Boon-Nutzer – aber wie viele gibt es von ihnen wirklich? (Bild: PR)

Wie viele Nutzer hat Boon, der Wirecard-Angriff auf N26, wirklich?

Mit dem B2C-Konto Boon Planet startete Wirecard einen Angriff auf N26, Ex-CEO Markus Braun wollte bis 2025 „hunderte Millionen Bankkunden“ gewinnen. Finance Forward liegen erstmals die tatsächlichen Nutzerzahlen vor – und die sind Lichtjahre davon entfernt.

Es ist eine der großen offenen Fragen des Wirecard-Skandals: Wie viel der Umsätze, die nach Angaben des Payment-Konzerns Jahr für Jahr neue Rekordhöhen erklommen, gab es wirklich? Klar ist: Egal, wie umfangreich das Business am Ende war, besonders margenreich war das Zahlungsabwicklungsgeschäft offenbar nie.

„Knapp positiv“ sei das Kerngeschäft gewesen, so ein Insider gegenüber Finance Forward. Laut der FT verdiente Wirecard mit Payment-Aktivitäten, die nicht das umstrittene und mutmaßlich in weiten Teilen nicht existente Asiengeschäft betrafen, sogar seit 2016 kein Geld mehr. Aus diesem Grund wurden in Aschheim, dem Sitz des Dax-Konzerns, seit Jahren Bestrebungen verfolgt, sich durch neue Produkte und Dienstleistungen mit besseren Geschäftsaussichten vom margenschwachen Kerngeschäft unabhängiger zu machen.

Eines der wichtigsten Projekte war dabei Boon Planet, ein mobiles Bankkonto, mit dem der ehemalige CEO Markus Braun „hunderte Millionen Bankkunden“ erreichen wollte. Doch in Wirklichkeit war Boon Lichtjahre davon entfernt – das zeigen interne Zahlen, die Finance Forward und dem Wirtschaftsmagazin Capital vorliegen.

Wirecard hatte quasi keine B2C-Erfahrung

Eigentlich war Wirecard mit seinem Angriff auf Smartphone-Banken wie N26 oder Revolut gar keine so schlechten Chancen eingeräumt worden. Das Vorgängerprojekt Boon, eine virtuelle Prepaid-Mastercard, war unter Fintech-Fans beliebt, weil man damit früh Apple Pay benutzen konnte. Für Boon Planet, so nahmen viele Beobachter an, werde Wirecard viel Geld für Produktentwicklung und Marketing in die Hand nehmen können – und so den Markt aufrollen. Andererseits war es für Wirecard ein ungewohntes Projekt: Das B2B-Unternehmen hatte quasi keine Erfahrung mit Produkten, die sich an Endnutzer richten.

Und so fiel die Bilanz von Boon Planet intern zuletzt verheerend aus, wie Insider Finance Forward und Capital berichten: Gerade einmal 10.000 aktive Nutzer soll das Angebot gehabt haben. Gleichzeitig habe es Unsummen an Geld verschlungen, von sechs Millionen Euro pro Jahr ist die Rede. Laut der Insider habe es aber kaum Budget für Marketing gegeben, mit der Entwicklung eines B2C-Produkts habe sich der Konzern zudem schwer getan. Am Ende half es offenbar auch nicht, dass das Konto mit 0,75 Prozent Guthabenzins bis 10.000 Euro eines der attraktivsten Zinsangebote in Deutschland hatte.

Mit den hochfliegenden Plänen von Markus Braun haben die erreichten Nutzerzahlen wenig zu tun. Im Handelsblatt hatte er vergangenes Jahr angekündigt, mit Boon „auf Dauer weltweit“ an den Start zu gehen und zudem Partnern wie großen Versicherungen anzubieten, „den Service unter ihrer eigenen Marke“ zu nutzen. „Auf dieser Basis könnte ich mir vorstellen, dass wir bis 2025 hunderte Millionen Bankkunden gewinnen können“, tönte der Ex-CEO.

Intern soll ein Ende des Projekts bereits vor der Krise diskutiert worden sein, dafür habe sich etwa Produktchefin Susanne Steidl ausgesprochen. Braun habe sich gegen die Abschaltung aber gewehrt – für die „Außenwirkung“ sei Boon zu wichtig. Wirecard wollte auf Anfrage zum Zustand und zur Zukunft von Boon keine Stellungnahme abgeben.

Wie weit Boon Planet von anderen Challengerbanken entfernt ist, zeigt ein Vergleich der Nutzerzahlen: 
– Der große Konkurrent N26 zählt weltweit fünf Millionen Kunden
– Immerhin mehr als 100.000 Kunden hat die Krypto-Kreditkarte Bitwala
– Tomorrow, die grüne Neobank aus Hamburg, kommt noch auf mehr als 30.000 Kunden

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Mehr über die zunehmend verzweifelten Versuche von Wirecard, um das Scheingeschäft neue Produkte zu bauen und echte Umsätze zu erzielen, lest ihr in der neuen Ausgabe von Capital, die am Donnerstag erscheint. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop, hier zur Digital-Ausgabe bei iTunes und GooglePlay