Ein Lego-Geschäft im Einkaufszentrum Riem Arcaden in München (Bild: imago/Alexander Pohl)

14.000 Euro für eine Iron-Man-Figur: So funktioniert der Lego-Investmenthype

Neben Kunst, Whiskey und Luxusuhren hat sich im Internet auch Lego als Wertanlage etabliert. Die Community lässt sich seltene Sets fantastische Summen kosten. Wie der Markt funktioniert – und was Neueinsteiger beachten müssen.

Die kleine Plastikmaske ist hellblau, daumengroß – und ganz schön wertvoll. Dabei dürfte ihr Materialwert höchstens im Cent-Bereich liegen. Doch Nikita Shimkus ist sich sicher: „Im Internet würde ich dafür über 200 Euro bekommen. Einige Sammler schalten sogar Suchanzeigen auf Ebay, um genau dieses Teil zu finden.“

Warum die Maske so begehrt ist? Eigentlich sollte sie eine ganz andere Farbe haben, kam aber über einen Produktionsfehler doch in Umlauf – und ist nun eine Rarität. Für solch seltene Legoteile und besondere Sets des Plastikspielzeugs ist vor allem im Internet ein Zweitmarkt entstanden, auf dem teils astronomische Preise gezahlt werden. Weshalb einige Marktteilnehmer Lego als veritable Investmentmöglichkeit entdeckt haben, als Wertanlage vergleichbar mit Kunst, Whiskey oder Luxusuhren.

Auch Nikita Shimkus sammelt zwar schon seit seiner Kindheit Legosteine, heute rückt das Spielen jedoch eher in den Hintergrund. Wichtiger ist dem Unternehmensberater die attraktive Rendite des Spielzeugs.Während der Pandemiejahre hatte Shimkus den Handel mit Legosteinen sogar vorübergehend zu seinem Vollzeitjob gemacht, womit er im britischen Manchester immerhin seine Miete zahlen konnte.

Im Rahmen seines BWL-Studiums forschte er zudem zu Sammlerstücken und Investments in Lego. „Wir konnten feststellen, dass Legos in sehr geringem Maße mit klassischen Investments wie Aktien oder Anleihen korrelieren“, berichtet er gegenüber Finance Forward. „Gegen wirtschaftliche Abschwünge sind sie widerstandsfähiger und eignen sich damit besonders gut als Portfoliobeimischung.“

14.000 Euro für eine Plastikfigur

Ein Spielzeug als Portfoliodiversifikation – das mag kurios klingen, ist aber längst kein Nischenphänomen mehr, wie zuletzt im Herbst ein viraler Post auf X.com zeigte. Gehandelt wird auf dem Lego-Zweitmarkt vor allem über Onlineplattformen. Die größte dieser Art heißt Bricklink und ist sowohl bezogen auf gelistete Artikel als auch auf Mitglieder über die vergangenen Jahre rasant gewachsen. Zu den begehrtesten Artikeln dort zählen zum Beispiel eine „Iron Man“-Figur für circa 14.000 Euro oder ein Nachbau der Freiheitsstatue für knapp 4.000 Euro.

2018 befassten sich erstmals Wissenschaftler mit dem Phänomen. Victoria Dobrynskaya und Kollegen von der Wirtschaftshochschule Moskau veröffentlichten damals eine Arbeit mit dem Titel „Lego: Das Spielzeug der smarten Investoren.“ Darin kommen sie zu dem Schluss, dass Lego im Schnitt eine Rendite von mindestens elf Prozent erzielen und große Aktientitel, Anleihen, Gold und alternative Anlagen schlagen kann. Doch wie funktioniert der Handel mit den Plastiksteinen – und welche Risiken gibt es?

Wie bei Shimkus verschwimmt auch bei vielen anderen Sammlern die Grenze zwischen Liebhaberei und reinem Profitstreben, erklärt Luke Strauer, Gründer der Lego-Investment-App Brickfact. „Der Klassiker ist immer, dass man sich zweimal das gleiche Set kauft: eins zum Bauen und eins zum Geld anlegen. Das eine soll das andere dann quasi querfinanzieren.“ Doch nur wenige Sammler würden bei der Wahl der Sets rein rational vorgehen – immer schwinge auch etwas Nostalgie mit.

Genau diese Ambivalenz dürfte ein zentraler Punkt der Marktdynamik sein. Denn wer wird die seltenen Legosets in einigen Jahren zu einem vielfachen Wert kaufen? Soll die Wette mit dem Legohandel aufgehen, braucht es auf Käuferseite Sammler, die sich den sentimentalen Wert der Steine etwas kosten lassen.

Damit das gelingt, muss man beim Kauf einiges beachten. „Besonders gut laufen lizenzierte Legosets“, erklärt Strauer – also Sets, die in Kooperation mit großen Marken wie „Star Wars“, Lamborghini oder Marvel herausgebracht werden. Auch exklusive Minifiguren eignen sich laut Strauer gut. Wichtig sei aber, dass diese selten vorkämen – und das im Vorhinein zu erkennen, sei nicht ganz einfach. Daneben mache auch die Verpackung einen enormen Unterschied. Das zeigt auch ein Blick auf Bricklink: Ob ein Set nun ganze 1.000 oder nur 70 Euro wert ist, kann sich allein durch das Vorhandensein einer versiegelten Originalverpackung entscheiden.

Auch den Lebenszyklus der Steine gilt es zu beachten: Nachdem ein Set eine Weile auf dem Markt ist, kommt es irgendwann zum sogenannten EOL (kurz für „End of Life“), wie die Produktabkündigungen in der Szene heißen. Häufig leeren Händler kurz vorher noch einmal ihre Lager mithilfe von Rabattaktionen – ein besonders günstiger Kaufzeitpunkt, heißt es unter Marktinsidern. Sobald ein Set einmal aus dem Sortiment genommen worden und damit limitiert ist, steigt sein Wert wieder an.

Nicht jedes Set ein Treffer

Trotzdem – das Geschäft mit dem Kultplastik kann ganz schön schwierig sein. Wer erfolgreich sein will, muss eine Menge Zeit investieren. Wie Shimkus’ Forschungsarbeit ebenfalls zeigt, reicht es nicht, wahllos draufloszukaufen. Seine Co-Autoren und er untersuchten über 10.000 Legosets – im Gegensatz zur früheren Arbeit von Dobrynskaya und Co. auch viele, die weniger häufig auf großen Plattformen gehandelt werden. Es zeigte sich: Im Schnitt lag die Rendite unter der von Aktien. Wer erfolgreicher sein will, muss sein Legoportfolio also sehr selektiv zusammenstellen. Und bis man die richtigen Teile dafür findet, kann das dauern. „Ich habe teilweise kiloweise Lego gekauft, nur um ein Teil wie diese seltene Maske zu bekommen“, erzählt Shimkus.

Dazu kommt eine weitere Hürde: der Stauraum. Ein, zwei Sets lassen sich noch leicht unterbringen, doch möchte man wirklich viel Geld investieren, dürfte es schnell eng werden. „In der Tat ist der Handel mit Lego nicht so leicht skalierbar“, sagt Strauer. „Bei größeren Summen muss man gegebenenfalls Lagerräume anmieten – daraus ergeben sich ganz eigene KPIs wie das Preis-zu-Platz-Verhältnis.“ Für Großinvestoren könnte das Investment aufgrund der geringen Wertdichte von Legos also schnell zum operativen Albtraum werden.

Doch darauf hat die Finanzszene bereits reagiert. Neben teuren Weinen, Designerhandtaschen oder Luxusautos listet die Schweizer Collectibles-Plattform Splint Invest seit dem vergangenen Jahr auch Legosets in ihrem Portfolio. „Wir hatten unsere Kunden gefragt, welche Assets sie sich noch auf unserer Website wünschen“, erzählt Co-Gründer Mario von Bergen im Gespräch mit Finance Forward. „Eine der drei Top-Antworten war Lego.“ Seitdem hat das Unternehmen insgesamt acht Legosammlungen veröffentlicht, in die Anleger investieren konnten. Laut van Bergen kam das neue Angebot extrem gut an – in jeder Runde seien die investierbaren Anteile der Sets binnen weniger Minuten ausverkauft gewesen.

Zwischen zwei und fünf Jahren wolle Splintinvest die Sets nun lagern. Danach erhofft sich das Team laut van Bergen aus dem Verkauf jährliche Nettorenditen zwischen acht und elf Prozent. Mehr als 155.000 Euro an Vermögen verwaltet das Unternehmen aktuell in Legosteinen.

„Renditen werden sinken“

Bei all der Investmenteuphorie stellt sich allerdings die Frage, ob die angepeilten Renditen in einigen Jahren überhaupt noch realistisch sind. Denn mit steigender Sammlerlust wird es auch ein entsprechend größeres Angebot an kuratierten und gut erhaltenen Sets geben. Besteht die Gefahr, dass der Markt überhitzt?

Legoexperte Nikita beschreibt es so: „Aktuell beobachten wir im Markt ein geringes Angebot an verpackten Vintage-Sets und dadurch hohe Profite – in zehn Jahren dürfte es genau umgekehrt sein.“ Dann, so schätzt er, dürften die Renditen für ähnliche Sets deutlich geringer ausfallen. Auch, weil der Sekundärmarkt immer kompetitiver würde. Ein Plus erwarte er aber trotzdem.

Immerhin: Die globale Lego-Fanbasis wächst noch. Das dänische Unternehmen erschließt sich weiterhin neue Kundengruppen, die in Zukunft auf ein größeres Sammlerinteresse einzahlen könnten. Neben den sogenannten AFOLs (kurz für „Adult Fans of Lego“), wie in der Fangemeinde die erwachsenen Lego-Aficionados heißen, spricht der Spielwarenriese mittlerweile auch gezielt eine weibliche Zielgruppe an. Gleichzeitig wächst das Interesse auch in neuen geografischen Märkten: In China öffnete Lego 2022 beispielsweise mehr als 60 Prozent seiner neuen Geschäfte.

Insgesamt bleibt der Lego-Investmentmarkt für Alltagsanleger also noch abenteuerlich. Um Erfolg zu haben, bedarf es vor allem guter Produktkenntnis und viel Zeit. Gerade im aktuellen Zinsumfeld gibt es sicherlich einfachere Anlagemöglichkeiten, eine solide Rendite zu erzielen. Für begeisterte Sammler, die ihre Freude an den bunten Steinen neu entfachen wollen, könnte Lego allerdings eine passende Option sein, ihre Portfolios zu diversifizieren – Spaßfaktor inklusive.