Geldsorgen und Leistungsverlust – wie ein Fintech-Gründer die Krise erlebt
Seit der Coronakrise ist alles anders für Kai Kuljurgis. Eigentlich wollte der Coindex-Mitgründer im April mit seiner Kryptoanlage-Plattform starten. Nun steht seine Finanzierung, der Launch und das Unternehmen auf dem Spiel. Ein Gastbeitrag.
Wir müssen nicht drum herumreden: Die Coronakrise beeinflusst jede Variable unserer aktuellen Situation. Seit zwei Jahren arbeiten wir mit voller Power auf unseren Launch hin. Eigentlich wollten wir im April endlich mit unserem Produkt starten. Das ist gleich doppelt wichtig für uns, denn wir müssen uns am Markt beweisen und Kunden überzeugen.
Darauf aufbauend planen wir unser Fundraising für eine Seed-Finanzierung im Sommer – entsprechend sieht auch unsere Finanz- und Liquiditätsplanung aus. Wie es in einem Startup halt so ist – alles ist auf Kante genäht. Für uns ist es also überlebenswichtig, dass wir als Team mit Hochdruck weiterarbeiten. Gleichzeitig habe ich als Gründer eine unternehmerische Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter, in der Coronakrise ist das noch wichtiger als sonst.
An unserem Startup hängt mehr als nur die unternehmerischen Existenzen von meinem Mitgründer Sergio und mir. Einige Business Angel haben uns eine knappe Million anvertraut – und glauben an uns. Wir sind inzwischen 14 Teammitglieder und entwickeln eine Investmentplattform für Krypto-Währungen. Unser Team besteht vor allem aus lang angelernten Entwicklern, die alle unmittelbar am Produkt arbeiten und daher für uns unverzichtbar sind.
Für uns ist die Umstellung ins Home-Office sicher einfacher als für einen klassischen Mittelständler, wir haben von Grund auf eine digitale Struktur. Trotzdem verlieren wir an Schlagkraft. Wir sind kein Startup, bei dem es egal ist, wo und vor allem wann die Leute arbeiten. Und in dieser heißen Start-Phase müssen wir uns jeden Tag hunderte Male abstimmen, der Zuruf über den Tisch geht nicht mehr. Bei der Arbeit aus dem Home-Office heißt das nun: Wir müssen noch härter arbeiten, um den Leistungsverlust zu kompensieren.
Wir sind abhängig von unseren Partnern
Warum ist unsere Arbeit so kompliziert? Wir müssen eine komplexe, aufsichtsrechtliche Struktur entwickeln, sind dabei komplett in Deutschland reguliert. Mit Coindex soll der klassische ETF-Anleger sehr einfach, transparent und zuverlässig mit einem Sparplan in index-basiertes Portfolios aus Kryptowerten wie Bitcoin und Co. investieren können. Diese Vision setzen wir gemeinsam mit zwei regulierten Partnern, einer deutschen Privatbank sowie einer sogenannten Krypto-Verwahrstelle um und müssen uns dabei mit den Aufsichtsbehörden abstimmen. Beide dieser Partner setzen die von uns entwickelte Software ein, so entsteht unser Produkt.
Wir sind also mindestens genauso stark darauf angewiesen, dass auch beide Partnerfirmen handlungsfähig bleiben – fällt einer von beiden aus, wird uns dies ebenfalls zurückwerfen. Ich bin aber zuversichtlich, weil beide als regulierte Institute natürlich wie wir selbst über Notfallkonzepte verfügen.
Gleichzeitig schaue ich natürlich auch – etwas nervös – auf die Stimmung im Markt, nicht zuletzt, weil ich mich ja für den Sommer auf Investorensuche befinde. Es ist spürbar, dass sich die Coronakrise auch auf die Wagniskapitalgeber auswirkt und das Fundraising an einigen Stellen schwieriger werden könnte.
Meine bisherige Strategie sah so aus: Mit dem Beta-Launch im April wollte ich unter Beweis stellen, dass Struktur und Produkt funktionieren. Dann im Sommer war die Seed-Runde geplant – zwischen anderthalb und zwei Millionen Euro will ich einsammeln. Entsprechend ist unsere Liquidität aus der letzten Finanzierung bis dahin geplant. Durch die Coronakrise ist die gesamte Planung ins Wanken geraten und wir prüfen nun Maßnahmen, mit dem Geld länger auszukommen. Ehrlicherweise fahren wir als Ostwestfalen generell schon eher einen schlanken Reifen und haben daher nicht viel Luft, die wir ohne Leistungsverlust ablassen können.
Die Staatszusagen sind nichts für Coindex
Die bisher bekannten Staatszusagen sind nichts für uns. Die kommunizierten Maßnahmen aus KfW-Krediten und steuerlichen Instrumenten helfen einer Zielgruppe, die über ein etabliertes Geschäftsmodell mit einer Umsatzhistorie verfügen. Das hilft den vielen mittelständischen Unternehmen, einem Startup in der anstrengenden und entscheidenden Anfangsphase leider nicht. Zumindest dann nicht, wenn der Berater der Hausbank einem als Startup weiterhin pauschal eine Abfuhr zu allen derartigen Kredit-Anfragen erteilt.
Als Krypto-Startup ist es ohnehin schon schwer genug, eine Hausbank zu finden. Wenn die vielen Startups – die in guten Zeiten oft als „Mittelstand von morgen“ und Innovationstreiber bezeichnet werden – die Anfangsphase überleben sollen, muss die Politik genauer hinschauen. Das kann so aussehen: Aus den zugesagten Fördertöpfen und Innovationsfonds könnten Mittel auf unbürokratischem Wege zur Sicherstellung beziehungsweise Streckung von Liquidität bereitgestellt werden. Mit einer qualifizierten Bewerbung könnte Startups so über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten – also über die erwartbare Dauer der Krise – geholfen werden.
Am Ende könnte uns mit Coindex zu Gute kommen, dass Kryptowerte wie Bitcoin möglicherweise schon bald wieder Zuspruch finden, da sie häufig als Krisenwährung gesehen werden. Das gilt auch für unsere Zielgruppe der Endkunden, für die wir Coindex entwickeln und in deren Richtung wir entsprechende Aufklärung betreiben.
Ich bin also insgesamt zuversichtlich, weil ich von unserem Produkt überzeugt bin und weiß, was mein Team leisten kann. Natürlich warten auf uns wie auf alle anderen Unternehmen und Menschen Zeiten mit vielen Einschränkungen, Ungewissheiten und sicher auch konkreten Problemen. In jeder Krise liegt aber auch ein Neuanfang und damit viele Chancen. Das mag vielleicht eine Floskel sein, aber als Unternehmer weiß ich, dass sie stimmt. Ich muss auch ohne Corona regelmäßig gravierende Krisen bewältigen.