Tax2Tech-Event: Wie sieht der Steuermarkt der Zukunft aus?
Steuern – das klingt furchtbar langweilig. Aber erstens bleibt niemand von dem Thema verschont, und zweitens dürfte spätestens nach der letzten spektakulären Finanzierungsrunde von Taxfix klar sein, dass der Steuermarkt vor großen Umbrüchen steht. Um die Weichen für die Zukunft nicht gegeneinander, sondern miteinander zu stellen, fand jetzt das erste „Tax2Tech“-Event statt.
Unter dem Motto „2022: Steuer Odyssey – Aufbruch in neue Steuerwelten“ trafen sich die jungen Wilden und die alten Hasen der Steuerbranche am 12. Mai in Berlin. Finance Forward war als Medienpartner dabei und schon die Location im Halleschen Haus ließ erkennen, dass es sich hier nicht um ein klassisches Steuerevent handelt. Von Kontist angestoßen, hatte sich in den letzten Monaten ein 12-köpfiges Veranstalter-Team zusammengefunden, um ein Treffen in entspannter Atmosphäre auf die Beine zu stellen, bei dem sich Technologieanbieter gemeinsam mit Steuerberatern über ihre Herausforderungen austauschen.
Gemeinsam statt einsam
Nachdem die rund hundert Gäste eingetrudelt waren und ihr Mittagessen verspeist hatten – um den lockeren Austausch zu fördern, stand bereits um 12 Uhr der Wein auf dem Tisch – sprach Christian Stender von KPMG in seiner Keynote über die „Evolution des Steuermarktes“ und zeigte auf, dass der Steuermarkt heute in viele kleine Inseln unterteilt ist, deren Bewohner effizienter, einfacher und besser arbeiten könnten, würde man gemeinsam auf einer großen Insel sitzen.
Danach startete das erste Panel, moderiert von Fintech-Experte Maik Klotz. Unter dem Titel „Können wir Steuern dechiffrieren?“ fragten sich die Panelisten, wie sich ein effizienteres und gerechteres Steuersystem durch Technologie schaffen ließe. Sie diskutierten über die Frage, ob das Finanzamt zugunsten einer höheren Automatisierung nicht auch mal fünfe gerade sein lassen sollte. Müssen wirklich alle Prozesse auf Ausnahmefälle, also einzelne, potenzielle Steuersünder ausgelegt sein? Dadurch wird das ganze Steuersystem auch für zig Millionen ehrliche Steuerpflichtige kompliziert. Wäre es nicht besser, wenn die gesamte Steuer-Berechnungslogik, ähnlich wie im Open Banking, offengelegt wird?
Denn als große Herausforderung der Technologieanbieter erwies sich, dass jeder im stillen Kämmerlein versucht, seine Prozesse auf die nicht-öffentlichen Algorithmen der Finanzverwaltung hin zu optimieren. Wäre es nicht toll, so fragten sich die Panelisten am Ende, gemeinsam an einer industrieweiten Open-Source-Lösung zu arbeiten, von der alle profitieren würden? Das wäre eine kleine Revolution.
Endgegner: Die deutschen Steuerberatungsgesetze
Um die Gesetzgebung ging es im zweiten Panel „Regulatorik in Deutschland – Fluch oder Riesenchance für die Tech-Branche?“. Der deutsche Steuerberatungsmarkt ist stark reguliert und hat hohe Einstiegsbarrieren. Das hat nicht nur Einfluss darauf, wer sich Steuerberater nennen darf, sondern beeinflusst auch alle TaxTech-Unternehmen. Die Panelisten diskutierten darüber, ob die starke Regulation ein Fluch ist, weil sie innovative Ideen unterbindet, Fortschritt verlangsamt und dadurch auch Investoren abschreckt. Oder ob dieses spezielle Ökosystem in Deutschland sogar ein Segen ist für TaxTech-Anbieter, weil es einen Markt erst ermöglicht und vor Konkurrenz aus dem Ausland abschirmt.
Auch wenn bei allen Diskussionen der Kundennutzen im Vordergrund stand – am Ende des Tages wollen die Marktteilnehmer Geld verdienen. Deswegen servierte Björn Waide von Haufe-Lexware kurz vor dem Dinner einen Impulsvortrag zum Thema „Prozessoptimierung war gestern. Mit Digitalisierung zu neuen Geschäftsmodellen.“ Am Beispiel der Grundsteuer zeigte er auf, wie Digitalisierung dabei helfen kann, Geschäftsmodelle umzusetzen, die bisher nicht möglich sind. Dabei zitierte er den Gassenhauer des früheren Vorstandsvorsitzenden von Teléfonica Deutschland: „Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren, haben Sie einen scheiß digitalen Prozess¡.
„Tech ist toll, aber ohne Menschen geht es nicht“: Das sagen die Veranstalter
Die Tax2Tech war ein lockeres Event mit spannenden Diskussionen und schreit nach Wiederholung im nächsten Jahr. Am Ende haben wir einige der Organisatoren gefragt, welche Erkenntnisse sie mit nach Hause nehmen:
Dr. Roger Gothmann, Taxdoo
„TaxTech im B2C-Bereich genießt aktuell die größte Aufmerksamkeit, Stichwort Einkommensteuer-Apps. Die Musik spielt langfristig aber im Bereich B2B. Außerdem muss TaxTech eine gewisse Arroganz ablegen, wenn es um Software geht, die in Kanzleien eingesetzt wird. Hier wird häufig noch die Perspektive der Anwender – also die der Steuerfachangestellten oder Buchhalter – außen vor gelassen.“
Daniel Terwesche, Newgen AG
„Der Name „Tax with Tech“ hätte auch gepasst: Aufgeschlossene Steuerberater möchten die Tax2Tech-Branche mitgestalten. Und es bewahrheitet sich halt immer wieder: Coole Leute kennen coole Leute. Auf der Tax2Tech-Veranstaltung waren viele coole Leute auf einem Haufen.“
Inga Krämer, Fino:
„So unterschiedlich alle Teilnehmer und unsere Firmen sind, so sehr treibt uns ein Ziel um: Mit Hilfe von Technologie die Steuerwelt zu revolutionieren. Um Zeit zu schaffen, die Wertschöpfung am Menschen ermöglicht, anstatt die Zeit für Fleißthemen nutzen zu müssen. Aus diesem gemeinsamen Verständnis unseres Auftrags ergibt sich die ehrliche Bereitschaft, gemeinsam an Themen, z.B. an einem Open-Source-Berechnungskerns zu arbeiten.
Melchior Neumann, Kontist Steuerberatung:
„Wir stehen mit TaxTech erst ganz am Anfang! Bisher gibt es erst wenige Player, aber wenn man die Ideen, Ambitionen und Umsetzungsstärke der versammelten Teilnehmer anschaut, kann man nur zum Schluss kommen, dass TaxTech das nächste große Ding ist. Die Tax2Tech war ein unglaublich inspirierendes Aufeinandertreffen von Tech-Unternehmen und Steuerberatern mit der gemeinsamen Erkenntnis: Es geht nicht ohne das Fachwissen und es geht nicht ohne Technologie. Wir schaffen das nur gemeinsam und indem wir über den Tellerand blicken! Die Hands-on-Mentalität war in jedem Vortrag, Panel und Gespräch zu spüren.“
Christian Stender, KPMG:
„TaxTech ist ein wesentlicher Bereich, um langfristig im Bereich der Steuerberatung erfolgreich zu sein. Es geht darum, die Masse an Daten aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln, den richtigen Regeln zu unterwerfen und dann für unterschiedliche Compliance-Anforderungen bereitzustellen.“
Björn Matz, Haufe Group:
„Bei all dem Wunsch nach Digitalisierung dürfen wir die Menschen dahinter nicht vergessen. Oftmals betrachten wir Digitalisierung als selbstverständlich, aber das ist es nicht, denn nicht alle sind damit vertraut, die in dem Prozess von steuerlichen Fragen von Relevanz sind. Wir sollten uns enger mit allen Beteiligten verzahnen, um zu verstehen, an welcher Stelle der Prozesskette was erforderlich ist – seitens der Technik und seitens der menschlichen Kompetenz.“