EU-Entwurf enthält „Payment for Order Flow“-Verbot
Exklusiv: Dokumente, die Finance Forward vorliegen, zeigen: Die EU-Kommission will die sogenannten „Payment for Order Flow“-Zahlungen im Retail-Brokerage verbieten. Eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen für Trade Republic und Co.
Die EU-Kommission scheint tatsächlich gewillt, die sogenannten „Payment for Order Flow“-Zahlungen im Retail-Brokerage zu verbieten – was die wichtigste Ertragsquelle unter anderem des deutsche Vorzeige-Fintechs Trade Republic versiegen lassen würde. In einem Finanz-Szene.de und Finance Forward vorliegenden Entwurf zur Reform der Europäische Finanzmarktverordnung (Mifir) heißt es wörtlich: „The following Article 39a is inserted: ‘Ban on payment for forwarding client orders for execution: Investment firms acting on behalf of clients shall not receive any fee or commission or non-monetary benefits from any third party for forwarding client orders to such third party for their execution.’“ Frei übersetzt: Die Annahme von Provisionen von Drittparteien bei der Weitergabe von Wertpapierordern ist zukünftig untersagt.
Stattdessen holt Brüssel nun die ganz große Keule raus – jedenfalls, wenn es die Formulierungen zum „Payment for Order-Flow“-Verbot tatsächlich in die finale Fassung des Mifir-Entwurfs schaffen sollte. Wie ernst es der zuständigen Kommissarin Mairead McGuinness zu sein scheint, geht aus der Kommentierung des eigenen Vorschlags hervor. Dort heißt es, die Änderungen würden „ein Ende der kontroversen Praxis“ bedeuten, dass Retail-Broker „von bestimmten Hochfrequenz-Händlern für die Abwicklung von Handelsaufträgen provisioniert werden“. Unter diese Formulierung fallen auch die Entgelte, die Trade Republic von der Handelsplattform Lang & Schwarz erhält und die es dem Berliner Neobroker erlauben, den eigenen Endkunden gerade mal 1 Euro pro Order in Rechnung zu stellen.
Wie die EU das „Payment for Order Flow“-Verbot begründet
Mit dem geplanten Verbot verknüpft die EU-Kommision dem uns vorliegenden Entwurf zufolge die explizite Erwartung, dass die Handelsaufträge der Endkunden in einen „transparenten Markt“ geleitet werden sollen. In Verbindung mit der „Consolidated Tape“-Regelung müssten sich die Abwickler die Order-Flows der Retail-Anleger in Zukunft gewissermaßen verdienen. Die EU-Kommission begründet ihr harsches Vorgehen unter anderem damit, dass sieben bis zehn Prozent des täglichen Handelsvolumens inzwischen auf Retail-Anleger entfielen und das Geschäft weiter wachse.
Ein Verbot der „Payment for Order Flow“-Provisionen würde das Geschäftsmodell von Trade Republic in seiner heutigen Form infrage stellen. Wie Finanz-Szene kürzlich exklusiv berichtete, hatte der Berliner Neobroker im Geschäftsjahr 2019/2020 Provisionserträge in Höhe von knapp 27 Millionen Euro erzielt; für das jüngst zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 2020/2021 schätzen wir die entsprechenden Umsätze sogar auf 75 bis 100 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte davon dürfte aus „Payment for Order Flow“ stammen. Ohne „PFOF“-Zahlungen müssten Trade Republic und andere Neobroker ihre Erträge an anderer Stelle generieren – etwa über eine Erhöhung der Endkundenpreise (siehe zum Verständnis auch unser Uralt-Stück -> Das Geschäftsmodell des Null-Gebühren-Brokers Trade Republic).
Freilich lassen sich nicht nur die Neobroker von den Handelsplätzen, über die sie ihre Kauf- und Verkaufsorders abwickeln, hierfür bezahlen. Klassische Online-Broker wie Flatex oder die ING Diba wenden die Praxis ebenfalls an, sind von den Erträgen allerdings weniger abhängig. Gewinner eines etwaigen Verbots könnten somit die Platzhirsche sein, die ihren Endkunden deutlich höhere Gebühren abverlangen als Trade Republic, Justtrade, Gratisbroker oder Scalable Capital dies tun.
Hier setzt auch die Kritik vieler Neobroker an. Sie werfen den Banken vor, im Hintergrund massiv für ein „PFOF“-Verbot lobbyiert zu haben, um die eigenen Geschäftsmodelle zu stützen. Die Argumentation der Neobroker lautet sinngemäß: ein Euro pro Order mit einem „PFOF“-Modell zu zahlen sei für den Endkunden stets vorteilhafter, als das Mehrfache an Entgelt bei etablierten Wettbewerbern zu berappen.