Bettina Orlopp ist zur Chefin der Commerzbank aufgestiegen. (Bild: IMAGO / Hannelore Förster)

„Diversität ist nicht die höchste Priorität“ – Frauen-Anteil in europäischen Banken stagniert weiter

Seit Jahren gibt es kaum Fortschritte bei der Geschlechterparität in der Führung und in den Aufsichtsräten von europäischen Banken. Der Frauen-Anteil ist im Vergleich zum Jahr 2021 leicht gestiegen, die Bezahlung der weiblichen Führungskräfte aber zuletzt gesunken, wie eine Auswertung der Beratung BCG zeigt. Bei gleichem Tempo dürfte es noch eine Dekade dauern, bis Vorstände zur Hälfte mit Frauen besetzt sind.

Anfang Oktober ist mit Bettina Orlopp erstmals eine Frau an die Spitze der zweitgrößten Bank Deutschlands aufgestiegen. Doch dabei handelt es sich immer noch um eine Ausnahme: Gerade einmal vier europäische Banken werden von einer Frau geführt, im Vergleichsjahr 2021 waren es noch fünf, wie eine Analyse der Beratung BCG zeigt, die Finance Forward vorliegt. Der Frauen-Anteil im Management hat sich bei den 50 größten europäischen Banken leicht erhöht – auf 24 Prozent, fünf Prozentpunkte mehr als vor drei Jahren. Aufsichtsräte sind immerhin schon zu 43 Prozent weiblich besetzt (Vergleichswert 2021: 36 Prozent). Stichtag der Erhebung ist Ende vergangenen Jahres.

Keine gute Bilanz, wie die Berater konstatieren. „Wir sehen, dass die Entwicklung stagniert, das heißt, dass das Thema Diversität nicht die höchste Priorität im Leadership der europäischen Banken hat“, sagt Studienautorin Julia Rolf. Die Beratung prognostiziert, dass es bei gleichem Tempo noch zehn Jahre dauere, bis es in Vorständen eine Geschlechterparität gibt. In Aufsichtsräten könnte es bereits in drei Jahren so weit sein.

Gender-Pay-Gap wird größer

„Die wahre Herausforderung sehe ich aber in der Verteilung der Rollen, die Top-Positionen wie der Aufsichtsratsvorsitz oder der CEO- beziehungsweise CFO-Posten werden meist nicht mit Frauen besetzt“, so Rolf weiter. Frauen in Führungspositionen verantworten am häufigsten die Themengebiete Personal, Nachhaltigkeit oder Marketing und Kommunikation.

Der sogenannte Gender-Pay-Gap hat sich derweil sogar vergrößert. Demnach verdienen Männer im C-Level rund ein Viertel mehr als Frauen auf derselben Ebene, im vergangenen Jahr lag der Unterschied nur bei zwölf Prozent. Auch in den Aufsichtsgremien hat sich die Bezahlung von Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Pendants verschlechtert, der Unterschied betrug 22 Prozent, im Vorjahr waren es 19 Prozent.

In einem Gender Quality Index der Beratung, in den die Besetzung von Management und Aufsichtsrat mit einfließen, schließt die niederländische ABN Amro am besten ab. Erst auf Platz 6 folgt die Commerzbank als erstes deutsches Geldinstitut.