Auf diese vier Prinzipien setzt Scott Galloway beim Geldanlegen
Scott Galloway ist Unternehmer, Social-Media-Ikone und Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Ob Kritik an der Marktmacht von GAFA, Analysen von Geschäftsmodellen oder Lob für die Tech-Regulierung der EU – Galloways Blick und Prognosen auf die Digital-Branche haben es immer in sich. In seinem neuen Buch „Die Algebra des Geldes“ skizziert er seine Formel für finanziellen Wohlstand. Ein Auszug.
„Ist finanzielle Freiheit möglich? Die gute Nachricht lautet: Ja! Die schlechte: Es braucht Zeit, bis sich Ihr Vermögen wie von selbst vermehrt“, schreibt Scott Galloway in seinem Buch. Wer einige praktische Tipps beherzigt, könne die Zeit aber auf ein Minimum reduzieren. Dies gelte besonders bei der Geldanlage.
Das sogenannte Daytrading – also der kurzfristige Kauf und Verkauf von Aktien innerhalb eines Handelstages – gehört Galloway zufolge nicht dazu. „Beim Investieren in Bullenmärkten geht die Verwechslung von Glück mit Talent unter der Wirkung von Dopaminen rasch mal viral“, schreibt er. Schließen seien Broker nur zu gerne bereit, die Sucht ihrer Kunden zu bedienen. „Diabetes, Bluthochdruck und das Teilen eines Screenshots Ihrer Robinhood- Gewinne sind Krankheiten unseres Industriezeitalters, gegen die unsere Instinkte machtlos sind“, so Galloway weiter.
Anlegern rät er deshalb in seinem Buch:
1. Seien Sie kein Lemming!
Wenn alle in dieselbe Richtung laufen, geht der Überblick verloren und mit ihm unser Geld. Wenn alle nach rechts laufen, gehen Sie nach links. Fließt Geld in einen bestimmten Sektor, kann im ersten Augenblick ein Markt entstehen, da für den Start eines Trends eine gewisse Menge an Kapital erforderlich ist. Doch je mehr Geld fließt, desto höher wird der Einstiegspreis und desto niedriger die Rendite. Wenn alle Welt Eigentumswohnungen in Miami kauft oder Geld für einen Studienkredit aufnehmen kann, steigt der Preis für Eigentumswohnungen und Bildung (Inflation), und die Rendite sinkt. Je mehr Schulden Sie für Ihr Studium aufnehmen, desto weniger ist Ihr Abschluss unterm Strich wert.
In den letzten achtzig Jahren bot ein College-Abbschluss eine enorme Rendite. Meine Kollegen von der Universität und ich, wir stellen uns seit Jahrzehnten Tag für Tag ein und dieselbe Frage: „Wie kann ich meine Vergütung erhöhen und gleichzeitig meine Rechenschaftspflicht verringern?“ Das daraus resultierende Streben nach einer Positionierung im Luxussektor und die massiven Erhöhungen der Studiengebühren haben einen Großteil der mit einem Collegeabschluss verbundenen Rendite aufgezehrt. Annähernd ein Drittel aller amerikanischen Akademiker sind nicht in der Lage, ihre Studienkredite zurückzuzahlen, so wie der allzu starke Zulauf den Renditen zugesetzt hat.
2. Misstrauen Sie Ihren Gefühlen
Alles, was mehr Risiko birgt als ein Sparkonto, wird auch mal schlechte Tage haben. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass das dazugehört, und drehen Sie nicht gleich durch, wenn es passiert. Letztlich bestimmt Ihre Toleranz für Verluste, wie weit Sie sich auf der Risikoleiter nach oben wagen sollten.
Falls Sie mal einen Verlust erleiden, lernen Sie daraus. Machen Sie einen Selbstcheck: Wie schwer hat Sie der Schlag psychologisch getroffen? Wie lange brauchen Sie, um ihn zu überwinden? Es ist ein guter Indikator dafür, ob Sie fürs aktive Investieren geeignet sind. Checken Sie Ihre Strategie. Der Milliardär und Investor Ray Dalio ist geradezu davon besessen, aus Verlusten zu lernen. Sein Buch “Die Prinzipien des Erfolgs” ist ein mehrere Hundert Seiten langer Vortrag über die rigorose Analyse Ihrer Fehler und wie Sie aus ihnen lernen.
Er predigt, den eigenen Entscheidungsprozess detailliert schriftlich festzuhalten und dann später zu überprüfen, um dahinterzukommen, was man falsch gemacht hat und wie man diesen Fehler künftig vermeiden kann: „Am häufigsten beobachte ich den Fehler, dass Menschen ihre Probleme als einmalige Angelegenheiten verstehen, statt mit ihrer Hilfe zu diagnostizieren, wie ihre Maschine funktioniert, um sie verbessern zu können … Eine gründliche und genaue Diagnose ist zwar zeitaufwendiger, wird aber in Zukunft riesige Dividenden bezahlen.“ Mir fehlt Rays Disziplin (wer hat die schon?), aber wann immer ich mir die Zeit genommen habe, gründlich darüber nachzudenken, was ich falsch gemacht habe – bei einer Investition, einer Geschäftsentscheidung, einer Beziehung –, dann hat mir das, Rays Versprechen gemäß, immer „riesige Dividenden“ gebracht.
Das hat auch Auswirkungen auf die „guten“ Tage. Nehmen Sie Profite bereitwillig mit. Schnellt eine Anlage in die Höhe, sei es, weil Sie bei einer Meme-Aktie richtig geraten haben oder Ihr Startup an die Börse gegangen ist, nehmen Sie einen satten Teil dieses Wachstums aus dieser Anlage heraus und diversifizieren Sie. Gefühlsmäßig werden Sie sich dagegen sträuben, weil Sie denken, Sie hätten den Bogen raus, und wo Sie gestern gewonnen haben, werden Sie morgen wieder gewinnen. Aber die Schwerkraft und die Rückkehr zum Mittelwert sind eiserne Gesetze des finanziellen Universums. Auf jede Geschichte über einen Unternehmer, der für den Ankauf von Unternehmensaktien eine Hypothek auf Haus und Hof aufgenommen hat und damit megareich geworden ist, kommen Hunderte von Leuten, die auf ebendiese Weise pleite gegangen sind. Ich habe immer wieder auf Red Envelope (ein 1997 von mir gegründetes Unternehmen) gesetzt, und mit 40 war ich so gut wie pleite. Nehmen Sie die Gewinne ruhig mit, Sie haben sie sich verdient, und hoffen Sie, dass der Verkauf sich als Fehler erweist.
3. Finger weg vom Daytrading
Die Grenze zwischen aktivem Investieren und Zocken ist gerade beim Daytrading schmal, aber sofort deutlich erkennbar, hat man sie erst einmal überschritten. Und wahrscheinlich stehen Sie mit dieser Erkenntnis dann nicht allein. Beim Investieren in Bullenmärkten geht die Verwechslung von Glück mit Talent unter der Wirkung von Dopaminen rasch mal viral. Und die Maklerhäuser sind nur zu gerne bereit, Ihre Sucht zu bedienen. Diabetes, Bluthochdruck und das Teilen eines Screenshots Ihrer Robinhood- Gewinne sind Krankheiten unseres Industriezeitalters, gegen die unsere Instinkte machtlos sind.
Trading, also der Handel mit Aktien im Unterschied zum „Investieren“, kann einem durchaus wie produktive Arbeit vorkommen. Ist es aber nicht. Es ist ein Glücksspiel, nur mit schlechteren Gewinnchancen als im Casino und ohne Gratisgetränke. Einer Studie von 2020 zufolge erzielten nur 3 Prozent aller aktiven Privatanleger über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg überhaupt einen Gewinn. Während der jüngsten Daytrading-Epidemie entdeckten Millionen von (meist) jungen, durch Covid ans Haus gefesselten Männern Apps wie Robinhood mit ihrem Dopamine freisetzenden Konfetti- Feature und der rund um die Uhr laufende, äußerst volatile Kryptohandel wurde zu ihrer bevorzugten Droge.
Die meisten Daytrader werden es überstehen, sie kommen mit erschwinglichen Verlusten davon – die meisten, wie gesagt. Für viele jedoch sehen die Folgen düsterer aus. Junge Männer sind besonders gefährdet, da sie risikofreudiger sind. Neun von zehn Daytradern sind Männer, und 14 Prozent der jungen Männer, die zocken, werden süchtig (im Gegensatz zu 3 Prozent der Frauen). Die meisten vertragen Glücksspiele, ohne gleich süchtig zu werden, so wie die meisten von uns nicht gleich dem Alkoholismus verfallen, wenn sie mal etwas trinken. Wie gesagt: die meisten von uns.
4. Bleiben Sie in Bewegung
Eines Ihrer wirkungsvollsten Instrumente zum Vermögensaufbau besteht darin, Ihre wichtigste Ressource (Ihre Zeit) auf Märkte mit höheren Renditen zu verlagern. Das gilt umso mehr, je jünger Sie sind. Einer der Gründe, aus denen die amerikanische Wirtschaft in den letzten zwei Jahrhunderten schneller und beständiger gewachsen ist als jede andere, findet sich in unserer DNA, die uns anhält, in Bewegung zu bleiben: „Auf nach Westen, junger Mann!“ Gerade als junger Mensch sollten Sie die geografische Flexibilität als Vorteil gegenüber älteren Kollegen sehen, die wahrscheinlich festere Wurzeln haben und entsprechend nicht so flexibel sind. Aber auch ungeachtet Ihres Alters sollten Sie stets ein Auge auf den Horizont haben – vielleicht tut sich da ja eine Gelegenheit auf.
Die erkannte und genutzte „Arbitrage“ eines Umzugs von einem Bundesstaat mit hohen in einen mit niedrigen Steuern kann lebensverändernd sein. In mehreren Bundesstaaten, darunter Florida, Texas und Washington, zahlt man keine Einkommensteuer. (Washington hat kürzlich eine Kapitalertragssteuer eingeführt, allerdings mit hohen Abzugsmöglichkeiten.) Aber die Einkommensteuer ist nicht die einzige Überlegung – staatliche Leistungen wollen irgendwie bezahlt werden, und so gibt es in Staaten mit niedrigeren Einkommensteuern oft höhere Umsatz- oder Grundsteuern.
Dennoch variiert die Gesamtsteuerbelastung von Staat zu Staat erheblich und je nach Einkommen und Ausgabenprofil können die Unterschiede beträchtlich sein. Wenn Sie aus Bundesstaaten mit notorisch hoher Steuerlast wie New York und Kalifornien wegziehen, können Sie jedes Jahr mehr als zehn Prozent Ihres Bruttoeinkommens einsparen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, die Entwicklung Ihrer Einkommensteuer im Auge zu behalten und obendrein die Disziplin, Ihre Steuerersparnisse zu investieren, sind Sie auf dem besten Weg, Ihre langfristigen Anlageziele zu erreichen. Natürlich hat Ihr Wohnort nicht nur wirtschaftliche, sondern auch erhebliche persönliche Konsequenzen. Aber wenn Sie sich die verschiedenen Stellenangebote, Mieten und andere Faktoren unterschiedlicher Wohnorte ansehen, sollten Sie die steuerlichen Implikationen zumindest berücksichtigen.
Aus: Scott Galloway „Die Algebra des Geldes“, Ariston 2024. 352 Seiten. 22,00 Euro.