Billionenschwere Erbwelle rollt an – dieses Startup hilft bei Streitigkeiten
In den kommenden Jahrzehnten werden horrende Vermögen vererbt, auch durch große Immobilienbestände der Babyboomer. Unter vielen Erben dürfte das zu komplizierten Streitigkeiten führen. Das Startup Remedium wittert das große Geschäft.
Millennials hatten es nicht immer leicht. Lange Jahre waren sie die Pointe in den meisten Witzen über faule, junge Leute. Die Rolle haben sie mittlerweile an die Generation Z abgegeben. Und als Entschädigung für viele Jahre des Spottes können sie sich nun gar auf nie dagewesenen Reichtum freuen. Einer Untersuchung der Immobilienberatung Knight Frank zufolge werden sie in den kommenden 20 Jahren über 80 Billionen Euro erben, vor allem von der Generation der Babyboomer.
Also Ende gut, alles gut? Keinesfalls. Denn wer schon einmal geerbt hat, weiß, dass die Abwicklung eines Nachlasses massiven Ärger mit sich bringen kann. Vor allem, wenn es mehrere Erben gibt, die in einer Erbengemeinschaft organisiert sind und das Erbe aus Immobilien besteht.
Dann bricht oft Streit aus. Soll das Haus der Eltern verkauft werden oder will eines der Kinder vielleicht lieber dort einziehen? „Wir stellen fest, dass es gerade unter Kindern, die von ihren Eltern erben, vermehrt zu Zerwürfnissen kommt“, berichtet Ulf Schönenberg-Wessel. Der Rechtsanwalt und Notar ist stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat im Deutschen Anwaltverein (DAV) und beschäftigt sich viel mit der Vermögensnachfolge. „Die Bereitschaft, den Nachlass selbst abzuwickeln, nimmt ab“, sagt er. Auf lange Erbstreitigkeiten haben viele also keine Lust.
Eine Lösung für alle Seiten
Remedium will sich dabei auf ein bestimmtes Szenario konzentrieren: Es geht um den Fall, dass mehrere Erben eine Immobilie vermacht bekommen, keiner von ihnen darin wohnen will und die eine Seite ihr Erbe direkt zu Geld machen möchte. Denn sonst funktioniert das Geschäftsmodell laut Co-Gründer Kania nicht.
Remedium kauft dann der einen Partei ihr Immobilienerbe ab. „Für den haltewilligen Teil kümmern wir uns um die Verwaltung und organisieren gebotene Renovierungsmaßnahmen, um Mieten und Verbrauch zu optimieren“, so Kania: “Wir formalisieren dies in einer notariell beurkundeten Miteigentümervereinbarung.“
Streitfälle enden oft in Zwangsversteigerung
So soll eine Win-Win-Situation geschaffen werden. Der eine Erbe bekommt Geld für seinen Anteil, der andere die erhofften regelmäßigen Mieteinnahmen und Wertentwicklung des Objekts. Remedium verspricht vertraglich, an Bord zu bleiben und nicht doch plötzlich eine Zwangsversteigerung zu erzwingen. Finanzieren wollen die Gründer das Ganze über Finanzierungspartner, etwa durch Rahmenkredite. “Langfristig wollen wir diese Teileignerschaft als Assetklasse etablieren”, sagt Kania.
Rechtsanwalt Ulf Schönenberg-Wessel kennt solche und vergleichbare Modelle schon seit vielen Jahren. „Professionelle Käufer von Erbanteilen gibt es schon lange“, sagt er. Sie kommen immer dann ins Spiel, wenn die Erben unterschiedlicher Meinung sind. Oft würden sie allerdings den Plan verfolgen, eine Zwangsversteigerung zu erwirken, um einen schnellen Erlös zu erzielen oder das gesamte Objekt zu übernehmen.
Rechtlich ist das kein Problem. „Erbengemeinschaften sind von Rechts wegen darauf ausgelegt, dass sie aufgelöst werden“, so Schönenberg-Wessel. Im Idealfall gelingt das, indem sich die Erben einigen. Ansonsten können sie auch einen Notar beauftragen, einen Vorschlag zu machen und das Erbe in Form einer Nachlassauseinandersetzung aufzuteilen. „Wenn es keine Einigung gibt, kann aber auch jeder einzelne Miterbe eine Teilungsversteigerung beantragen“, erklärt er. Als letzte Möglichkeit gibt es auch noch die Nachlassinsolvenz, die dann in einem Verkauf durch den Insolvenzverwalter münden dürfte.
Auch Verkauf kann Abschluss bieten
Remedium will die Streitfälle ohne einen kompletten Verkauf lösen. Natürlich nicht uneigennützig: „Wir kaufen die Teile zu einem Abschlag zum Marktpreis“, sagt Co-Gründer Lindenstreich: „In der Regel liegt unser Angebot 15 bis 25 Prozent darunter.“ Das sei allerdings immer noch weniger als bei einer Zwangsversteigerung zu erwarten sei, wo die Abschläge eher bei 30 bis 40 Prozent lägen.
In der Folge will Remedium dann den Wert der Objekte mit Renovierungen heben, dazu kommen regelmäßige Mieteinnahmen, die es sich mit dem anderen Erben teilt. Dank des Discounts im Einkauf soll sich jedes einzelne Objekt möglichst schnell rechnen. Noch steht das Projekt der beiden Ex-Banker am Anfang. „Wir haben ohne Marketingausgaben eine Ankaufspipeline von etwa 20 Millionen Euro akkumuliert und die Umsetzung gestartet“, so Kania.
Ob das kooperative Modell also funktioniert, bleibt abzuwarten. Dass sich mit der Auflösung von uneinigen Erbengemeinschaften allerdings ein gutes Geschäft machen lässt, ist bereits klar. Unternehmen wie die Erbteilung GmbH aus Oberbayern betreiben es schon lange, und durchaus erfolgreich, wie Geschäftsführer Manfred Gabler berichtet. „Wir haben pro Jahr 2.500 bis 3.000 Fälle“, erklärt er. Erbteilung wird von Einzelerben damit beauftragt, die Abwicklung zu übernehmen.
„90 Prozent der Leute haben schon mehrere Anwälte hinter sich“
Meist passiere das nach langwierigem Streit, meint Gabler. „Rund 90 Prozent der Leute, die zu uns kommen, haben schon mehrere Anwälte hinter sich.“ Die Zustimmung der anderen Erben ist für den Auftrag irrelevant. „Wir lassen die Tür natürlich offen“, so der Chef: „Aber unsere Lösungsmodelle funktionieren vor allem, weil sie nicht auf die Zustimmung aller Erben angewiesen sind.“
Fälle wählt Gabler nach sorgfältiger Prüfung aus, denn Erbteilung wird prozentual am Erlös des Erbes beteiligt. 18 bis 23 Prozent sei in etwa die Spanne. „Im Gegensatz zu Juristen, die Erbgemeinschaften auflösen, ist es uns also wichtig, möglichst wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, sagt Gabler. Die Auswahl an möglichen Helfern ist für die „Generation Erbe“ also groß. Anwälte, Verwalter und Verkäufer können unschöne Erbkonstellationen auflösen. Man könnte aber auch versuchen, sich einfach zu einigen – ganz ohne Abschlag.