Wie sich SAP zum Rivalen der Deutschen Bank aufschwingt
Am Donnerstag verkündete SAP die Übernahme von Taulia, einem hochgewetteten US-Fintech. „Das ist ein ganz klarer Angriff auf die Banken“, sagt ein Branchenkenner. Eine Einordnung.
Als SAP im vergangenen Jahr sein Core-Banking-Angebot abschob – da ließ sich der Schritt auch als partielle Abkehr von der (deutschen) Bankenbranche verstehen. Kernbanken-Systeme? Das war für den global agierenden, branchenübergreifend denkenden Software-Riesen nur noch ein Nischenthema. Denn: Will man sich als SAP wirklich mit der Hamburger Sparkasse (wechselte 2019 von SAP zur Finanz Informatik) herumschlagen? Oder mit der Bank für Sozialwirtschaft (wechselte 2021 von SAP zur heutigen Atruvia)? Eben! Wollte man offenkundig nicht mehr. Also weg damit.
Am Donnerstag hat die Beziehung zwischen SAP und der deutschen Kreditwirtschaft nun allerdings die nächste Wendung genommen. Und zwar im Sinne von: Wenn Banken als Kunden an Relevanz verlieren – muss man dann überhaupt noch Rücksicht auf sie nehmen?
Was ist passiert: SAP hat die Übernahme von Taulia verkündet, einem hochgewetteten US-Fintech, das eine auch von diversen deutschen Unternehmen (Lidl, Henkel, angeblich auch Aldi …) genutzte sogenannte „Supply Chain Finance“-Plattform betreibt. Auf den ersten Blick mag das eine aus Sicht eines Softwarekonzerns leicht abseitige Akquisition sein – auf den zweiten allerdings schon nicht mehr so sehr.
Denn: Zu den eifrigsten Nutzern von SAP-Lösungen innerhalb von Konzernen gehören die Finanzabteilungen. Diese verwenden beispielsweise für ihr „Enterprise Resource Planning“ (also zur Ressourcenplanung) die SAP-Software „S4/HANA“. Und: Sie verwenden für ihr „Procurement“ (also für den Einkauf) die SAP-Software „Ariba“.
SAP erbringt nun auch Dienste, die eigentlich Banken erbringen
Das mit „Ariba“ und das mit „S4/HANA“ kann den Banken mehr oder weniger egal sein. Das sind ja keine Dienstleistungen, die Unternehmen klassischerweise von Kreditinstituten beziehen. Anders liegen die Dinge nun jedoch bei Taulia. Mit diesem Deal dringt SAP nämlich hinein ins Firmenkundengeschäft der Banken.
Was ist Taulia (mal abgesehen von Taulias unfreiwilliger Rolle im Greensill-Skandal)? Über Taulia und ähnliche Plattformen können Konzerne die frühzeitige Bezahlung ihrer Lieferanten sicherstellen, ohne selber von ihren Zahlungszielen abzurücken. Vereinfacht gesagt: Der Lieferant hätte sein Geld gern sofort. Der Abnehmer (=Konzern) möchte aber erst nach 30, 60 oder 90 Tagen zahlen. Also braucht es jemanden, der die Zwischenfinanzierung übernimmt. Klassischerweise ist das eine Dienstleistung, die von Banken kommt. Fintechs wie Taulia, Traxpay (aus Frankfurt), CRX Markets (aus München) oder auch 2CFO (ein US-Fintech, an dem die Allianz beteiligt ist) machen sich aber nun daran, diese Finanzierungsform zu plattformisieren.
Für die Banken gibt es nun zwei Wege hiermit umzugehen. Entweder, sie fokussieren sich auf die Rolle als Kreditgeber – so machen es zum Beispiel die Unicredit oder JP Morgan, die zu den größten Finanzierern auf der Taulia-Plattform gehören. Oder, sie wollen selber Plattform sein. Diesen Weg geht nach unserem Verständnis die Deutsche Bank. So kündigten die Frankfurter Ende 2018 gemeinsam mit einer Handvoll anderer internationaler Großbanken die Gründung einer eigenen Plattform für Handelsfinanzierungen an.
Mittlerweile scheint dieses „Trade Information Network“ genannte Angebot tatsächlich live zu sein. Zwar bleibt unklar, wie viel Geschäft die Deutsche Bank hierüber schon abwickelt. Woran es aber wenig Zweifel gibt: Das größte hiesige Geldhaus sieht in „Suppy Chain Finance“ ein Zukunftsgeschäft. So beteiligten sich die „Deutsche“ nicht nur am „Trade Information Network“, sondern kauften sich vor gut einem Jahr auch beim bereits erwähnten Frankfurter Anbieter Traxpay ein.
„Das ist ein ganz klarer Angriff auf die Banken“
Mit anderen Worten: Wenn SAP nun Taulia übernimmt – dann positioniert sich der Walldorfer Softwarekonzern als unmittelbarer Wettbewerber der Deutschen Bank. Ein Branchenkenner, mit dem wir gestern sprachen, sagt: „Das ist ein ganz klarer Angriff auf die Banken. Das was Paypal im B2C-Payment geschafft hat, das will SAP im B2B-Geschäft nachmachen.“
Ein anderer Insider interpretiert den Vorgang genauso: „Schon jetzt ist Taulia ein ernsthafter Herausforderer für die Banken. Mit SAP im Rücken könnte daraus eine richtig Macht werden. Insofern geht der Deal eindeutig gegen die Banken. Taulia war das fehlende Puzzlestück. Jetzt hat SAP alle Zutaten beisammen, um einen Marktplatz im Sinne von Amazon oder Paypal zu schaffen, halt nur für B2B.“
Was der Konstellation zusätzliche Pikanterie verleiht: Als die Deutsche Bank vor einigen Monaten einen Dienstleister für das Thema „Private Cloud“ suchte – da entschied sich IT-Chef Bernd Leukert (bis 2019 im Vorstand von SAP) für den US-Anbieter Oracle. Und gegen SAP.