Hype um Fan Token: Profitieren die Digitalwährungen von der WM?
Kurz vor dem Start der Fußballweltmeisterschaft haben sich die Kurse von sogenannten Fan Token besser als der kriselnde Krypto-Markt entwickelt. Bleibt das so – und was steckt hinter dem Trend?
Wenn Fußballvereine ihre Neuzugänge vorstellen, ist das Prozedere eigentlich immer gleich: Der Spieler hält ein Trikot in Kamera, lächelt und jongliert wahlweise noch mit einen Ball im Stadion. Doch als Paris St. Germain im Sommer 2021 Lionel Messi präsentierte, lief es anders: Messi, einer der besten Fußballer aller Zeiten, bekam zum Einstand nicht nur das obligatorische Trikot überreicht, sondern auch sogenannte Fan Token – quasi eine digitale Vereinswährung der Pariser. Mitbekommen haben das nur wenige – auch, weil PSG das Thema nur per Pressemitteilung abfrühstückte. Doch für die euphorische Kryptoszene reichte das aus. Schon kurz nach der Messi-Verpflichtung notierte der PSG-Token um 130 Prozent höher.
Doch ob das wirklich stimmt? In Paris ist die Situation anderthalb Jahre später de facto eine andere. Zwar überzeugt Messi mittlerweile auf dem Feld, doch der Token notiert ganze 82 Prozent unter dem Zwischenhoch von 37,51 Euro. Und trotzdem werden dort, wo sich Krypto-Jünger und Fans der neuen Finanzwelt normalerweise versammeln – auf Reddit, Twitter & Co. – schon wieder die nächsten Kurssprünge prognostiziert. Der Grund: Am Sonntag ist die Fußball-WM in Katar gestartet, und wer, wenn nicht Fan Token, sollen davon profitieren?
Kryptowelt mal wieder in der Krise
Der Optimismus unter Anlegern mag überraschen, denn zuletzt ist die Kryptowelt aus den Fugen geraten. Die viertgrößte Börse FTX ging insolvent und sorgte für Panik unter Anlegern. Nach Terra/Luna, 3AC und dem Celsius Netzwerk ist es bereits die vierte spektakuläre Pleite in diesem Jahr. Die wichtigste Digitalwährung, der Bitcoin, hat seit Januar bereits 61 Prozent an Wert eingebüßt. Und auch Regulatoren blicken immer kritischer auf die Branche. Dafür ist die Stimmung unter Anlegern noch erstaunlich gut. Und tatsächlich sind sich auch die meisten Experten sicher: Digitalwährungen werden bleiben, nur eben nicht alle. Und ob Fan Token darunter sind – das weiß keiner.
Anders als bei klassischen Aktien korrelieren Fan Token nur schwach mit der – in diesem Fall sportlichen – Performance. Als Paris beispielsweise im März aus der Champions League ausschied – sowohl sportlich als auch wirtschaftlich der entscheidende Wettbewerb – ging es für den Kurs gerade mal fünf Prozent runter, und einen Tag später direkt wieder 2,5 Prozent rauf. Als Aston Martin im Oktober sein bestes Saisonergebnis beim Großen Preis von Singapur einfuhr, ging es für den Kurs 16 Prozent runter – und in den Tagen darauf auch nicht wieder hoch.
„All die Entscheidungen sind in Wahrheit nicht wichtig“
Das Versprechen, die Anleger würden am Erfolg ihrer Teams partizipieren, können die Token bislang nicht erfüllen. Vielmehr scheinen die Kurse auch hier unter den Makro-Faktoren zu leiden – heißt: Zinsen, Inflation und dem allgemein schwächeren Umfeld von Kryptowährungen. Und ob sich die Idee überhaupt irgendwann in der breiten Masse durchsetzt, ist ebenfalls fraglich: „All die Entscheidungen, die Besitzer von Fan-Token jetzt treffen dürfen – sei es die Farbe eines Helms oder welches Lied im Stadion gespielt wird – sind in Wahrheit nicht wichtig. Das wurde früher schon von klassischen Fanclubs entschieden. Das mag zunächst zwar alles aufregend sein, aber das Gefühl nutzt sich ab. Und die Frage ist, was danach kommt“, sagt Bernd Richter, Innovationsexperte beim Finanztechnologieanbieter FIS.
Die meisten Fan Token, insgesamt 60, werden von „Socios“ angeboten, einer Plattform mit Sitz in Malta. Anleger müssen hier zunächst die Socios App runterladen und können danach ihr klassisches Geld in die Digitalwährung „Chiliz“ tauschen. Damit können schließlich die Fan Token erworben werden. Die Transaktionen laufen dabei automatisch über die eigene Chiliz-Blockchain. Und wer nach dem Kauf der Token besonders aktiv ist bei Umfragen oder auf Social Media, kann Preise gewinnen – etwa VIP-Tickets oder signierte Trikots. Die Umsetzung in der App ist dabei kinderleicht, und von Kryptowährungen muss eigentlich niemand etwas verstehen.
Vereine erhoffen sich neue Märkte (und Geld)
Wohl auch deshalb – und vor allem wegen des Geldes – sind namhafte Vereine und Marken wie Manchester City, Borussia Dortmund oder der Davis Cup eingestiegen. „Für die Vereine ist es eine spannende Möglichkeit, komplett neue Zielgruppen zu erschließen“, sagt Richter. Vor allem Fans aus weit entfernten Regionen, etwa aus Asien oder den USA, können so an die europäischen Marken gebunden werden. Sie sind seltener in lokalen Fanclubs organisiert und können nicht allwöchentlich zu den Spielen anreisen. Indem sie aber über die neue Kapitänsbinde oder die Tormusik ihres Vereins entscheiden dürfen, entfalte sich Selbstwirksamkeit – und in der Folge erhöht sich die Bindung zur Marke. Soweit jedenfalls die Theorie.
Tatsächlich scheint sich rund um die Fußball-WM etwas auf dem Markt zu tun. Denn, entgegen den allgemeinen Kursstürzen rund um das FTX-Chaos, drehte der Chiliz-Kurs von 0,145 USD zuletzt wieder deutlich ins Plus auf 0,231 USD. Der PSG-Token legte acht Prozent zu, der Token von Juventus Turin um vier Prozent – und die portugiesische Nationalmannschaft schoss gleich um 18 Prozent nach oben. Branchenmagazine wie „BTC-Echo“ machen hierfür die WM verantwortlich, und den allgemein größere Fokus auf den Sport. Fraglich sei aber, wie gut die WM am Ende tatsächlich angenommen werde. Ist das Interesse überraschend gut, gebe es weiteres Kurspotenzial.
Generell seien Fan Token aber mit großer Vorsicht zu genießen, warnt der Innovationsexperte. Die meisten Werte seien bei genauem Hinschauen eigentlich klassische Pennystocks mit hoher Volatilität. Insofern seien die Token allenfalls etwas für Zocker oder Profis – und keineswegs etwas für den langfristigen Vermögensaufbau.