Stefan Klestil ist General Partner bei Speedinvest (Bild: PR)

„N26 und Wefox werden keine Probleme beim Fundraising bekommen“

Einige Wochen nach Beginn der Coronakrise spürt auch die Fintech-Szene zunehmend die Folgen. Stefan Klestil, Geldgeber von prominenten Startups wie N26, Wefox und Billie, spricht mit Finance Forward über die Konsequenzen für das Geschäft in den verschiedenen Fintech-Segmente. Er glaubt: Es wird nicht nur Verlierer geben.

Stefan Klestil hat gleich drei wichtige Fintech-Rollen: Als Business Angel ist er früh beim Banking-Startup N26 eingestiegen und sitzt im Aufsichtsrat der Bank; beim Dax-Konzern Wirecard hat er ebenfalls einen Aufseherposten inne; und als Partner des österreichischen Wagniskapitalgebers Speedinvest betreut er eine Vielzahl an prominenten Fintech-Investments, darunter das Versicherungsstartup Wefox, den Factoring-Anbieter Billie, die Finanzierungsplattform Fincompare sowie Tide, den britischen Anbieter für Business-Banking.

Vermutlich hat kaum ein Startup-Geldgeber zurzeit tiefere Einblicke in den Maschinenraum der deutschen Fintech-Welt. Klestils Tage sind eng getaktet, der Investor telefoniert aus dem Home-Office laufend mit unzähligen Gründern. Anfragen von neuen Startups, die an ihn persönlich gehen, sagt er höflich ab und leitet sie an sein Team weiter. „Wir sind im Krisenmodus und müssen unseren bestehenden Startups helfen“, sagt Klestil.

Wie geht es der deutschen Fintech-Szene nach einigen Wochen Coronakrise? Und wie sind die langfristigen Aussichten? Der Experte hat mit Finance Forward über die verschiedenen Segmente gesprochen. Hier kommt seine Analyse:

Challengerbanken

Kurzfristig gehe der Zahlungsverkehr zurück, glaubt Klestil – auch wenn die Ausgaben beispielsweise für Essenslieferungen nun wahrscheinlich steigen. Die Challengerbanken verdienen an den Gebühren, wenn jemand mit Karte bezahlt. Und: „Die Leute heben wahrscheinlich weniger Geld vom Automaten ab“, prognostiziert Klestil. Sollte das tatsächlich so sein – es gab auch Berichte von verstärkten Abhebungen –, würden die Challengerbanken davon profitieren, denn sie müssen für jede Abhebung eine Gebühr von mehr als einem Euro bezahlen. „In Summe wirkt sich die Coronakrise trotzdem negativ auf die Umsätze aus“, so Klestil. Schließlich werde es sicherlich auch weniger Kontoeröffnungen geben.

N26-Mitgründer Maximilian Tayenthal bestätigte das in einem Bloomberg-Interview: „Die Kartenumsätze unserer Kunden im März sind bislang leicht rückläufig. In gewissen Märkten verzeichnen wir bei den Kontoeröffnungen einen Rückgang von maximal zehn Prozent“, sagte er der Nachrichtenagentur.

Langfristig könnten Challengerbanken wie N26 und Revolut von der Coronakrise profitieren, glaubt der Investor Klestil: Es werde sich etablieren, seine Finanzen stärker per Handy zu organisieren. Ein Vorteil für die digitalen Player mit einem besseren Angebot. Dies könnte nach der Krise zu einem Wachstumsschub für die Neobanken führen, so Klestil.

Kredit-Startups

„Wir sehen bei den Fintechs ein extrem starkes Wachstum bei den Kreditanfragen“, sagt der Investor. „Das heißt aber lange noch nicht, dass die kreditwürdig sind.“ In Krisenzeiten sei es noch schwieriger, ein gutes Kreditscoring vorzunehmen. Trotz der höheren Nachfrage geht Klestil von einem Geschäftsrückgang aus, weil die Startups „eher weniger Kreditanfragen annehmen“. Das Factoring-Startup Billie, bei dem er im Beirat sitzt, könnte profitieren: „Factoring hat sich in der Finanzkrise 2008 gut geschlagen.“

Billie und die Finanzierungsplattform Fincompare seien zudem in Gesprächen mit dem Staat, ob sie Hilfskredite für kleine und mittlere Unternehmen vergeben können, sagt Klestil. Auch Auxmoney, Creditshelf und October bemühen sich darum (Finance Forward berichtete). Die Hoffnung ist, dass die digitalen Player in der Lage sind, Finanzierungshilfen schneller und unkomplizierter zu vergeben.

Insurtech

„Wir sehen noch ein Wachstum, aber es ist auf jeden Fall zurückgegangen“, sagt Klestil über die Versicherungsstartups. In einer Krisensituation kümmern sich Konsumenten nicht unbedingt um eine neue Hausratsversicherung. „Mittelfristig könnte der Effekt sein, dass die Kunden sich durch die Krise mit Apps auseinandersetzen müssen.“. Auf dem deutschen Markt wird bislang ein Großteil der Versicherungen immer noch von Maklern verkauft. Auch hier hofft die Branche auf einen Wachstumsschub nach der Krise.

Trading

„Ich kann mir vorstellen, dass die Trading-Apps durch die Decke gehen, das wird zum Beispiel Revolut helfen“, sagt Klestil. In Berlin profitiert von der Marktentwicklung die Firma Trade Republic, die kürzlich eine Finanzierung verkündete, wie Finance Forward berichtete. In einer Zeit von stärkeren Marktschwankungen nimmt auch die Handelsaktivität zu. Bei Revolut und Trade Republic kann man zu vergleichsweise niedrigen Gebühren mit Aktien handeln.

Fundraising

„Startups wie Wefox und N26 werden keine Probleme bekommen, das Kapital zu finden“, sagt Klestil. N26 deutete bereits an, dass es Ende des Jahres eine Finanzierungsrunde geben könnte. „Bestandsinvestoren werden weiterhin ihre guten Firmen unterstützen“, sagt Klestil. „Neuinvestoren stehen zum Teil auf der Bremse, das kann sich aber in wenigen Wochen wieder verbessern.“

Übernahmen

„Als früherer Investmentbanker sehe ich in der Krise auch die Übernahmechancen. Die gutfinanzierten Fintechs können jetzt zuschlagen“, sagt Klestil. In den kommenden sechs bis zwölf Monaten werde es zu einer Konsolidierung kommen, glaubt er. „Es ist eine Chance für die Startups, die ihre Kassen gut gefüllt haben“, so der Geldgeber.