Prototyp eines Envion-Containers

Spektakuläre Entwicklung bei Envion: Durchsuchungen bei Matthias Woestmann und Thomas van Aubel

Exklusiv: Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt im Krypto-Skandal um Envion den ehemaligen CEO Matthias Woestmann und dessen Berater Thomas van Aubel ins Visier.

Kaum ein Krypto-Startup hat so große Hoffnungen geschürt und so viele Anhänger enttäuscht wie das Mining-Projekt Envion. Mit mobilen Containern wollte ein Berliner Team das energieintensive Krypto-Schürfen an Orte mit billiger und möglichst grüner Energie verlegen. Dafür bekam Envion Anfang 2018 die deutsche Rekordsumme von 100 Millionen Dollar in einem ICO von 37.000 Investoren. Wenig später versank die Firma im Chaos. Gründer und Management zerstritten sich, der Geschäftsbetrieb wurde nie aufgenommen, die Anleger mussten mitansehen, wie ihr Investment immer weiter an Wert verlor.

Wer schuld trägt an dem ganzen Schlamassel, ist in hohem Maße umstritten. Die Gründer um Michael Luckow halten CEO Matthias Woestmann und dessen Berater, den Anwalt Thomas van Aubel, für verantwortlich, weil diese in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entgegen vorheriger Absprachen die Mehrheit der Firmenanteile übernahmen und, so der Vorwurf, die Firma fortan gelähmt hätten. Woestmann und van Aubel werfen den Gründern wiederum vor, anders als im Anlegerprospekt vereinbart zu viele Envion-Token produziert zu haben, um sich damit zu bereichern. Dazu kommt eine beachtliche Gruppe an Kleinanlegern, die ebenfalls die Gründer in der Verantwortung sehen und gegen sie prozessiert. Gegenseitig haben sich die verschiedenen Parteien mit Klagen überzogen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat nun eine Entscheidung mit Signalwirkung getroffen. Nach Informationen von Finance Forward hat sie sowohl beim ehemaligen CEO Matthias Woestmann als auch in den Kanzleiräumen von Thomas van Aubel Durchsuchungen durchführen lassen. Die Ermittlungsbehörde bestätigt die Aktion auf Anfrage. Beweismittel seien gesichert worden, ihre Auswertung dauere an. Zu weiteren Details sage man nichts, so die Staatsanwaltschaft. Woestmann und van Aubel äußerten sich auf Anfrage nicht, sondern ließen über einen Anwalt mitteilen, man halte eine Berichterstattung über die Durchsuchungen für rechtswidrig. Über Schuld oder Unschuld in dem Fall sagen die Maßnahmen der Ermittler tatsächlich noch nichts aus – es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

„Woestmann und van Aubel haben unsere Firma gestohlen“, klagt der Gründer

Hintergrund des etwa vor einem Jahr eröffneten Ermittlungsverfahrens gegen Woestmann und van Aubel war eine Strafanzeige, die das Lager der Gründer gegen die aus ihrer Sicht unrechtmäßige Kapitalerhöhung gestellt hatte. Die Gegenseite hat die Vorwürfe der Gründer stets bestritten. Sie argumentierte etwa in einem parallel laufenden zivilrechtlichen Verfahren vor dem Berliner Landgericht, die Kapitalerhöhung sei notwendig gewesen, um dem Vorgehen der Gründer Einhalt zu gebieten. Woestmann habe sich „der Gefahr ausgesetzt gesehen, für die mangelhafte Durchführung des ICO und das Beiseiteschaffen von Millionen verantwortlich gemacht zu werden und zugleich nichts mehr unternehmen zu können, um den gesetz- und prospektmäßigen Zustand wiederherzustellen“.

Das Landgericht urteilte allerdings schon im Juni 2018, dass die Mehrheitsübernahme durch das Management zu Lasten der Gründer illegal gewesen sei. Die Folgeinstanz, das Berliner Kammergericht, bestätigte das Urteil.

„Woestmann und van Aubel haben unsere Firma gestohlen“, klagte Gründer Michael Luckow 2018 gegenüber Capital. Den ehemaligen ARD-Korrespondenten und äußerst gut verdrahteten Energieexperten Woestmann hatten die Gründer 2017 als CEO engagiert, um der Unternehmung ein seriöses Gesicht zu geben. Thomas van Aubel wurde von Woestmann erstmals im Januar 2018 bei Envion eingeführt, als der Rechtsanwalt im Zuge der umstrittenen Kapitalerhöhung Anteile an der Firma übernahm. Van Aubel hat eine bewegte Vergangenheit: Beim Bitterfelder Solarzellenhersteller Q-Cells, der 2012 in die Insolvenz ging, war er in einen Skandal um Insiderhandel verwickelt; seine Rolle als Hauptaktionär des Kunststoffherstellers Balda ist ebenfalls umstritten – er hatte den kompletten Aufsichtsrat durch sich und zwei Vertrauensleute ersetzt, Aktionäre empörten sich, van Aubel wolle „die Gesellschaft seeräuberisch ausbeuten“.

Ein Gericht hat Ende 2018 die Auflösung der Envion AG angeordnet

Im März 2019 erklärte die Schweizer Finanzaufsicht Finma den Envion-ICO für illegal, das zugehörige Verfahren ist allerdings bedeutungslos geworden. Denn schon im November 2018 hat das Kantonsgericht Zug die Auflösung der Envion AG angeordnet, weil ihr die vorgeschriebene Revisionsstelle – also externe Wirtschaftsprüfer – fehlten. Wer dafür verantwortlich ist, ist wiederum umstritten. Das Konkursverfahren wird vom Konkursamt Zug und der Schweizer Kanzlei Wenger Platter abgewickelt. Sie wollen Ende Oktober ein Portal freischalten, auf dem Token-Inhaber ihre Forderungen anmelden können.

Die Envion-Gründer um Michael Luckow haben ihrerseits ein „Liquidation Update Program“ gestartet, dem Token-Inhaber beitreten können und dem die Gründer ihre Ansprüche aus dem ICO sowie mögliche Schadensersatzansprüche gegen Matthias Woestmann, van Aubel und deren Gesellschaften übertragen haben. Man erwarte, dass „mehrere Millionen Dollar“ über das von einem Treuhänder geleitete Programm an Token-Halter ausgeschüttet werden können. Unter Anlegern stößt das Vorhaben auf Skepsis. Auch das Konkursamt fühlte sich bemüßigt, öffentlich festzustellen, dass das Programm „weder Bestandteil des offiziellen Konkursverfahrens“ sei, noch „in irgendeinem Zusammenhang mit der Konkursverwaltung“ stehe.

Die Gründer betonen hingegen, sie wollten „nicht von der unglücklichen Situation der Anleger“ profitieren. Man sei davon überzeugt, „dass ein unabhängiges Unternehmen ohne jede Verbindung zu Envion am besten dazu geeignet ist, das Vertrauen der Envion-Community zurückzugewinnen“. Das Programm sei „unsere Reaktion auf die Frustrationen der geschädigten Mitglieder unserer Community“.