Mehr Startups suchen zurzeit nach einem Käufer (Bild: Israel Andrade auf Unsplash)

Der Fintech-Ausverkauf beginnt

Eine ganze Reihe an mittelgroßen Finanz-Startups sucht gerade unter Konkurrenten oder Banken nach Käufern. Ein Deal jagt den nächsten, Gerüchte über weitere Übernahmen machen die Runde. Wie ernst ist die Lage?

Über Monate verhandelte der Gründer mit einer der größten Banken Deutschlands, die sich Know-how von einem jungen und wendigen Team einkaufen wollte. Das Kreditinstitut war bislang nicht durch große Fintech-Übernahmen aufgefallen – nun war es dabei, sich im Markt nach geeigneten Unternehmen umzusehen. So erzählt es der Gründer, der nicht genannt werden will.

Der Deal kam zwar nicht zustande, doch schon das Interesse zeigt: Die Stimmung hat sich verändert. Hinter den Kulissen suchen auch etablierte Banken nach Übernahmezielen. Sie wollen die Gunst der Stunde nutzen und sich zu günstigen Bewertungen Startups einkaufen.

Denn auf der anderen Seite sorgen sich viele Gründerinnen und Gründer um die Zukunft ihrer Fintechs. Bei manchen ist noch Geld da, bei anderen leert sich das Konto langsam. Sie suchen nach Käufern, an die sie ihr Unternehmen übergeben können – auch, damit sie ihr Gesicht wahren und nicht Insolvenz anmelden müssen.

Verkaufsmeldungen häufen sich

Und so gab es auf die Meldung, dass die Deutsche Bank angeblich am Neobroker Scalable Capital interessiert sei, einen großen Wiederhall. Auch wenn wenig dafür spricht, dass der Deal zustande kommt –  eher unter den mittelgroßen Finanz-Startups gibt es derzeit viel Bewegung. Die Nachrichten der letzten Zeit belegen diesen Trend:

  • Luko galt als große Insurtech-Wette. Das französische Versicherungs-Startup wurde von prominenten Geldgebern wie Accel, Speedinvest, Founders Fund und EQT Ventures finanziert. In Deutschland hatte es den Konkurrenten Coya geschluckt. Doch der Durchbruch gelang nicht. Im Juni ging es zum Insolvenzgericht in Frankreich – danach klappte ein Verkauf an die Versicherung Admiral. Dabei sollen 11 Millionen Euro geflossen sein, drei Millionen für weitere Meilensteine. Eine große Abschreibung für die Investoren, die 72 Millionen Euro in die Firma gesteckt hatten.
  • Für das Identity-Startup Passbase gab es ebenfalls große Hoffnung. Der bekannte Wagniskapitalgeber Lakestar beteiligte sich in einer frühen Phase. Nun übernahm schon im Frühjahr das Unternehmen Parallel Markets das Berliner Startup. Die Mitarbeiterzahl sank schon vor dem Exit massiv ab. Eine Verkaufssumme ist nicht bekannt. Doch Parallel Markets hat selbst laut Crunchbase nur rund 20 Millionen Dollar eingesammelt.
  • Das Kreditkarten-Startup Pliant kaufte die Finanz-Software Friday Finance. Obwohl noch 15 Millionen Euro aus der Finanzierungsrunde übrig waren, setzten die Gründer lieber auf einen Verkauf, um im neuen Team mitzumachen. Ein Teil der Belegschaft und die Gründer wechseln mit zu Pliant. Das Unternehmen machte schon kurz nach der Gründung auf sich aufmerksam – unter anderem mit einer 20-Millionen-Finanzierung.
  • Der Payment-Anbieter Ready2Order wurde von dem italienischen IT-Unternehmen Zucchetti Group übernommen. Über einen zweistelligen Millionen-Exit wird dabei im Branchenmedium Brutkasten spekuliert. Speedinvest und Reimann Investors hatten die Aufbauphase finanziert.
  • Die Finanzsoftware Denario verkaufte sich in einem frühen Stadium an das US-Unicorn Pandadoc. Die Details zum Verkauf sind nicht bekannt, das Team besteht aus rund zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Bis auf den Luko-Exit gibt es nur Indizien für die Größe der Deals. Die Verkaufspreise dürften im einstelligen oder zweistelligen Millionen-Bereich liegen. Der große Wurf wird ausgeblieben sein.

Zwar dürften Anteilseigner in vielen Fällen statt Cash Anteilen an der Käuferfirma bekommen haben – was später noch zu einem finanziell lohnenden Ausgang führen kann. Doch fest steht: Die Gründer hatten sich ihre Zukunft anders vorgestellt. Das geänderte Fundingklima in der Startup-Szene hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch wenn Finanzierungsrunden weiter stattfinden, ist es doch sehr viel schwieriger geworden, neue Millionen einzuwerben.

„Käufer sind wählerisch“

Julian Riedlbauer von der Investmentbank GP Bullhound bestätigt den Trend: „Es findet wieder ein starker Ausleseprozess statt“, sagt der Finanzfachmann. „Wer keinen klaren Weg zur Profitabilität aufzeigen kann, wird es schwer haben, neue Investoren zu finden.“ Diesen Ausleseprozess habe es in der Hypephase 2021 nicht gegeben. „Bei einigen Finanzierungsrunden stellt sich die Frage, ob sie zu schlechten Konditionen oder gar nicht zustande kommen – deshalb suchen die Gründer nach Alternativen.“ Dazu zählt auch ein Verkauf.

Riedlbauer geht davon aus, dass weitere Verkaufsmeldungen folgen werden. „Klar ist aber auch, dass die Käufer wählerisch sind – anders als in der Boomphase wird es keinen Deal nur um des Deals willen mehr geben.“ Die Käufer würden ihre Übernahmeziele genau unter die Lupe nehmen.

Meldungen zu Ready2Order und Luko.