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Fakeseiten für Tagesgeld: So nutzen Kriminelle den Zinshype aus

Mit bis zu vier Prozent Zinsen werben einige Banken und Neobroker zurzeit – und erleben einen Ansturm. Das hohe Interesse ruft auch Kriminelle auf den Plan, die mit Fake-Angeboten locken. Dabei setzen sie auf einen ganz bestimmten Trick.

Auf den ersten Blick sieht die Website nach der Website der „Wirtschaftswoche“ aus, zu finden sind „Anlagetipps der Woche“ oder Informationen über Immobilien. Gleichzeitig kann man sich auf der Seite angeblich „Top-Zinsen sichern“. Wer seine Kontaktdaten angibt, soll einen Vergleich zugeschickt bekommen. „Im Wirtschaftswoche online Festgeld-Vergleich finden Sie schnell und bequem das richtige Festgeldkonto“, heißt es auf der Website.

Das einzige Problem ist: Es handelt sich gar nicht um ein Angebot der „Wirtschaftswoche“. Erst auf den zweiten Blick kann das auffallen. Zum Beispiel, wenn man auf die Domain schaut, die nämlich nis-finanzen.com lautet. Aktuell ist die Seite nicht mehr im Netz zu finden, doch vor wenigen Wochen war sie noch online.

Seit Anfang des Jahres bieten Neobroker wie Trade Republic oder Scalable Capital sowie Geldhäuser wie die BMW Bank wieder Zinsen in signifikanter Höhe an, zurzeit sind es bis zu vier Prozent pro Jahr. Schon Anfang des Jahres begann der Run, Trade Republic soll Milliarden Euro an Zuflüssen erhalten haben.

Doch der Hype hat auch zweifelhafte Anbieter auf den Plan gerufen. Nis Finanzen ist dabei nur eines von vielen Angeboten, die online zu finden sind. Wie funktionieren die Fake-Seiten – und woran erkennt man sie?

Die Fallstricke

Nis Finanzen soll in Zusammenhang mit der NIS-AG.com stehen, so lautet zumindest die Einschätzung der Verbraucherschützer von Stiftung Warentest. Auch diese Seite lässt sich nicht sofort als fragwürdiges Angebot ausmachen. Es gibt einen schicken Rechner, um sich einen theoretischen Zinsertrag anzeigen zu lassen. Wer möchte kann dort Anlagesumme und -dauer eingeben und sich dann sein vermehrtes Vermögen anzeigen lassen. Selbstverständlich erscheint dahinter ein Button um mit dem man „Kunde werden“ kann.  Außerdem sollen Einlagen bis 100.000 Euro selbstverständlich dem „europäischen Einlagensicherungsgesetz“ unterliegen.

Doch es gibt Ungereimtheiten: Nis AG steht, das geht aus dem Impressum hervor, für Northern Investment AG. Die Firma hat nach eigenen Angaben ihren Sitz in Vaduz, in der Hauptstadt Liechtensteins. Und tatsächlich findet sich im Handelsregister dieses Landes ein entsprechender Eintrag, datiert auf den 26.08.2021. Komisch ist da nur, dass die Nis AG auf ihrer Webseite davon schreibt, dass ihre Spezialisten „seit 2019 darauf fokussiert sind, die sichersten und besten Renditen auf den europäischen Finanzmärkten erfolgreich zu analysieren“.  Und streng genommen gibt es auch kein „europäisches Einlagensicherungsgesetz“, sondern nur das deutsche, das wiederum auf eine EU-Richtlinie zurückzuführen ist.

Es sind nur zwei von vielen Ungereimtheiten, die sich neben dem absurden Werbeversprechen der „sichersten und besten Renditen“ finden lassen. Tatsächlich sind es die Details, die die Stiftung Warentest dazu veranlasst haben, die Internetseite auf ihre Warnliste zu stellen. Es könne sich demnach bei der Website der Nis AG um Betrug handeln.

Aufspüren vor dubiosen Anbietern

Die Webseite behauptet auch, mit über „62 Partnerbanken in über 26 Ländern“ zusammenzuarbeiten. Angezeigt werden im Folgenden unter anderem Barclays und die ING Bank. Doch schon, wer bei Barclays nachfragt, muss feststellen, dass da was nicht stimmen kann. „Barclays ist kein Partner der Nis-AG“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. „Uns sind das Angebot sowie das Unternehmen gänzlich unbekannt.“ Zudem behalte sich Barclays rechtliche Schritte vor und wolle nun das Unternehmen zur Unterlassung auffordern.

Auf einen Fragenkatalog von Finance Forward und Capital an die Nis AG gibt es erst nach langem Warten eine Antwort. Darin heißt es: „Wir möchten Ihnen mitteilen, dass Ihre Anfrage erfolgreich an unsere Rechtsabteilung weitergeleitet wurde. Unser Team wird sich umgehend mit Ihrer Anfrage befassen und Sie erhalten in Kürze eine Antwort auf Ihre E-Mail.“ Weiter steht in der E-Mail: „Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen in unsere Dienstleistungen und stehen Ihnen gerne zur Verfügung, sollten Sie weitere Fragen haben.“ Danach kommt keine weitere Nachricht.

Was steckt hinter den beiden Seiten? „Über die Seite Nis-finanz.com haben die unbekannten Betreiber möglicherweise versucht, Daten abzugreifen, um sie mutmaßlich zu verkaufen“, sagt Kai Schlieter. Er ist Experte bei der Stiftung Warentest für betrügerische Finanzportale, aktualisiert laufend die Warnliste und beleuchtet in Artikeln, was er zu den Hintermännern solcher Seiten herausgefunden hat.

Schlieter hat dort eine ganze Reihe solcher wohl dubioser Seiten aufgeführt. Viele sind inzwischen offline, andere existieren weiterhin. „In Zeiten, in denen immer häufiger die Rede davon ist, dass es auf Tages- und Festgeld wieder Zinsen gibt, tauchen nach unseren Erfahrungen immer mehr solcher dubiosen Seiten im Netz auf“, berichtet Schlieter. Oft bringen die Seitenbetreiber unbedarfte Kunden dazu, ihnen Geld zu überweisen – und dann ist es auch schon weg.

Die Rolle der Bafin

Wie können Verbraucher überprüfen, ob es sich bei einem Angebot um Betrug handelt? Wer eigene Tages- oder Festgeldkonten in Deutschland anbieten möchte, der braucht dafür eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Das gilt auch für Wertpapierinstitute, Finanzdienstleister, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherer oder Pensionsfonds, wie die Bafin auf ihrer Internetseite schreibt.

Die Bafin warnt regelmäßig vor derartigen Angeboten. „Im Jahr 2022 haben wir 1.123 neue Fälle mit dem Verdacht unerlaubter Geschäfte eröffnet“, teilt die Behörde auf Anfrage mit. Doch geht es der Bafin dabei nicht nur um Tages- und Festgeld. Die Behörde spricht davon, dass die Zahl von unerlaubten Geschäften auf „konstant hohem Niveau“ ist.

Zuletzt warnte die Bafin etwa vor der IBA Consulting & Trading GmbH, der Lindenroyal AG und der Bankenvergleich AG, jedes Mal ging es um unerlaubte Geschäfte. Viel mehr als öffentlich warnen kann die Bafin aber nicht. Denn die Betreiber sitzen meist im Ausland. Die Hintermänner dazu zu bringen, die Webseiten zu schließen, ist schwierig. Die Bafin sei ohnehin keine Strafverfolgungsbehörde, die beispielsweise Straftaten wie Betrug nachgeht, teilt sie mit. „Unsere Aufgabe ist die Gefahrenabwehr“, sagte eine Sprecherin.

Was also können Verbraucher tun, um sich zu schützen? „Früher waren die Betrugsangebote leicht daran zu erkennen, dass absurd hohe Zinsen versprochen wurden”, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Heute seien die Kriminellen cleverer und lockten mit ähnlichen Zinsen wie die seriösen Anbieter. Nauhauser rät Verbrauchern, zu schauen, ob es ein Impressum gibt und der dort eingetragene Firmenname auch in der Datenbank der Bafin auftaucht.

Wie man sich vor betrügerischen Finanzangeboten schützt

Das funktioniert aber nicht bei Vermittlern: Wenn eine Internetseite also lediglich Angebote lizensierter Kreditinstitute wie etwa großer Banken vermittelt, dann braucht sie dafür keine entsprechende Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz. Bietet also eine Internetseite ein Festgeldkonto einer Bank an und Verbraucher sind sich unsicher, müssten sie bei der Bank nachfragen, ob sie mit dem Vermittler wirklich zusammenarbeitet. Einen Sonderfall gibt es aber doch: Vermittelt eine Internetseite Angebote an Kreditinstitute außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums, dann braucht es doch wieder eine Genehmigung. Stellt sich nur die Frage, warum Kunden in Deutschland auf ein Festgeldkonto zum Beispiel in Thailand setzen sollten.

Um die Seriosität eines Zinsversprechens einzuschätzen, lohnt sich zudem ein Blick auf Vergleichsportale wie etwa von Check24, Verivox oder Webseiten wie Finanztip. Auch eine Plausibilitätsprüfung kann helfen: Hat die Firma ihren Sitz nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Land, kann das schon ein Warnsignal sein. Es lassen sich auch oft negative Kommentare in Foren zu solch dubiosen Anbietern finden, etwa bei Trustpilot. Auch warnen Kanzleien manchmal öffentlich vor Betrug.

Die Vorsichtsmaßnahmen sind dabei einfach: Es kann sinnvoll sein, einfach mal den Namen des Anbieters in Verbindung mit ein paar weiteren Schlagworten wie „Betrug“ zu googlen. Auch wie alt eine Finanzfirma ist, lässt sich herausfinden, etwa über Eintragungen im Handelsregister, die öffentlich zugänglich sind. Wer Widersprüche findet, sollte lieber zu einem anderen Anbieter gehen.