Proteste auf dem Münchner Marienplatz (Bild: imago/zuma Wire)

Wie der Westen per Swift-Ausschluss Russland den Geldhahn zudrehen kann

Die USA und Europa überlegen, Russland vom internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen. Oder zumindest, ihm Dollargeschäfte unmöglich zu machen. Die Finanzleitungen ließen sich schnell kappen. Aber die Konsequenzen wären auch für den Westen gravierend.

Die Drohung hatten die westlichen Staaten bereits formuliert, nun wird es ernst: Die europäischen Staaten und Amerika könnten Präsident Putin wegen seines Truppeneinmarsches in der Ukraine unter Druck setzen, indem sie die Leitungen des globalen Finanzverbunds Swift nach Russland kappen. Das würde Russland finanziell isolieren, denn über die Finanzverbindungen des Swift-Systems läuft die Nachrichtenweiterleitung zu sämtlichen Finanztransaktionen weltweit.

Damit könnte der Westen tatsächlich Russland vom internationalen Zahlungssystem ausschließen. Die Folge wäre, dass sämtliche russischen Banken, Unternehmen und auch Finanzbehörden keine Zahlungen mehr ins Ausland tätigen könnten oder aus dem Ausland erhielten. Die Kappung dieser finanziellen Versorgungslinie gilt als schärfstes Schwert der internationalen Sanktionen. Sie ist aber nicht die einzige Möglichkeit – und ginge überdies auch nicht schadlos am Westen vorbei.

Das ist auch der Grund, weswegen die westlichen Staaten und die Mitglieder des Bankennetzwerks Swift bereits im Vorfeld heftig diskutierten, ob ein Ausschluss Russlands umgesetzt werden solle. Denn eine so weitreichende Entscheidung würde zuallererst auch die weltweiten Finanzmärkte in Aufruhr versetzen und sie destabilisieren. Die Gefahr von Marktverwerfungen wäre also groß.

Die Entscheidung über den Ausschluss obliegt generell dem Gesamtverbund der angeschlossenen Banken aus den wirtschaftsstärksten Ländern, der sich grundsätzlich als neutrale Institution versteht. Doch auch ohne die große Swift-Keule können einzelne Länder bereits im Alleingang Sanktionen umsetzen, die Russland finanziell hart treffen: Die amerikanische Regierung etwa hat bereits den US-Geldhäusern verboten, Transaktionen mit großen russischen Banken zu tätigen, zudem soll der Handel mit russischen Staatsanleihen und die Geldversorgung von Putin-Unterstützern unterbunden werden.

Russland ist auf den Transfer von Dollars angewiesen

Die britische Regierung fror ebenfalls das Vermögen russischer Oligarchen ein. Zudem schnürte die Europäische Union ein Sanktionspaket, mit dem Reisebeschränkungen und Kontensperren gegen Banken und Unternehmen greifen sollen, die das russische Militär in den Separatistenregionen finanzieren. Und Russlands Zugang zum europäischen Finanzmarkt soll eingeschränkt werden, indem dort nicht mehr mit kurzlaufenden russischen Staatspapieren gehandelt werden soll – die oft zur Besicherung von Geschäften eingesetzt werden.

Darüber hinaus können die USA auch Russland auf die sogenannte SDN-Liste setzen, die Liste der unerwünschten Nationen und Personen. Dann würden die Vermögenswerte russischer Firmen und Oligarchen eingefroren und es wären ebenfalls keine Zahlungsabwicklungen mehr zwischen amerikanischen Banken und russischen Empfängern über das amerikanische Bankensystem möglich.

Und ohne amerikanische Banken können weltweit nur sehr schwer internationale Dollargeschäfte abgewickelt werden. Auf den Transfer von Dollars aber ist Russland angewiesen, wenn es weiterhin Öl und Gas auf den Weltmärkten verkaufen will oder an ausländische Abnehmer. Zwar hatte sich das Land des Kremlchefs schon im Dezember mit doppelt so vielen Dollardevisenreserven eingedeckt wie üblich – um für den Fall eines Rubelabsturzes gewappnet zu sein und dennoch liquide Mittel in Fremdwährung zu haben. Und russische Banken könnten trotz allem innerhalb Russlands weiterhin Dollar transferieren. Doch Geschäfte mit dem Ausland würden dann nur noch funktionieren, sofern mindestens eine Großbank nicht von den US-Sanktionen betroffen wäre. Oder wenn alle Beteiligten auf Bitcoin-Zahlungen umsteigen. Auch deshalb hat Putin jüngst den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel angeschoben.

Swift-Ausschluss: der ultimative Geldknüppel

Käme es nun wirklich zum Ausschluss Russlands aus dem Swift-System, hätte das noch weitreichendere Folgen, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Ein paar Male hat der Swift-Verbund schon Sanktionen gegen bestimmte Staaten durchgesetzt, indem er die Swift-Verbindungen unterbrach: Auf diesem Weg setzen westliche Staaten Sanktionen gegen den Iran 2012 und 2018 durch, gegen Nordkorea 2017 und gegen die afghanischen Taliban 2021. Auch als Putin 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, kam die Forderung nach einem Swift-Ausschluss auf.

Wie er funktioniert – und vor allem, warum er so umfassend wirkt, dass ihn manche als eine „finanzielle Atombombe“ bezeichnen, lässt sich so erklären: Das Swift-System gibt es seit 1973 und es ist eine Infrastruktur für den elektronischen Informationsaustausch zwischen so gut wie allen Banken weltweit. Mehr als 11.000 Banken in rund 200 Ländern sind angeschlossen. Das Leitungssystem gehört den Banken selbst und ist in Form einer Genossenschaft organisiert, die nicht gewinnorientiert arbeitet und ihren Sitz im kleinen Ort La Hulpe in Belgien hat. Das Ziel des Swift-Systems ist es, den Datenaustausch zwischen Banken rund um den Globus nahezu in Echtzeit zu gewährleisten, so werden Überweisungen und der gesamte weltweite Zahlungsverkehr erst möglich. Rund 40 Millionen Transfers laufen täglich über das System.

Über die Swift-Leitungen verbuchen die Banken jedoch nicht die Überweisungen selbst, sondern sie erhalten nur die Nachrichten der zu tätigenden Transaktionen. In einem einheitlichen Datenformat. Zudem stellen sie über den geschützten Datenaustausch sicher, dass die Informationen korrekt sind genau wie die Sender- und Empfängerbanken.

Denn jede Bank hat im System einen einmaligen Code, er entspricht der BIC-Code. Darüber sind die Handelnden identifizierbar – und genau darüber kann man auch in Sekundenbruchteilen erkennen, ob eine russische Bank oder Behörde an einem Geldtransfer beteiligt ist. Denn selbst, wenn russische Firmen Strohmänner im Ausland einsetzen würden, sie müssten ja das Geld irgendwann in die Heimat transferieren, wenn russische Unternehmen weiterarbeiten können und ihre Ausgaben und Mitarbeiter bezahlen können sollen.

Sämtliche Swift-Daten laufen bei europäischen Beteiligten über europäische Datenzentren in den Niederlanden und der Schweiz. Sobald amerikanische Banken beteiligt sind, oder sollen Zahlungen in Dollar angewiesen werden, laufen die Nachrichten über Server in den USA. Ein Verbund der Zentralbanken der G10-Staaten überwacht das System. Und auch wenn es Millionen Buchungen täglich sind, so lässt sich schnell programmieren, dass alle Nachrichten an russische Banken geblockt werden.

Für Russland werden Auslandsgeschäfte aufwändiger und teurer

Aber schneidet man damit nun Russlands Zugang zu den Finanzmärkten ab? Kaum, „wir kommen auch ohne Swift klar“, so sagte es der russische Zentralbankchef. Denn seit die EU wegen der Krim-Annektion diskutierte, Russland von Swift auszuschließen, arbeiten die russische Behörden am eigenen Zahlungssystem, dem SPFS. Es hat zwar bei weitem noch nicht so viele Mitgliedsbanken und deckt erst jede fünfte Zahlungsinformation dort ab, es ist wohl auch als nicht ganz so integer, aber dafür sind eine Reihe russischer Anrainerstaaten bereits angeschlossen. Zudem planen Russland und China, das ebenfalls ein eigenes System unterhält, einen Zusammenschluss ihrer Systeme.

So könnte Russland auf dem Umweg über Nachbarstaaten weiter Geld ins Land lenken, wenn auch langsamer und zu höheren Kosten. Es müsste also nicht fürchten, künftig gar keine Geschäfte mit dem Ausland mehr abwickeln zu können. Das wäre sonst fatal, denn Russland profitiert zwar davon, dass es einen extrem großen Binnenmarkt hat, der für genügend heimische Nachfrage sorgt.

Doch 46 Prozent seines Bruttosozialprodukts hängen am Außenhandel, dabei ist Deutschland immerhin einer der drei wichtigsten Im- und Exportpartner. Vor allem lebt Russlands Wirtschaft vom Verkauf von Öl und Gas, es ist einer der größten Energieproduzenten der Welt. Und genau hier lauert nun die Gefahr für den Rest der Welt, vor allem für Europa und Deutschland.

Gemessen an der Gesamtsumme von 80 Milliarden Euro Handelsvolumen jährlich klingt es zwar verkraftbar, wenn Russland wegen der Sanktionen als Handelspartner der Bundesrepublik wegfiele. „Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung in Russland und des damit verbundenen Exportrückgangs auf die deutsche Volkswirtschaft insgesamt sind begrenzt“, so drückt es auch das Bundeswirtschaftsministerium aus. Doch liefert Russland immerhin 40 Prozent des Erdgases, das hierzulande verbraucht wird. Weitere rund 30 Prozent kommen aus den Niederlanden, 20 Prozent aus Norwegen, ein kleiner Teil auch aus heimischer Förderung. Würden also mit der Swift-Connection auch die Öl- und Erdgaslieferungen aus Russland gekappt, ließe das wohl gerade in den Wintermonaten weiter die Heinzenergiepreise explodieren. Russland dagegen würde sich wohl an China wenden, um sein Öl und Gas weiterhin ins Ausland loszuwerden.

Wie wenig sich Putin von seiner Haupteinnahmequelle abbringen lässt, zeigt ja gerade das Beispiel der Krim: Die Öl- und Gasvorkommen vor der ukrainischen Halbinsel dürften ja wohl der Grund für deren Annektion gewesen sein. Jahrelang arbeitete der Kremlchef zudem daran, das Monopol-Transitland Ukraine auszuschalten, über dessen Territorium jede russische Pipeline lief – indem er Verträge schloss für Pipelines durchs Schwarze Meer und die Ostsee. Wird er von all dem abrücken, nur weil man ihn von ein paar Datenleitungen abklemmt? Recht sicher ist indes, dass es für den Westen teuer wird, wenn es so käme. Dann hätten Amerika und Europa zwar die Zahlungsströme unter Kontrolle, nicht aber die Energieversorgung. Und ohne Energie die läuft die hiesige Wirtschaft ebenso wenig wie die russische ohne Geld.

Dieser Artikel erschien zuerst im Capital Magazin, Ausgabe 3/2022, und auf Capital.de.