Wie Gain.pro das Bloomberg für den Mittelstand werden will
Im aktuellen Funding-Tief kommt es vor allem auf ein profitables Geschäftsmodell an. Was vielen Fintechs Probleme bereitet, hat der Amsterdamer Analysedienst Gain.pro bereits geschafft.
Das vergangene Fintech-Jahr war geprägt von Hiobsbotschaften: Verluste, Entlassungswellen und Insolvenzen bestimmten die Schlagzeilen. Wer sich durch früher angelegte Kapitalpolster nicht durch das Funding-Tief retten konnte, musste Investoren erst einmal ein profitables Geschäftsmodell vorlegen. Viele Startups scheiterten an dieser Hürde.
Bloomberg für den Mittelstand
Im Jahr 2018 war Ebmeyer bei McKinsey auf einem sehr guten Karriereweg, wie sie erzählt. Trotzdem entschied sie sich gegen die Aussicht auf eine begehrte Partner-Position und gründete ihr eigenes Unternehmen. Sie war überzeugt davon, dass sie mit ihrem Modell eine klaffende Marktlücke schließen würde. In ihrem Beraterjob hatte sie für den Bankensektor gearbeitet und immer wieder Due-Diligence-Analysen – etwa im Rahmen von M&A-Geschäften – durchgeführt.
Dabei werden im Vorfeld eines Investitionsgeschäfts sämtliche Bereiche eines Unternehmens durchleuchtet. Sie erfordern tiefgreifende Einblicke – von Eigentümerstrukturen über Finanzkennzahlen bis hin zu Mitarbeiterstatistiken und Wettbewerbsvergleichen.
Für große börsennotierte Unternehmen sind solche Informationen über Research-Plattformen leicht zugänglich. Doch für privat geführte Firmen sei die Informationslage dünn, wie Ebmeyer berichtet. „Die Recherchearbeit war extrem aufwendig und es gab keine Anbieter, die alle notwendigen Daten aus einer Hand zur Verfügung stellten.“ Also gründete sie Gain.pro, eine Plattform, die Unternehmensdaten für kleine und mittelständische Unternehmen aggregiert – eine Art Bloomberg für den Mittelstand.
Heute nutzen unter anderem Goldman Sachs, Blackrock, KKR, BCG, McKinsey und auch die sogenannten „Big Four“ den Service, etwa für Investitionsentscheidungen im Venture-Capital- oder Private-Equity-Bereich oder im Rahmen von Übernahmedeals. „Daneben sehen wir auch immer neue Anwendungsfälle“, sagt Ebmeyer. „Manche nutzen unseren Service zum Beispiel für Wettbewerbsrecherche oder sogar beim Headhunting von Führungskräften.“
Im Kern besteht das Modell aus zwei Komponenten: Wo möglich, zieht sich das Unternehmen über Schnittstellen öffentliche Informationen, etwa über Unternehmensregister oder Bekanntmachungsplattformen und lässt diese auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz aufbereiten. Wo die an ihre Grenzen stößt, macht ein Team von Analysten weiter, das qualitative Informationen wie Zeitungsmeldungen oder Informationen aus sozialen Medien auswertet. Daneben führt das Unternehmen Experten- und Unternehmensbefragungen durch – die, so Ebmeyer, seien vor allem für den Informations- und damit Wettbewerbsvorteil von Gain.pro verantwortlich.
100 Prozent Umsatzwachstum
Seit 2018 ist das Unternehmen nach eigenen Angaben jedes Jahr um mehr als 100 Prozent gewachsen. Heute liegt der jährliche wiederkehrende Umsatz im zweistelligen Millionenbereich, wie Ebmeyer Finance Forward verrät. Gleichzeitig habe es das Unternehmen geschafft, seine europäischen Kernmärkte profitabel zu führen. Dabei liege die Bruttogewinnmarge bei 75 Prozent und wäre damit auf einem ähnlichen Level wie die von großen Software-as-a-Service-Playern.
Gelungen sei das, weil man früh entgegen des Mainstreams gehandelt habe, glaubt Ebmeyer. Als es während der Boom-Jahre 2021/2022 noch en vogue war, schnelles Wachstum mit hohen Verlusten zu finanzieren, habe Gain.pro bereits eher konservativ investiert. „Viele VCs wollten uns damals überreden, mehr Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Ebmeyer. „Uns war allerdings das gesunde und nachhaltige Wachstum von Gain.pro wichtiger.“
Die Zahlen geben ihnen heute recht. Und mit dem Wachstum soll es für Gain.pro nun weitergehen. Bislang deckt das Unternehmen vor allem den europäischen Markt ab – in diesem Jahr soll nun der Sprung in die USA folgen. Dort wittert Ebmeyer weitere Chancen: „Es ist der größte M&A-Markt weltweit mit deutlich risikofreudigeren Investoren“, sagt sie. „Außerdem gibt es im Gegensatz zu Europa nur einen Markt mit einer Regulierung.“ Die Expansion soll aber nicht hier enden: „Unser klares Ziel ist es, ein globales Produkt anzubieten“, sagt die Gründerin.