3.600 Prozent Wachstum: Wir haben die Trade-Republic-Zahlen
Der deutsche Neobroker Trade Republic hat sich extrem schnell zu einem der größten Finanz-Startups entwickelt. Ein Einblick in die Geschäftszahlen gibt nun erstmals Antworten auf viele spannende Fragen.
Langsam, aber sicher vervollständigt sich das Bild. In den vergangenen Wochen haben Finance Forward und Finanz-Szene bereits die Geschäftszahlen der Solarisbank analysiert; Mitte Oktober folgte ein weiteres Fintech, nämlich Bunq und am Freitag der österreichische Krypto-Broker Bitpanda. Und nun können wir endlich, endlich auch mal unter die Haube von Trade Republic gucken – also unter die Haube jenes Berliner Fintechs, das zwar erst 2019 an den Start ging, zweieinhalb Jahre später aber bereits zum zwischenzeitlich wertvollsten Finanz-Startup der gesamten DACH-Region aufgestiegen war.
Also: Wie viel Umsatz hat der Neobroker 2020 erwirtschaftet? Welche Ableitungen lassen sich hieraus für das aktuelle Geschäftsjahr ziehen? Wie viel kostet die Berliner ein akquirierter Kunde – und wie viel Ertrag wirft dieser Kunden dann ab? Und schließlich: Rechtfertigen die Zahlen die exorbitante Bewertung von 4,3 Milliarden Euro – und auch, dass Trade Republic von Investoren ungleich höher taxiert wird als deutlich größere Platzhirsche wie Flatex?
1.) Wie viel Umsatz hat Trade Republic 2020 gemacht?
Der an diesem Wochenende veröffentlichte Geschäftsbericht weist für Oktober 2019 bis September 2020 Provisionserlöse von 26,8 Millionen Euro aus. Uns juckt es in den Fingern, den Vergleich mit dem Vorjahreswert (728.000 Euro) zu ziehen. Die Gegenüberstellung ist zwar einerseits unsinnig, weil Trade Republic Anfang 2019 überhaupt erst richtig losgelegt hatte. Andererseits vermittelt der Vergleich einen Eindruck davon, wie viel Traktion der Berliner Neobroker binnen kürzester Zeit entwickelt hat. Darum, schwarz auf weiß: Trade Republic ist im Geschäftsjahr 2019/2020 um rund 3.600 Prozent gewachsen.
2.) Wie viel bezahlt Trade Republic pro akquiriertem Kunden?
Zu Kundenzahlen sagt der Abschluss nichts. Berechnungen von Finanz-Szene und Finance Forward legen allerdings nahe, dass Trade Republic im Geschäftsjahr 2019/2020 zwischen 350.000 und 400.000 Kunden gewonnen haben dürfte. Die sonstigen Verwaltungsaufwendungen beziffert der Abschluss mit 22,8 Millionen Euro. Ein großer Teil hiervon dürfte auf Marketing entfallen sein. Geht man mal sehr, sehr grob von Marketing-Aufwendungen von 15 Millionen Euro aus, hätte Trade Republic im Schnitt etwa 40 Euro für jeden neu gewonnen Kunden bezahlt. Ist natürlich nur ein Annäherungswert.
3.) Wie viel Umsatz macht Trade Republic pro Kunde?
Im Jahresmittel dürfte Trade Republic auf eine Kundenzahl von irgendwas zwischen 250.000 und 275.000 gekommen sein. Dividiert man die Provisionserträge durch die Kundenzahl, so setzt der Neobroker pro Kunde also gut 100 Euro um. Gemessen daran, nehmen sich die geschätzten Akquisekosten von grob 40 Euro fast lächerlich aus.
4.) Wie viel Umsatz erwirtschaftet Trade Republic aktuell?
Diesem Wert können wir uns auf zwei Wegen annähern:
– Aus Anlass der großen Finanzierungsrunde Ende Mai sprach Trade Republic von „mehr als einer Million Kunden“, inzwischen ist in öffentlichen Verlautbarungen von „weit mehr als einer Million Kunden“ die Rede. Marktkenner schätzen die tatsächliche Zahl auf etwa 1,3 Millionen Kunden – was plausibel erscheint, weil das zu Jahresbeginn extrem hohe Kundenwachstum in den vergangenen Monaten ein wenig nachgelassen haben dürfte (siehe -> Wertpapier-Boom ebbt ab. Wie hart trifft’s Trade Republic?). Für das Geschäftsjahr 2020/2021 darf man von einem Durchschnittswert von grob 850.000 Kunden ausgehen. Schätzt man den durchschnittlichen Ertrag pro Kunde weiterhin auf gut 100 Euro, könnte sich Trade Republic der 100-Millionen-Euro-Umsatzmarke also zumindest genähert haben.
– Trade Republic gilt als mit Abstand wichtigster Kunde des Düsseldorfer Handelsplatzes „LS Exchange“. Laut zwar inoffiziellen, aber als verlässlich geltenden Handelszahlen, wurde über die „LS Exchange“ von Oktober 2019 bis September 2020 ein Volumen von 15,8 Milliarden Euro abgewickelt – und in den zwölf darauffolgenden Monaten (die mithin dem jüngsten Geschäftsjahr von Trade Republic entsprechen) ein Volumen von 45,5 Milliarden Euro. Würde man dieses Wachstum um den Faktor 3 (oder sagen wir: knapp 3) auf die Provisionserträge von Trade Republic übertragen (was freilich ein wieder mal ziemlich vulgäranalytischer Ansatz ist), käme man auf irgendwas zwischen 75 Millionen und 80 Millionen Euro.
Irgendwo innerhalb (oder leicht außerhalb) der Spanne von 75 bis 100 Millionen Euro dürfte der Umsatz vermutlich gelegen haben.
5.) Rechtfertigen die Zahlen die Bewertung von 4,3 Milliarden Euro
Zumindest ein Mitglied der Finanz-Szene-Redaktion (dessen Namen über diesem Artikel übrigens nicht steht) würden sagen: Nie und immer! Dagegen würden viele VC-Investoren sagen: In jedem Fall! Die Begründung würde ungefähr so aussehen:
– Gute Fintechs darf man schon mal mit dem 25- bis 30-Fachen des Umsatzes bewerten. Und Trade Republic ist nicht nur ein gutes, sondern ein richtig gutes Fintech. Also darf man beim Multiple sogar noch ein bisschen draufpacken
– Es geht hier nicht um ein rein deutsches, sondern um ein europäisches Thema. Trade Republic hat die seriöse Chance, auf mittlere Sicht zum größten europäischen Retailbroker aufzusteigen
– Vielleicht kommt ja auch einfach Robinhood und übernimmt für ein paar Milliarden oder sogar für ein paar Milliarden mehr den ganzen Bumms
6.) Rechtfertigen Zahlen, dass Trade Republic mehr wert ist als Flatex?
Versuchen wir uns an einer Gegenüberstellung:
– Kunden: 1,9 Millionen bei FlatexDegiro vs. angenommene grob 1,3 Millionen bei Trade Republic
– Umsatz: 410,8 Millionen Euro bei FlatexDegiro (das sind die Umsatzerlöse für Okt. 2020 bis Sept. 2020) vs. die sehr grob geschätzten 75-100 Millionen Euro bei Trade Republic
– Trades: 92,4 Millionen bei FlatexDegiro vs. sehr, sehr, sehr, sehr grob geschätzte 30-45 Millionen bei Trade Republic (wir gehen bei Trade Republic von einem Erlös von 2,25 Euro bis 2,50 Euro je Trade aus und haben den angenommen Umsatz von 75-100 Millionen Euro hierdurch geteilt)
Die blanken Kennzahlen sprechen natürlich für den Frankfurter Online-Broker FlatexDegiro (Marktkapitalisierung aktuell: 2,2 Milliarden Euro), die Dynamik hingegen klar für Trade Republic – zumal die Berliner vom jüngsten Abebben des Trading-Booms deutlicher weniger hart getroffen worden sein dürften als FlatexDegiro (siehe unsere Analysen hier und hier).
7.) Wie steht Trade Republic im Vergleich zu Scalable Capital da?
Schwer zu sagen. Aber Folgendes lässt sich festhalten:
– Bei der Funding-Runde Ende Mai bezifferte Trade Republic die Höhe Kundengelder mit „mehr als sechs Milliarden Euro“.
– Jüngst tauchte auch in den Pressemitteilungen von Scalable Capital bezogen auf die Kundengelder erstmals die Formulierung „mehr als sechs Milliarden Euro“ auf.
Zur Einordnung:
– Die Scalable-Asset sind anders als die Trade-Republic-Assets von Ende Mai keine reinen Broker-Assets. Wir würden grob vermuten, dass bei Scalable Capital >3,5 Millionen Euro auf den Robo entfallen und >2,5 Millionen Euro auf den Broker.
– Trade Republic ist seit Ende Mai natürlich weiter gewachsen, könnte (aber das ist jetzt bloße Spekulation) allmählich auf die zehn Millionen Euro zugehen.
8.) Habt Ihr noch die Übersicht zur Ertragslage 2019/2020?
Hier kommt sie:
9.) Was ist dazu noch zu sagen?
Der Cashburn von 10,2 Millionen Euro (bzw. 14,6 Millionen Euro, wenn man den steuerlichen Sondereffekt rausrechnet) ist für ein derart rasant wachsendes Fintech sehr überschaubar; Gleiches gilt für die Verwaltungsaufwendungen, die mit 29,6 Millionen Euro nur unwesentlich höher sind als die Provisionserträge. Gleichwohl: Bei den Kosten ist mehr noch als bei den Erträgen zu betonen, dass diese Zahlen dann doch schon 13 Monate alt sind und die Dynamik der Geschäftsentwicklung nicht richtig wiedergeben. Zur Einordnung: Im Geschäftsjahr 2019/2020 hatte Scalable Capital im Schnitt 103 Mitarbeiter; inzwischen sind es schon rund 500. Nicht nur der Umsatz, auch die Kosten werden 2020/2021 noch einmal massiv gestiegen sein.
10.) Wie steht Trade Republic im Vergleich zu N26 & Co. da?
Die Zahlen untermauern, dass Trade Republic binnen kürzester Zeit zum – gemessen an den Erträgen – zweitgrößten deutschen Fintech hinter N26 aufgestiegen ist. Aufs Kalenderjahr 2020 gerechnet, dürften die Provisionserträge schon 2020 bei sicherlich mehr als 30 Millionen Euro, vielleicht sogar bei 35 Millionen Euro gelegen haben. Damit reichte Trade Republic zwar nicht an N26 heran (unsere Schätzung für 2020: Gesamterträge zwischen 125 Millionen und 155 Millionen Euro) heran – an der Solarisbank allerdings (für 2020 ausgewiesene Provisionserträge: 26,1 Millionen Euro) dürfte Trade Republic bereits vorbeigezogen sein. Gemessen an den von uns vermuteten Erträgen 2020/2021 (also die besagten grob 75-100 Millionen Euro) dürfte Trade Republic aktuell schon die ganz klare Nummer zwei im deutschen Fintech-Markt sein.