Eine Filiale der Bank JP Morgan Chase in New York (Bild: imago/Levine-Roberts)

JP Morgan Chase plant Eintritt in deutschen Robo-Advisor-Markt

Exklusiv: JP Morgan Chase bereitet den Launch eines eigens für den deutschen Markt konfigurierten Robo Advisors vor. Es ist der erste Versuch des US-Instituts im deutschen Retail-Geschäft.

Geht es nach der Papierform, dann wächst im deutschen Markt keine andere Bank auch nur annähernd so schnell wie JP Morgan Chase. Noch vor zwei Jahren kam die hiesige Tochter des größten US-Instituts mal gerade auf eine Bilanzsumme von 44 Milliarden Euro – ein Wert irgendwo im Bereich der Hamburger Sparkasse oder der Münchener Hyp.

Im Zuge des Brexits explodierte das Geschäftsvolumen dann allerdings auf 245 Milliarden Euro per Ende 2020. Und damit nicht genug, soll sich die Bilanz durch die jüngste Verschmelzung der irischen sowie der luxemburgischen auf die Frankfurter Einheit nochmal grob verdoppelt haben. Womit die JP Morgan SE (wie die vormalige J.P. Morgan AG jetzt heißt) in etwa die Größe der Commerzbank erreicht haben dürfte. Doch, wie gesagt: Das ist erst einmal nur das, was auf dem Papier steht.

Was darüber hinaus auffällt: Die Amerikaner werden hierzulande auch operativ offensiver. So kündigte JP Morgan unlängst an, im hiesigen Geschäft mit sogenannten „Ultra High Net Worth Individuals“ (wo zu den großen Konkurrenten beispielsweise die Deutsche Bank gehört) die Marktführerschaft anzustreben; und etwa zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass der US-Riese eine 75-Prozent-Mehrheit an der Payment-Sparte von Volkswagen übernehmen will. Selbst das ist aber noch nicht alles. Laut Recherchen von Finanz-Szene.de und Finance Forward wagt JP Morgan Chase nun nämlich – erstmals überhaupt in der langen Geschichte des traditionsreichen Instituts – den Eintritt ins hiesige Retail-Geschäft. Konkret: Die New Yorker bereiten den Launch eines eigens für den deutschen Markt konfigurierten Robo Advisors vor.

Auf den ersten Blick mag dieser Schritt überraschen. Schließlich betreiben die hiesigen Platzhirsche das Geschäft mit der automatisierten Vermögensverwaltung bislang mit größter Zurückhaltung. Von „Robin“ beispielsweise, dem Robo Advisor der Deutschen Bank, ist kaum noch was zu hören. Ähnliches gilt für „Bevestor“, also das entsprechende Angebot der Sparkassen, das vor Jahresfrist auf ein verwaltetes Vermögen von gerade mal 170 Millionen Euro kam. Die Commerzbank wiederum verkündete zwar zuletzt, dass der von der Comdirect betriebene Robo Advisor „Cominvest“ die 1-Milliarden-Euro-Schwelle bei den Assets under Management überschritt habe; die Wachstumskurve allerdings ist merklich abgeflacht. Bleiben von den etablierten Playern eigentlich nur die Volks- und Raiffeisenbanken, die das Geschäft einigermaßen ambitioniert betreiben.

Ansonsten? Ist Robo Advice hierzulande bislang Fintech-Terrain. Allerdings: Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass sich einige prominentesten US-Banken und Asset Manager in dem Markt strategisch positioniert haben oder gerade dabei sind, das zu tun:

– Größter Anteilseigner des in München ansässigen Marktführers Scalable Capital beispielsweise ist der Vermögensverwalter Blackrock.

Goldman Sachs hat sich schon vor Jahren bei zwei zumindest artverwandten Berliner Finanz-Startups eingekauft. Nämlich zum einen beim Einlagen-Broker Raisin DS, in dessen Produktpalette sich unter dem Namen „Raisin Invest“ auch ein Robo-ähnliches Angebot findet. Und zum anderen bei Elinvar, einem Technologie-Anbieter, der hinter dem jüngst gelaunchten Robo Advisor der DKB steht.

– Ein weiterer entfernter Verwandter der Robo-Advice-Spezialisten ist das auf die Granularisierung von Private-Equity-Investments spezialisierte Berliner Fintech Moonfare. Großer Anteilseigner dort: der US-Vermögensverwalter Fidelity.

– Der Blackrock- und Fidelity-Rivale Vanguard wiederum steht, wie wir vorletzte Woche bereits berichteten, unmittelbar vor dem Launch einer automatisierten Vermögensverwaltung für den deutschen Markt.

Und nun also auch noch JP Morgan Chase. Was man dazu wissen muss: Vor einem halben Jahr hatten die Amerikaner den britischen Anbieter Nutmeg übernommen, der gemessen an Marktstellung, Kundenbasis und den verwalteten Vermögen grob mit dem hiesigen Marktführer Scalable Capital vergleichbar ist – und an dem bis dahin Goldman Sachs beteiligt war. Wie Finanz-Szene.de und Finance Forward von mehreren Quellen erfuhren, will JP Morgan Chase die technische Nutmeg-Plattform nun nutzen, um auch hierzulande ins Robo-Geschäft einzusteigen. Allerdings aller Voraussicht nicht unter dem Label „Nutmeg“. Und auch nicht unter dem hierzulande ansonsten verwendeten Namen „JP Morgan“. Sondern, das zumindest sollen die bisherigen Planungen vorsehen, unter der Marke „Chase“.

Anders als im Falle Vanguards wird bis zum Marktstart des JP-Morgan-Robos noch ein bisschen Zeit ins Land ziehen. Der Personalberater Egon Zehnder befindet sich derzeit auf der Suche nach qualifiziertem Spitzenpersonal. Angeblich werden drei „Founder“ gesucht, davon eine oder einer mit Investment-Erfahrung und eine oder einer mit Expertise in Marketing und Vertrieb. Realistischerweise sei ein Launch erst gegen Jahresende, eher aber noch im kommenden Jahr zu erwarten, heißt es in Finanzkreisen.

Dass im deutschen Robo-Markt auch jetzt schon eine Vielzahl von Angeboten um Kundengelder im gerade mal gehobenen einstelligen Milliardenbereich konkurriert, soll die Amerikaner dem Vernehmen ebensowenig stören wie der Umstand, dass die Robo Advisor hierzulande bislang größtenteils defizitär arbeiten. In Finanzkreisen wird auf die technologisch niedrigen Eintrittsschwellen verwiesen – und darauf, dass JP Morgan Chase einen langen Atem mitbringe. Vermutlich ist auch das ein Unterschied zu den hiesigen Banken: Mögliche Anlaufkosten in zweistelliger oder dreistelliger Millionenhöhe dürften für ein Unternehmen wie JP Morgan (2021er-Jahresgewinn: 42 Milliarden Milliarden Dollar) keine allzu große Hürde sein.