Warum eine der größten britischen Banken in ihrer App jetzt auch fremde Girokonten erlaubt
Barclays hat in diesen Tagen als erste britische Bank die Möglichkeit geschaffen, Girokonten anderer Geldinstitute in die Finanzübersicht der Online-Banking-App hinzuzufügen. Der vermeintliche Wahnsinn hat Methode.
Barclays-Kunden, die zusätzlich ein persönliches oder geschäftliches Girokonto bei Lloyds, Halifax, der Bank of Scotland, RBS, NatWest, Nationwide oder Santander besitzen, können nun ihre Guthaben und Transaktionen einsehen, wenn sie sich in der Barclays-App anmelden. Weitere Banken sollen in Kürze folgen. Der Barclays-Service nutzt dabei eine Open-Banking-API, um sicherzustellen, dass die Konten der Kunden sicher mit der App verknüpft werden, ohne dass sie dafür Benutzernamen oder Passwörter ihrer anderen Banken preisgeben müssen. Kunden können dafür auch den Verlauf ihrer Freigaben einsehen.
Mehrheit der Deutschen besitzt mindestens vier Konten
Um die Funktion einzurichten, wählen die Kunden innerhalb der Barclays-App die andere Bank aus, bei der sie ein Konto besitzen. Daraufhin leitet die App- oder Online-Banking-Seite sie auf die Seiten der Mitbewerber-Bank, von wo aus man per Autorisierungscode der Barclays-App Zugriff gewährt. Dieser lässt sich auf Wunsch auch wieder ausschalten. Catherine McGrath, Managing Director Retail Banking bei Barclays, erklärt: “Heutzutage haben viele Menschen Girokonten bei mehr als einer Bank, sodass die Überwachung ihrer Finanzen schwierig und zeitaufwändig sein kann. Unsere neue Funktion wurde entwickelt, um dieses Problem zu lösen, indem sie eine einfache und sichere Möglichkeit bietet, sich ein klareres Bild von Ihren Finanzen zu machen, und das alles an dem Ort, an dem sechs Millionen unserer Kunden bereits ihr Bankgeschäft betreiben.”
Ein gangbares Modell auch für Deutschland? Der Markt ist in jedem Fall vorhanden: So besitzt eine Mehrheit von 55 Prozent der deutschen Privathaushalte vier oder mehr Konten. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitut YouGov. Nur 13 Prozent besäßen nur eine Kontoverbindung. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Lediglich 42 Prozent der Haushalte führen alle Konten bei derselben Bank. Noch genauer: Über die Hälfte aller Privathaushalte (57 Prozent) nutzen nur ein Girokonto, bei jedem fünften (19 Prozent) sind es zwei. Sogar jeder neunte Haushalt (11 Prozent) verfügt über drei und bis zu elf Girokonten.
[wd_hustle id=”artikel-embed” type=”embedded”]
Plattform-Banking gewinnt an Relevanz
Es ist nicht die erste Initiative einer internationalen Bank dieser Art: HSBC hatte Anfang des Jahres zwar ein ähnliches Feature eingeführt, erfordert allerdings die Installation einer eigenständige App. Die amerikanische Citi-Bank launchte vor Kurzem einen „360-Grad-Finanzüberblick“, der Citi- und Nicht-Citi-Konten zusammenführt. Stichwort Plattform. Man muss man sich nur fragen, was die zwei großen Vorteile der gefürchteten GAFA sind: der direkte Kundenkontakt und die enorme Datenbasis. Banken bietet die Bereitstellung oder Nutzung von Schnittstellen eine kundenorientiertere Ausrichtung ihres Geschäfts. Das dient der Kundengewinnung -bindung über den ganzen Lebenszyklus hinweg. Banken profitieren von der Öffnung, da sie ihren Kunden ein flexibles Kundenerlebnis bieten können. Denn warum sollte ein Kunde für sein Zweit- oder Drittkonto Apps der Konkurrenz installieren, wenn man ihm den Zugriff darauf über die eigene Plattform anbieten kann? Kunden wiederum bekommen ein vereinfachtes Banking mit Zugriff auf zahlreiche Optionen und Dienstleistungen über eine einzige Oberfläche.
In Deutschland bieten unter anderem die comdirect, ING-Diba, DKB und die Deutsche Bank sogenanntes Multibanking an – wenn auch mitunter nur über die Webseite und nicht innerhalb einer App. Weitere Geldhäuser wollen folgen. Generell gewinnt Open-Banking hierzulande an Relevanz. Allen voran bei der Deutsche Bank mit ihrer Schnittstelle dbAPI, über die sich Dritte andocken können – etwa auf der hauseigenen Plattform Zinsmarkt, über die die Blaubank Finanzprodukte anderer Geldhäuser vertreibt. Die Blaubanker scheinen vom Ansatz so überzeugt, dass man dafür auch die Digitalbank-Pläne vorerst beerdigt hat. Wie erfolgsversprechend das Plattformgeschäft aus Sicht der Frankfurter sein könnte, dazu äußerte sich Digitalchef Markus Pertlwieser gegenüber Finanz-Szene.
Wer zumindest mal eine Vorstellung davon bekommen will, wie so etwas aussehen könnte, dem sei die deutsche App „Zuper“ ans Herz gelegt, die alle Girokonten inklusive Haushaltsbuch vereint und Überweisung über all diese Konten aus einer App heraus ermöglicht.
Unstrittig ist: PSD2 eröffnet Banken und Finanzdienstleistern neue Freiheiten – die sie dann aber auch nutzen müssen.