Volocopter bläst Spac-Pläne ab – Crowdinvestoren stinksauer
Exklusiv: Das Flugtaxi-Startup Volocopter wollte mit einem großen Deal an die New Yorker Börse Nasdaq kommen, doch die Pläne scheiterten. Die Crowdinvestoren gehen nun fast leer aus.
Die rund 750 Crowdinvestoren warteten seit dem Sommer auf die eine Nachricht. Die Mail, in der das Flugtaxi-Startup Volocopter endlich seine Börsen-Pläne konkretisieren würde. „Mit dem Vierzigfachen ihres Einsatzes“ könnten die Kleinanleger bei einem erfolgreichen Börsengang rechnen, schrieb das Handelsblatt im Juli. Einst hatten die Geldgeber den Start des waghalsigen Projekts finanziert.
Einige Monate später ist der Traum der Crowd nun geplatzt. Volocopter hat seinen Börsengang abgesagt, wie aus Investorenbriefen hervorgeht, die Capital und Finance Forward vorliegen und die die Anleger am Donnerstagabend erhalten haben. Es sollte sich dabei um einen sogenannten Spac-Deal handeln. Eine börsennotierte Firmenhülle hätte den Flugtaxi-Bauer gekauft, um ihn an die New Yorker Börse Nasdaq zu bringen. Eine unverbindliche Absichtserklärung sei schon unterschrieben, hieß es im Sommer vom Volocopter-Management.
Verhaltene Reaktionen am Markt
Nun schreibt die Geschäftsführung: „Die Zahlen und Fakten machen in den letzten Wochen und Monaten leider mehr als deutlich, dass der aktuelle Zeitpunkt denkbar ungünstig für eine erfolgreiche SPAC Transaktion ist“. Vor allem die Börsengänge der Wettbewerber hätten dazu beigetragen. Die Reaktionen der Anleger waren dort verhalten.
Bei einem Spac-Deal ist es so, dass die Anleger der Firmenhülle ihre Aktien zurückgegeben können, wenn ihnen die gekaufte Firma nicht gefällt. Bei dem deutschen Wettbewerber Lilium haben zwei Drittel der Anleger von diesem Recht Gebrauch gemacht. „Das führt dazu, dass manche Transaktionen mit dem eingenommen Geld gerade so die Transaktionskosten bezahlen konnten, allerdings kein weiteres Kapital für das Unternehmenswachstum übrig blieb“, schreibt der Unternehmenschef Reuter. Die Risiken einer entsprechenden Transaktion seien demnach zu hoch.
Für die circa 750 Kleinanleger könnte die Nachricht kaum schlechter sein. Die Absage des Spacs-Deals bedeutet für sie, dass sie so gut wie leer ausgehen werden.
Volocopter hatte die Darlehen der Seedmatch-Crowdinvestoren im Juni mit Wirkung zum 31. Dezember 2021 fristgerecht gekündigt. Schon damals gingen die Investoren auf die Barrikaden: Sie fürchteten, vor dem großen Exit aus dem Unternehmen gedrängt zu werden (Capital berichtete). In diesem Falle hätte ihnen lediglich die Rückzahlung ihres Darlehens plus ein Prozent Zins zugestanden. Um die Wogen zu glätten und das Gesicht zu wahren, bot Volocopter ihnen deshalb eine Zusatzvereinbarung an. Diese besagt, dass die Crowd in Höhe ihrer bisherigen Beteiligungsquote am Spac beteiligt werden soll, wenn dieser bis Jahresende initiiert wird. Das ist mit der Aufgabe der Spac-Pläne nun hinfällig.
Die Crowdinvestoren der ersten Stunde sind aus diesem Grund stinksauer. „Die Verzinsung von ein Prozent deckt nicht mal die Inflationsrate ab“, sagt Seedmatch-Investor Andreas Ewald. „Wir Erstinvestoren fühlen uns über den Tisch gezogen. Wir können nicht verstehen, dass uns ein so erfolgreiches Startup so im Regen stehen lässt. Ohne uns Erstinvestoren hätte Volocopter schließlich nie diesen erfolgreichen Weg einschlagen können.“
Viele sehen in dem Fall Volocopter auch ein Versagen der Crowdfunding-Plattform Seedmatch. „Für Seedmatch ist das eine Vollkatastrophe. Spätestens jetzt wird klar: Die Crowdfunfing-Verträge sind so schlecht, dass sie null attraktiv sind“, sagt ein Investor, der anonym bleiben will. Ein anderer erklärt: „Das Thema Crowdfunding hat sich für mich erledigt.“
Ähnlich sieht es auch Kai Thierhoff, Inhaber einer Kölner Startup-Beratungsfirma und ebenfalls Investor.„Wir bekommen unser Geld de facto auf einer Bewertung von sechs Millionen Euro zurück, obwohl das Unternehmen längst mehr als eine Milliarde wert ist. Das ist wirklich bitter. Die Verträge waren sehr unglücklich für uns“, Thierhoff.
„Am Ende werden wir die Investoren gebührend belohnen“
Volocopter hat seinen Crowdinvestoren einst viel zu verdanken. Als das Startup vor mehr als acht Jahren nach einer ersten Finanzierung suchte, hielten viele die Lufttaxi-Idee noch für ein Hirngespinst. Die Chance auf einen Bankkredit seien entsprechend gering gewesen, gestanden die Gründer in einem Interview.
Im November 2013 startete Volocopter – damals noch unter dem Namen e-volo – deswegen eine Kampagne auf der deutschen Crowdfunding-Plattform Seedmatch. Mitgründer Stephan Wolf versprach: „Am Ende werden wir die Investoren gebührend belohnen.“ Die Aussicht, mit Volocopter Luftfahrtgeschichte zu schreiben und dabei noch eine üppige Rendite zu kassieren, überzeugte die Crowd. Innerhalb von drei Tagen erreichte das Startup sein Funding-Ziel von 1,2 Millionen Euro. Die insgesamt 750 Kleinanleger investierten dabei Beträge zwischen 250 und 10.000 Euro. Für die Rendite, die sie nun erhalten, hätten sie ihr Geld auch in weniger risikoreiche Anlagen stecken können.
Aus einem möglichen Vorzeige-Investmentcase eines Crowdfundings ist innerhalb von Monaten eine abschreckendes Beispiel geworden. Denn selbst bei dem auf dem Papier erfolgreichen Unternehmen Volocopter partizipieren die Kleinanleger nicht. Eine Unternehmenssprecherin verweist auf die Vertraulichkeit der Verträge – und wollte sich im Detail nicht äußern. „Wir achten stets darauf, dass Volocopter seine Verpflichtungen gegenüber Darlehensgeber:innen sowie anderen Investor:innen oder Partner:innen vollumfänglich erfüllt“, teilt Volocopter mit.
Ein Macher des Börsengangs ist derweil schon von Bord: Den Manager René Griemens hatte die Bruchsaler Firma auch geholt, um an den Kapitalmarkt zu gehen. Er ist bereits seit Ende Oktober aus der Geschäftsführung ausgeschieden.