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Betrugsopfer fühlen sich von Revolut alleingelassen

Revolut hat ein Problem mit wütenden Kunden, die Opfer eines Betruges geworden sind. Die Neobank kommuniziere schlecht mit ihnen und nehme ihr Problem nicht ernst, so der Vorwurf, der zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommt: Das Fintech bemüht sich derzeit um eine britische Banklizenz.

Ein britischer Kleinunternehmer öffnet an einem normalen Dienstag im Januar nichtsahnend sein Revolut-Konto – und sieht, dass ihm mehr als 62.000 britische Pfund fehlen. Angeblich soll er sie im Luxuskaufhaus Selfridges bei Cartier ausgegeben haben. Doch dort war er nie. Stattdessen kaufte dort ein Fremder mit seinem Geld ein, der ihm am Vortag mithilfe eines geschickten Tricks seine Kartendaten gestohlen hatte.

Wie Thomas Crooks dem Finanzportal „This is Money“ erzählte, rief der Betrüger ihn von einer Nummer aus an, die, so schien es, zu Revolut gehörte. Er bat ihn, sein Apple Pay erneut zu authentifizieren. Crooks dachte sich nichts dabei – schließlich kannte der Anrufer seinen Namen, seine Adresse und seine Kartennummer. Also nannte Crooks ihm den Apple-Pay-Zugangscode, der ihm neu zugesendet worden war. So konnte der Betrüger die Karte seines Opfers auf sein Smartphone laden – und auf Shoppingtour gehen.

Crooks ist nicht der Einzige, der auf diese oder sehr ähnliche Betrugsmaschen hereinfiel. „This is Money“ beschreibt drei weitere Fälle und zitiert eine vierte Betroffene, die eine Facebook-Gruppe für Revolut-Kunden gegründet hat, die Opfer eines Betrugs wurden. Auch wenn die anderen Betroffenen nicht so viel Geld verloren haben wie Thomas Crooks – ihre Erfahrungen damit, wie Revolut sie nach dem Vorfall betreute, ähneln sich: Sie konnten keine Mitarbeiter des Fintechs telefonisch erreichen, sondern nur schriftlich. Und sie haben dem Bericht zufolge nicht das Gefühl, dass Revolut ihr Problem ernst genommen habe.

Ermüdungstaktik in Chat-Nachrichten?

Ein Betroffener, der laut eigenen Angaben 1.750 Pfund verloren hat, sagt, der Kundenservice könnte kaum desinteressierter sein. „Sie erstatten nicht bei Betrug und geben dem Kunden die Schuld.“ Eine Kundin, die fast 10.000 Pfund verloren hat, schildert in dem Bericht, wie Revolut ihr zunächst unterstellt habe, selbst eine so hohe Summe bei Selfridges ausgegeben zu haben. Ein weiterer Kunde bemängelt das „sehr brutale, langsam antwortende System von Chat-Nachrichten.“ Er erkenne darin eine Ermüdungstaktik vonseiten Revoluts.

Das Fintech hat sich – anders als zehn andere britische Geldhäuser – nicht dem Contigent Reimbursement Model (CRM) angeschlossen. Darin verpflichten sich die Banken freiwillig, Opfer bestimmter Arten von Betrug Geld zurückzuzahlen. Die Richtlinien der britischen Aufsichtsbehörde FCA besagen zwar, dass Banken ihre Kunden nach einem Betrug entschädigen müssen – allerdings nur, wenn nicht nachgewiesen werdenkann, dass ein Kunde fahrlässig gehandelt hat.

Eine Revolut-Sprecherin betont auf Nachfrage von Finance Forward, dass das Fintech Kunden warne, wenn sie eine Anfrage zur Kartenautorisierung erreiche. „Geben Sie diesen Code an niemanden weiter, auch wenn er behauptet, von Revolut zu sein. Geben Sie ihn nirgendwo ein – es sei denn, Sie wollen Ihre Karte einem neuen Gerät hinzufügen“ – das sei der Wortlaut der Warnmeldung. Im Januar habe Revolut zudem eine Mail an alle Kunden geschickt, um sie vor der Betrugsmasche zu warnen. „Wir werden Sie niemals wegen Ihres persönlichen Kontos anrufen, ohne Sie vorher über unseren In-App-Chat kontaktiert zu haben“, heißt es dort. Und weiter: „Wir bewerten die Umstände jedes einzelnen Falles, wenn wir entscheiden, ob wir von Kriminellen gestohlene Gelder erstatten.“ Zu den einzelnen Fällen äußert sich das Fintech nicht. Dafür betont die Sprecherin: Revolut arbeite hart und investiere viel, um die Kunden zu schützen.

Der Berater und Cyber-Security-Experte James Bore sieht das anders. „Challenger-Banken investieren in der Regel sehr viel weniger Zeit und Geld in Betrugsprävention als etablierte Banken”, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. Bore arbeitete zeitweise für ein Fintech, kündigte aber. Der Grund: „Ich hatte den Eindruck, dass ihnen die Sicherheit ihrer Kunden egal war.” Er selbst nutze Konten bei Neobanken nur noch als eine Art Geldbörse, habe dort selten mehr als 150 Pfund eingezahlt. Das rät er auch anderen Kunden.

Verbraucherschützer rät zu Beschwerde bei der Bafin

Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres sind laut „This is Money“ 489 neue Beschwerden über Betrug bei Revolut an den Financial Ombudsman Service (FOS) gemeldet worden – damit stehe das Fintech an zweiter Stelle hinter Barclays, schreibt das Portal. Der FOS wurde Anfang der 2000er-Jahre in Großbritannien eingerichtet, um Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistern zu schlichten.

Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fordert die Banken dazu auf, sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen. „Die Institute stehen in der Pflicht, absolut sichere Zahlungsdienste anzubieten.“ Anstatt die Kunden auf ihren Websites lediglich über gängige Maschen zu informieren, sollten sie den Betrug besser selbst unterbinden.

Kunden, die von ihren Banken bei Beschwerden nicht ernst genommen werden, rät er, sich an die Aufsichtsbehörde Bafin zu wenden. Denn die Geldhäuser hätten gesetzliche Anforderungen an ein funktionierendes Beschwerdemanagement zu erfüllen.

Als ausländisches Unternehmen unterliegt Revolut allerdings nur eingeschränkt der Aufsicht durch die Bafin. Bisher hat das Fintech eine „spezialisierte Banklizenz“ und eine Vollbanklizenz von der litauischen Bankenaufsicht, bemüht sich aber seit mehr als zwei Jahren um eine Lizenz der britischen Aufsichtsbehörde FCA. Allerdings hat die FCA die Prüfung der Bilanzen des Fintechs, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO vorgenommen wurde, im September vergangenen Jahres als „unzureichend” bemängelt, wie die „Financial Times“ berichtete. Erst im März dieses Jahres gelang es Revolut, seinen Geschäftsbericht 2021 vorzulegen.

Die Zahlen sehen auf den ersten Blick beeindruckend aus: Die Neobank verzeichnet ein Umsatzwachstum von 185 Prozent auf 636 Millionen Pfund (710 Millionen Euro) und meldet einen Gewinn von 26 Millionen Pfund (29 Millionen Euro). Auch die Zahl der Kunden wuchs stark, von elf Millionen Anfang 2021 auf derzeit 29 Millionen. Doch das eingezahlte Guthaben pro Kunde konnte nur von 418 auf 450 Pfund gesteigert werden. Das zeigt: Viele Kunden nutzten Revolut nur für einen Teil ihrer Ausgaben.