Mr. Aktienrente: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Bild: Tristar Media / Getty Images

Hype um Altersvorsorgedepot: Das erwarten Fintechs von der „Lindner-Rente“

Ob die Deutschen in ein paar Jahren “lindnern” werden? Das wird sich zeigen, wenn die geplante Aktienrente 2026 kommt. Was schon jetzt sicher ist: Wie die Riesterrente eröffnet auch das Altersvorsorgedepot einen großen Markt, erste Fintechs bringen sich bereits in Stellung. Aber es gibt noch Baustellen.

In jedem Meeting, das Max Linden von Lemon Markets seit Mitte September hatte, gab es ein bestimmendes Thema: Das staatlich geförderte Altersvorsorgedepot. Der Gesetzentwurf war vermutlich noch nicht lange öffentlich, da ratterten schon die Köpfe der deutschen Fintech-Gründer und Bankchefs. Denn so wie die Riesterrente vor 20 Jahren ein völlig neues Geschäftsfeld mit 15 Millionen Kunden eröffnete, so wird es voraussichtlich auch das neue staatliche Rentenangebot ab 2026 tun.

Ab dann, so steht es im vom Finanzministerium vorgelegten Entwurf, will der Staat Privatanleger finanziell dabei unterstützen, in Aktien, Fonds und ETFs zu investieren. Pro investiertem Euro will die Bundesregierung 20 Cent beisteuern, erst einmal bis maximal 600 Euro pro Jahr. Bis 2030 soll der Förderhöchstbetrag auf 3.500 Euro steigen. Für Kinder, junge Sparer, Arbeitslose und Geringverdiener soll es weitere Zuschüsse geben – in der Hoffnung, dass sich mehr Deutsche an den Kapitalmarkt wagen und so dank höherer Renditen privat für ihr Alter absichern.

Das investierte Geld soll aber nicht nur bezuschusst, sondern auch von der Vorabpauschale und den 25 Prozent Kapitalertragsteuer befreit werden. Welche Produkte gefördert werden, soll eine Liste festlegen. Schon jetzt ist klar: Hochriskante Anlagen wie Hebelprodukte oder Kryptowährungen sollen ausgeschlossen sein.

Anbieter hoffen auf Millionen neue Kunden

Es wäre das erste Mal, dass die Deutschen staatlich gefördert am Aktienmarkt teilhaben können – und das wiederum könnte viele motivieren, diesen Schritt endlich zu gehen. Immerhin ist die Aktionärsquote hierzulande im Vergleich zu anderen Staaten besonders gering. Nur jeder sechste hat ein Depot, das sind 12,32 Millionen Deutsche. Dagegen haben über 15 Millionen einen Riestervertrag. Und da selbst jene, die ein Depot haben, dieses nicht einfach unter staatlicher Förderung weiterlaufen lassen können, ist quasi jeder Deutsche, der noch nicht das Rentenalter erreicht hat, ein potenzieller Kunde. Wenn die Deutschen ihre Vorsorgedepots eröffnen, eröffnen sie gleichzeitig einen riesigen Markt.

Da sind die ganzen Depotanbieter und Finanzdienstleister, egal ob klassische Banken oder Neobroker, die Millionen neuer Kunden buhlen werden. Die ETF-Anbieter, die neue Produkte speziell für die risikoscheuen Deutschen konzipieren können. Es werden Technologieanbieter benötigt, die die Infrastruktur für das Vorsorgedepot entwickeln müssen. Und nicht zuletzt werden auch mehr Menschen als zuvor Finanzberatungen aufsuchen oder sich finanziell weiterbilden, weil sie sich nach wie vor nicht sicher genug auf dem Börsenparkett fühlen und an die Hand genommen werden möchten.

Einer der Aspiranten ist eben Max Linden, Gründer von Lemon Markets. Sein Fintech baut für Anbieter die Infrastruktur für digitalen Wertpapierhandel, schafft also die Basis dafür, dass Menschen einfach und digital investieren können. Seine ersten Gedanken, als er davon gehört hat: “Lange überfällig, ein Schritt in die richtige Richtung, aber sehr kompliziert”, erinnert er sich. Seitdem ist das Vorsorgedepot sein täglicher Begleiter. “Es sind noch zu viele Detailfragen offen, um loszulegen”, sagt der 24-Jährige. „Aber alle machen sich schon Gedanken darüber, weil alle wissen, wie viel Potenzial in dem Vorhaben steckt.“

Dabei merkt er spürbar den Unterschied zwischen Fintechs, für die 2026 noch meilenweit entfernt ist, und großen Geldinstituten, deren IT-Roadmaps für die nächsten zwei Jahre eigentlich schon stehen. “Das Vorsorgedepot öffnet also nochmal eine Flanke für Online-Depots und wir können dabei helfen.” Denn Lemon Markets tut genau das: Online-Depots technisch überhaupt möglich machen. Sie fertigen für Händler individuell jene Infrastruktur.

Sorge vor einer Riesterrente 2.0

Aber Schnelligkeit wird nicht der entscheidende Faktor sein, wenn er mit seinen Kunden an einem passenden Angebot basteln wird. Dafür ist noch zu viel Zeit, ganze neun Monate will das Finanzministerium den Anbietern mindestens Vorlaufzeit geben: „Weil alle mitmachen werden, wird uns eher beschäftigen, wie wir unseren Partnern helfen können, ein differenziertes und attraktives Angebot an den Markt zu bringen.” Denn für die Lindner-Rente macht eigentlich nur ein Depot Sinn, und ist das einmal eingerichtet, werden die wenigsten noch einmal wechseln.

Also geht es darum, von Beginn an möglichst viele anzulocken. Und für sein Unternehmen gibt es noch eine weitere Herausforderung: “Der Entwurf ist aktuell sehr kompliziert”, sagt Linden. Das macht das Depot aktuell noch sehr teuer, für seine Kunden und damit auch für die Investierenden selbst. „Bleibt das so, wird es unser Job sein, diese Komplexität von unseren Kunden fernzuhalten.“


Mehr zum Thema …

Altersvorsorgedepot: „Neobrokern steht ein Corona-Boom 2.0 bevor”
– Ex-Trade-Republic-Team startet Krypto-App Alphalink
Käufer rettet Ride vor der Pleite – so geht es für die Fintech-Bank weiter


Für den Neobroker Scalable Capital ist zumindest dieser Punkt noch nicht ausdiskutiert. “Wir wollen rasch ein entsprechendes Angebot an den Markt bringen”, sagt Ina Froehner, Kommunikationschefin bei Scalable: “Aber zuvor werden wir uns aktiv in den weiteren Dialog einbringen, besonders was den Abbau bürokratischer Hürden betrifft.”

Die bereiten auch dem Robo-Advisor Quirion Sorgen. Firmenchef Dirk Althoff befürchtet deshalb sogar, dass das Vorsorgedepot zur Riesterrente 2.0 werden könnte. Die Idee sei gut, aber die Umsetzung zu komplex und der Kostendeckel fehle, was das Angebot wiederum teuer mache. Doch genau da sieht er auch die Chance von Quirion: “Wir werden auf jeden Fall etwas anbieten und planen auch gerade schon”, sagt er. Dabei will das Fintech weiter auf das setzen, was es auszeichne: Maximale Diversifikation durch ETFs, Benutzerfreundlichkeit in der App, günstige Kosten – und hoffen so, neue Kunden gewinnen zu können.

„Die ersten Euros, die ich 2026 investieren werde, wandern in mein Vorsorgedepot“

Doch das können viele andere auch. Als Robo-Advisor hat Quirion aber einen entscheidenden Vorteil: Als digitaler Vermögensverwalter investieren und verwalten sie das Geld von Anlegern automatisch, was vor allem für jene attraktiv sein wird, die sich nicht mit Aktien oder ETFs auskennen und auch keine Lust haben, sich damit zu beschäftigen. Und das ist genau die Zielgruppe, die die Bundesregierung, aber auch die Anbieter locken wollen. „Die, die ohnehin schon investieren, werden das Depot auf jeden Fall eröffnen“, sagt auch der Lemon-Markets-Gründer Linden. „Die Herausforderung wird also sein, auch diejenigen an den Kapitalmarkt zu holen, die bislang nicht investieren.“

Auch wenn in der Branche schon Ideen gesponnen werden und Meetings stattfinden: Wie ein konkretes Angebot aussehen kann, wissen die Anbieter erst, wenn das Gesetz final verabschiedet wurde. Und ob das dann bei den Deutschen genauso gut ankommt wie bei den Fintechs und Banken selbst, ob es besser oder ähnlich mau wie bei der Riesterrente läuft, wird sich erst Jahre später zeigen. Nur bei einer Sache ist sich Linden schon jetzt sicher: „Die ersten Euros, die ich 2026 investieren werde, wandern in mein Vorsorgedepot.“