Warum Check24 100 Millionen Euro in Foodtech investiert
Exklusiv: Das Onlineportal Check24 ist erfolgreich, gefürchtet – und bislang vor allem bekannt für seine Produktvergleiche. Nun steckt es 100 Millionen Euro in Startups für alternative Lebensmittel. Das sind die Hintergründe des Investments.
Es sieht nach einem normalen Feierabend aus. Am Rand der Dachterrasse steht eine Gruppe von Männern um einen Grill, neben ihnen geht der Blick über ein Münchner Neubaugebiet und einen Park. „Diese Würstchen letztes Mal haben mir überhaupt nicht geschmeckt“, sagt einer. Der andere nickt, während einer die Steaks auf den Grill legt. Das gehört zu ihren Favoriten: Filet mignon.
Doch die Gruppe ist nicht irgendeine Freizeittruppe und das Grillgut nicht irgendein Fleisch. Alle paar Monate trifft sich hier der Führungszirkel von einem der wichtigsten Digitalunternehmen des Landes, nur eine Handvoll Leute. Manager, die teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt zusammenarbeiten und die Firma zu einem Platzhirsch in Deutschland gemacht haben. Bei ihren Treffen versuchen sie, einen neuen Markt zu verstehen, auf den sie kürzlich 100 Millionen Euro gewettet haben. Und dafür braucht es den Grill, denn die Gruppe testet Fleischalternativen. An diesem Sommertag stehen Leberkäse- und ein Steak-Ersatz auf der Speisekarte. Das Filet mignon besteht aus Sojaprotein.
Tagsüber leiten die Manager das Vergleichsportal Check24, eines der erfolgreichsten und gleichzeitig gefürchtetsten Digitalunternehmen Deutschlands (Finance Forward und Capital berichteten). Versicherungen, Mietwagen, Bankkonten – fast alles vermitteln die Münchner über ihre Plattform. Mit penetranter Fernsehwerbung und Abermillionen an Marketingbudget ist das Portal groß geworden, auch wenn Finanzpartner, die dort ihre Versicherungen verkaufen, häufig über die strengen Bedingungen und das Geschäftsgebaren von Check24 fluchen.
Ein kleines Team legte einfach los
Nachdem Capital aber bei Recherchen im Handelsregister auf die neue Gesellschaft „Check24 Impact GmbH“ gestoßen war – und nach einiger Überzeugungsarbeit –, erklärte sich Blase bereit, über das neue Vorhaben zu reden. Dabei sind die Pläne durchaus groß: 100 Millionen Euro investiert das Vergleichsportal in Foodtech-Fonds, um etwa Nahrungsmittelalternativen zu Fleisch und Milch zu finden. Während andere CEOs längst Posts für das Karrierenetzwerk Linkedin geschrieben und eine PR-Agentur beauftragt hätten, legte das kleine Investmentteam in München schon vor Monaten einfach los. Check24 sei keine „Ankündigungsfirma“, sagt Blase.
Auf der Dachterrasse dreht Clemens Färber die Steaks um. „Die Flüssigkeit, die wie Blut aussieht, kommt von Roter Beete“, sagt der Check24-Manager, der sich eigentlich um die Finanzen kümmert. Die kleinen Stücke, die vor ihm brutzeln, lassen sich nur schwer von echtem Fleisch unterscheiden. Blase nimmt sich einen Mozzarella. „Der ist aber echt?“, fragt er in die Runde und schmunzelt. Die kleine Truppe probiert auch andere Nahrungsmittelalternativen, beispielsweise einen Nutella-Ersatz oder vegane Schokolade – geschmacklich ein Favorit von Blase.
„Wenn etwas erfolgreich sein soll, muss es auch im kapitalistischen System erfolgreich sein“
Die Produkte, die sie hier verköstigen, stammen von den Unternehmen, in die Check24 Geld steckt – wenn auch über einen kleinen Umweg. Die 100 Millionen Euro fließen in Fonds, die wiederum Startups finanzieren. In den USA setzt Check24 auf den Investor Agfunder, in Indien auf Omnivore. Agfunder ist etwa bei dem slowenischen Startup Juicy Marbles investiert, von dem das vegane Filet mignon auf dem Grill stammt. Direktinvestments in die Startups für alternatives Fleisch oder nachhaltige Landwirtschaft traut sich Check24 noch nicht zu, auf diesem Weg lernt das Team den Markt erst einmal kennen – und dabei helfen natürlich die Grillabende.
Doch was bewegt den Gründer überhaupt, das Geld in neue Fake-Steaks zu investieren?
„Wir haben uns schon über Jahre Gedanken gemacht, was wir als Unternehmen zurückgeben können“, sagt Henrich Blase. Als die Firma vor vier Jahren eine eigene Bank gründete, diskutierten sie darüber, wie diese klimaneutral arbeiten könne. Der Gründer und sein Führungsteam wollten aber mehr machen. Sie fingen konsequent mit Mülltrennung in der Zentrale an, warfen die Wasserflaschen raus und filterten lieber Leitungswasser. Der Kaffee ist fair gehandelt, die Milch biologisch.
Auch das allerdings hat ihnen nicht genügt. „Wir haben uns gesagt, wenn etwas einen großen Impact haben soll, dann reicht es nicht, den Müll zu trennen“, sagt Blase. 800 Mitarbeiter in der Zentrale könnten noch nicht den Unterschied machen. Spenden seien eine weitere Möglichkeit. „Unsere Überzeugung ist aber: Wenn etwas erfolgreich sein soll, muss es auch im kapitalistischen System erfolgreich sein.“
Flugtaxis und Solaranlagen angeschaut
So kam die Idee, in Technologien zu investierten, die CO₂-Emissionen in Zukunft reduzieren. Sie hätten über vieles nachgedacht, auch über Flugtaxis oder Solaranlagen. Doch der Unternehmer schaute sich nach einem Fokus um. Georg Heusgen, einer von Blases engen Vertrauten und langjähriger Check24-Manager, hatte einst Agrarwissenschaft studiert. „Bei einem neuen Thema suchen wir immer nach jemandem, der dafür brennt“, sagt Blase. Heusgen hat mehr als 16 Jahre Karriere bei Check24 hinter sich, zuletzt war er Finanzchef in der Führung. Doch weil seinem Vater ein landwirtschaftlicher Betrieb gehörte, interessierte er sich für das Thema.
Die 100 Millionen Euro und der hochrangige Manager, der die Investments verantwortet, zeigen, wie weit oben das Projekt im Check24-Kosmos angesiedelt ist.
Die ganze Geschichte zu Check24 und der ungewöhnlichen Neuausrichtung könnt ihr in der aktuellen Ausgabe von Capital lesen oder auf Capital.de.