Euro aufbringen, nur wenige haben die nötigen finanziellen Mittel.
Das Modell wurde in den vergangenen Jahren zum Hype-Thema, der US-Anbieter Pacaso erreichte damit in Rekordzeit die Milliardenbewertung. Auch in Europa rief es Gründer auf den Plan. Gut 100 Millionen Euro Funding flossen in die einschlägigen europäischen Startups.
Auch Emily Chan und der Deutsche Christopher Lass wollten das Modell mit dem Startup Lilo von London aus groß skalieren. „Wir schaffen eine neue Anlageklasse, um besser zu unserer zunehmend vielseitigen Lebensweise zu passen“, sagte Gründerin Chan einmal gegenüber dem Branchenportal Tech.eu. Abgesehen hatten sie es damit vor allem auf die junge Generation mit einem urbanen Lebensstil und gefülltem Portemonnaie. Knapp drei Millionen Euro sammelten die Gründer ein, unter anderem vom bekannten Investor 468 Capital (Finance Forward berichtete).
Vergebliche Käufersuche
Doch aus der Kollektion schöner Häuser, so deutet es sich nun an, wird wohl nichts mehr. Nach Informationen von Finance Forward könnte sich das Startup gerade im Prozess der Auflösung befinden. Lilo habe einen Käufer gesucht – allerdings vergeblich, so berichten es Marktinsider. Operativ scheint das Unternehmen jedenfalls schon nicht mehr aktiv zu sein.
Auf seiner Website listet es zwar noch ein gutes Dutzend Ferienanlagen, diese wirken aber eher wie Attrappen: Man kann sich auf Wartelisten eintragen – Kaufanfragen über das Kontaktformular bleiben unbeantwortet, berichten Interessenten. Gleichzeitig zählt das Unternehmen auf dem Karrierenetzwerk Linkedin kaum noch Mitarbeiter, auch Gründerin Chan arbeitet laut ihrem Profil nicht mehr bei Lilo.
Ein Blick ins britische Handelsregister gibt weitere Hinweise darauf, dass das junge Startup strauchelt. Demnach drohte bereits die Zwangslöschung aus dem Register. Gründe hierfür können etwa sein, dass das Unternehmen seine Abschlüsse nicht (rechtzeitig) eingereicht oder seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat. Die Löschung wurde laut der vorliegenden Dokumente zunächst abgewendet, eine Bestätigungserklärung des Unternehmens steht allerdings noch immer aus.
So verdichtet sich der Eindruck, dass es bei Lilo Probleme gibt. Anfragen dazu lassen sowohl Gründer als auch Investoren unbeantwortet. Es ist unklar, ob und wie es weitergeht. Sollte das Team tatsächlich keinen Käufer finden, dürfte es schwierig werden.
Weitere Anbieter geben auf
Lilo wäre wohl nicht der einzige Anbieter, der die Segel streicht. Everomes, eine Tochterfirma der Prime Properties Group, fand bereits erste mediale Erwähnung und folgte dem Hype, ging aber nie operativ an den Start. Klientel und Projektmanagement hätten sich zu stark vom Kerngeschäft der Muttergesellschaft unterschieden, teilt Gründer Philipp Magin auf Anfrage mit. Magin ist in der Berliner Szene kein Unbekannter – er baute das Startup Quandoo mit auf und verkaufte es für fast 200 Millionen Euro an eine japanische Firma.
Ein weiterer Londoner Anbieter namens Flyway startete 2022 mit einer Marketingoffensive – heute ist die einst mit Inseraten bestückte Website auf einen „Kommt demnächst“-Hinweis reduziert und das Unternehmen nicht mehr erreichbar. Ob es tatsächlich noch zum erneuten Launch kommt, ist zumindest offen.
Es zeigt: Zinswende, Inflation und geopolitische Unsicherheiten sind auch am Co-Ownership-Markt nicht spurlos vorbeigegangen. Neben Hauskäufern waren auch Venture-Capital-Firmen in den vergangenen zwei Jahren zurückhaltender. Gerade Anbieter, die Immobilien selbst zwischenfinanzieren mussten, dürften in finanzielle Bedrängnis geraten sein.
Berliner Anbieter wächst stark
Doch eine Handvoll Startups trotzt dem Negativtrend – das Berliner Proptech Myne etwa, das 2023 bereits Konkurrenten Villacircle aus Düsseldorf schluckte. Die Zahl veräußerter Haus-Anteile habe sich im vergangenen Jahr verdreifacht, sagt Gründer Nikolaus Thomale im Gespräch mit Finance Forward. „Wir hatten das Gefühl, dass gestiegene Zinsen und Inflation die Probleme des eigenen Hauskaufs noch erhöht und damit unser Co-Ownership-Modell noch attraktiver gemacht haben.“ Nun wolle das Unternehmen auch nach Großbritannien und in die Benelux-Länder expandieren.
Auch der Boutique-Anbieter August Collection aus London bekräftigt, dass die Zinserhöhung das Interesse am Teileigentum eher erhöht habe. Im Gegensatz zu üblichen Modellen verkauft das Startup keine Anteile an Einzelhäusern, sondern bündelt gleich fünf Ferienanlagen in einer investierbaren Kollektion. Im Schnitt vermarkte es auf diese Weise 126 Anteile pro Jahr, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.
Das US-Vorbild Pacaso wächst ebenfalls. Erst kürzlich feierte es die Eine-Milliarde-Umsatz-Marke. Der Eintritt in den europäischen Markt gelang im zweiten Versuch.
Wie so oft zeigt sich nach einer Hype-Phase also nun, welche Akteure ein belastbares Geschäftsmodell vorweisen können – und wer sich verschätzt hat. Langfristig dürfte vor allem entscheidend sein, ob sich ein funktionierender Sekundärmarkt bildet. Denn können Käufer ihre Immobilienanteile nicht wieder veräußern, könnte die Urlaubsphantasie schnell zur teuren Sackgasse werden.