Traumferienwohnungen-Gründer startet ein Fintech: Die zweite Ebene des Trading-Hypes
Der Aktien- und Krypto-Hype lässt nicht nur Neobroker stark wachsen, er bringt auch eine weitere Art von Anlage-Startups hervor: Fintechs, die sich auf die Informationsebene konzentrieren. Doch lässt sich damit Geld verdienen?
Anderthalb Jahrzehnte lang machte Nicolaj Armbrust alles anders als der Rest der Gründerszene: Fernab der hippen Startup-Domizile wie Berlin, München oder Hamburg zog er sein Unternehmen ohne Wagniskapital groß. Das Bremer Portal „Traum-Ferienwohnungen.de“ wuchs zu einem soliden Unternehmen heran. Bis Armbrust mit seinem Mitgründer 2016 erst den halben Exit an Axel Springers Leisure Group schaffte – und drei Jahre später komplett ausstieg.
Jetzt hat der erfolgreiche Gründer sein nächstes Unternehmen gestartet, ein Fintech. Holistic, das ebenfalls in Bremen sitzt, soll Exceltabellen für Privatanleger ersetzen. Die Software soll die Wertentwicklung ihres gesamten Portfolios strukturiert aufzeigen – von Aktien, ETFs, Immobilien und Kryptowährungen bis hin zu Sammlerstücken wie Uhren.
Gute Startups sind die Lösung für ein eigenes Problem
Schon mit „Traum-Ferienwohnungen.de“ hatte Armbrust Anfang der 2000er Jahre ein ähnliches Problem zu lösen. „Wir mussten den Prozess automatisieren, Immobilien in unser System aufzunehmen und zu bewerten“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. Denn es sei beispielsweise ein Unterschied, ob eine Ferienwohnung sich in der Eifel oder auf Sylt befindet.
Jahre später kam dann der endgültige Push hinzu, ein Fintech wie Holistic zu gründen: Als der Bremer mit seinem Mitgründer 50,01 Prozent ihres Unternehmens verkaufte, dürften sie über Nacht – milde ausgedrückt – wohlhabend geworden sein. Das Exit-Geld galt es anzulegen – und gleichzeitig eine Übersicht darüber zu behalten.
Mit verschiedenen API-Schnittstellen will sich Holistic Zugang zu den einzelnen Daten der verschiedenen Assets verschaffen. Den Kunden soll dann auf einem Dashboard eine Übersicht alle ihre Kennzahlen und Rücklagen aufzeigen. Mit 50 Betatestern geht es derzeit los, später soll auch eine Smartphone-App folgen.
Völlig neu ist die Idee nicht, die Informationsebene im Segment Geldanlage als eigenes Geschäftsmodell auszulagern. Der Zugang zu den nötigen Daten ist über die Schnittstellen ohne regulatorischen Aufwand zu bekommen, das senkt die Hürde für Neugründungen in dem Bereich.
Mit Getquin ist vor ein paar Monaten ein soziales Trading-Netzwerk mit ähnlichem Ansatz gestartet (Finance Forward berichtete). Über die Plattform sollen Anleger gegenseitig ihre Profile abonnieren können und Einblicke in ihre Portfolios gewähren. Dabei kann jeder selbst entscheiden, ob er auch die Beträge seiner Investments zeigt oder nur die Gewichtung. Zudem können Nutzer Transaktionen kommentieren.
Abo-Modell oder Provision?
Die verschiedenen Anbieter werden in Sachen Kundenwachstum zwar stark von anhaltenden Trends wie dem Trading-Hype profitieren – doch ob sie tatsächlich Geld verdienen, ist dabei noch offen. Während Getquin beispielsweise an einer Provision verdient, die anfällt, wenn Nutzer über die App ein Portfolio bei einem Partner eröffnen, will sich die Konkurrenz auf monatliche Gebühren konzentrieren.
Er sehe die Glaubwürdigkeit als unabhängige Plattform in Gefahr, wenn Holistic mit einzelnen Anlageprodukten Geld verdiene, sagt Armbrust.
Stefan Steib sieht das ähnlich. Der LBBW-Veteran hat kürzlich Fincraft gestartet, das sich in erster Linie als „Investing-Advice-Plattform“ versteht. Das Startup aus Bad Homburg will seinen Kunden nicht nur rohe Daten und Grafiken zeigen, sondern die Informationen auch einordnen und die Kunden weiterbilden. „Immer mehr Menschen wollen ihre Assets selbstbestimmt managen“, sagt Steib. Mit dieser Erkenntnis als Grundlage will er ihnen ein Tool bauen, das diese Eigenverantwortung ermöglicht.
Ob sich genügend Anleger finden, die bereit sind, für ein solches Angebot eine monatliche Gebühr zu zahlen? Fraglich. Immerhin liefern sich die Neobroker bereits einen Preiskampf um die Gebühren bei den einzelnen Trades. Doch schafft es ein Anbieter, eine signifikante Kundenzahl aufzubauen, die das Produkt tatsächlich nutzt, sitzt er auf einer Art Goldmine: Die Daten von Privatanlegern können sich, wenn sie richtig eingesetzt werden, durchaus als sehr lukrativ erweisen.
Sofern das Produkt überzeugt, wäre zudem eine logische Weiterentwicklung des Geschäftsmodells, die Software als White-Label an Banken, Neobroker und Co. zu vertreiben. Für Getquin könnte dafür ein Anruf beim Hauptinvestor, der Sino AG, genügen. Die hatte nämlich schon beim Aufbau von Trade Republic eine wichtige Rolle gespielt.
Die Anforderungen werden steigen
Doch zunächst müssen die Anbieter beweisen, dass ihr Produkt funktioniert – und dass sie Kunden gewinnen können. Für Holistic, Fincraft, Getquin und Co. ist das nicht nur ein Wettrennen gegeneinander, sondern auch ein gemeinsames gegen die Zeit: Sollten die Finanzmärkte demnächst eine stärkere Korrektur erleben, werden sich vor allem junge und unerfahrene Anleger die Finger verbrennen. Nach einem solchen Event, so das Learning aus der Dotcom-Blase, sind sie nur noch schwer als Kunden zu gewinnen.
Die Kundenakquise ist allerdings auch ohne Crash schwer genug. Die Hürde, einen Account zu eröffnen, ist verhältnismäßig hoch, denn besonders zu Beginn ist es viel Arbeit, die einzelnen Assetklassen einzubinden. Ist das Onboarding überwunden, sind die Kunden dann aber überdurchschnittlich loyal, glaubt Armbrust.
Dafür müssen die Anbieter allerdings auch fortlaufend liefern, denn Anfänger bleiben nicht immer Anfänger. Sie müssen mit ihren Nutzern „erwachsen“ werden und ihr Produkt immer weiterentwickeln, wenn sie für ihre Kunden über einen längeren Zeitraum attraktiv bleiben wollen. Damit kennt sich Armbrust aus, auch „Traum-Ferienwohnungen.de“ wuchs mit seinen Kunden.
Eine Sache will er aber mit Holistic grundsätzlich anders handhaben als bei seinem ersten Startup: Schon bald will er Wagniskapital aufnehmen, um das Geschäft zu skalieren. Aber auch, weil er der Überzeugung ist, dass VCs besonders im Fintech-Segment wertvolles Know-how mitbringen.