Ruja Ignatova, die „Krypto-Queen“ (Bild: PR)

Der Milliardenbetrug der Krypto-Königin

Über 3,3 Milliarden Euro steckten Investoren in die vermeintliche Kryptowährung Onecoin. Mittlerweile ist klar: Die Währung ist wertlos. Was über den vermutlich größten Kryptoskandal aller Zeiten bekannt ist. 

Tausende Besucher schauten erwartungsvoll nach vorne, als Onecoin-Gründerin Dr. Ruja Ignatova im Juni 2016 die Bühne des Londoner Wembley-Stadion betrat. Sie jubelten, klatschten, feierten Ignatova als „Krypto-Queen“, während sie ihre Rede hielt. „Über eine Million Händler werden Onecoin in zwei Jahren akzeptieren“, kündigte Ignatova an. Die Kryptowährung Onecoin werde der neue Bitcoin, noch besser: der Bitcoin-Killer. In zwei Jahren werde es die Kryptowährung mit den meisten Transaktionen weltweit sein.

Zu einer Zeit, in der Menschen mit wenigen Bitcoin ein Vermögen gemacht hatten, war Ignatovas Rede ein reines Versprechen von Glück und Wohlstand. Den nächsten Krypto-Hype wollten die Anleger nicht verpassen, diesmal wollten sie früh genug dabei sein.

Der ständig steigende Preis von Onecoin schien ihnen zunächst recht zu geben: Der Kurs kletterte von einem halben Euro im Januar 2015 auf zwei Euro im August 2015. Heute soll er bei 29,95 Euro liegen. Doch Ignatovas Versprechen traten nicht ein – im Gegenteil. Mittlerweile ist klar: Der Onecoin-Kurs ist manipuliert, die vermeintliche Währung wertlos, Onecoin der bisher wohl größte Krypto-Betrug weltweit – der immer noch andauert. Promoter der Währung drehen die wertlosen Coins weiterhin Privatanlegern an.

Finance Forward und Capital beantworten die wichtigsten Fragen zum Milliarden-Kryptoskandal.

War Onecoin ein typischer ICO-Scam?

Ja und nein. Bei Initial Coin Offerings (ICO) bieten Unternehmen Coins oder Token an, die auf einer Blockchain ausgegeben sind. Token sind eine Art Gutschein, die Investoren später gegen das eigentliche Angebot des Unternehmens eintauschen können, zum Beispiel eine Kryptowährung. Wer früh genug einsteigt, kann also zu einem günstigen Preis dabeisein, ähnlich wie an der Börse. Im Gegensatz zu einem klassischen Börsengang (IPO) waren ICOs lange nicht reguliert und boten Anbietern daher die Möglichkeit zum Betrug. Sie konnte zum Beispiel das Produkt, das entstehen soll, hochjubeln, ohne es überhaupt zu entwickeln. Die Nachfrage und der Preis der Token stieg dann und die Investoren bereicherten sich auf Kosten der Anleger.

So ähnlich machte es bisher auch Onecoin. Die Promoter des Projekts versprachen, dass Onecoin die weitverbreitetste Kryptowährung weltweit werden würde. Allerdings verkauft das Unternehmen weder Coins noch Token direkt.

Wie funktioniert Onecoin dann?

Onecoin verkauft Anlegern sogenannte Bildungspakete. Mit den Paketen erhalten sie Zugriff auf ein Online-Portal mit einigen Handbüchern und Videos zu Onecoin und Kryptowährungen und – je nach Paket – eine festgelegte Menge Token. Gegen die Token lassen sich über Onecoins Server angeblich Onecoin minen – natürlich mittels Blockchain. Das zumindest verspricht das Unternehmen den Anlegern. Je früher Anleger einstiegen, desto mehr Onecoin gab es für die Token.

Außerdem hatte Onecoin in der Vergangenheit immer wieder versprochen, dass man die vermeintliche Währung bald öffentlich würde handeln können. Der Wert der Währung ergebe sich durch eine steigende Nachfrage, versprach Onecoin. Tatsächlich entstand der Kurs anders. Eine Blockchain hat es wohl nie gegeben – das Mining ist eine Simulation. Der Kurs von Onecoin entsteht nicht am Markt. Onecoin-Mitarbeiter können ihn beliebig festlegen.

Warum investierten so viele Menschen in Onecoin?

Erstens versprach Onecoin zur Hochzeit des Bitcoin-Hypes, das nächste große Ding zu sein. Zweitens setzten die Köpfe hinter Onecoin von Anfang an auf Netzwerk-Marketing. Wirbt ein Anleger einen weiteren, erhält er eine Provision. Und nicht nur er, sondern auch derjenige, der ihn zuvor angeworben hat. Das ist an sich nicht illegal. Steht aber kein Wert hinter dem Produkt, ist es ein klassisches Schneeballsystem, das sich nur durch den Verkauf weiterer Produkte aufrechterhalten lässt. Und drittens überzeugte Onecoin-Gründerin Ruja Ignatova die Anleger mit ihrer vermeintlichen Seriosität.

Wer steckt hinter Onecoin?

Ignatova sorgte mit ihren Reden, Youtube-Videos und nicht zuletzt mit ihrem Lebenslauf für Vertrauen. Sie kann Abschlüsse der Universitäten Konstanz und Oxford vorweisen und promovierte in Jura. Später arbeitete sie als Finanzexpertin.

Ihr Bruder Konstantin Ignatov und ihre Mutter waren ebenfalls in die Onecoin-Geschäfte verstrickt. Ihr Bruder leitete später sogar das Unternehmen. Daneben vermarkteten skrupellose Netzwerkmarketer weltweit die angebliche Währung. 3,3 Milliarden Euro steckten Investoren insgesamt in Onecoin.

Was hat Onecoin mit Deutschland zu tun?

Zum einen sind da die Gründerin und ihr Bruder, die beide in Deutschland zur Schule gingen. Ignatova studierte und promovierte an der Universität Konstanz.

Dann sind da die Investoren: Nach Daten, die Capital und Finance Forward vorliegen, hatte Onecoin bis zum dritten Quartal 2016 über 50.000 Anleger in Deutschland – weltweit waren es zu dem Zeitpunkt über zwei Millionen.

Und: Die Grevener Firma International Marketing Services GmbH eröffnete als eines von mehreren Unternehmen weltweit für Onecoin Konten bei Banken und sammelte Anlegergelder ein. Zwischen Dezember 2015 und Dezember 2016 flossen über IMS rund 360 Millionen Euro an Onecoin. Die Bafin konnten 2017 noch 29 Millionen sicherstellen.

Was ist der aktuelle Stand der Ermittlungen?

In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld im Fall Onecoin gegen acht Personen. Die Vorwürfe: Verdacht auf Betrug und Geldwäsche, progressive Kundenwerbung sowie die Erbringung von Finanzdienstleistungen und Zahlungsdiensten ohne Erlaubnis. Es sei nicht absehbar, wann die Ermittlungen abgeschlossen werden könnten, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
In den USA ist man bereits weiter. Dort wurde im März 2019 Konstantin Ignatov festgenommen, der zu dem Zeitpunkt an der Spitze von Onecoin stand. Mark Scott, ein US-amerikanischer Anwalt, wurde im November von einer Jury für schuldig befunden und wartet derzeit auf sein Urteil. Er hat etwa 400 Millionen Dollar an Onecoin-Erlösen gewaschen. Er erhielt dafür mehr als 50 Millionen Dollar, mit denen er Luxusautos, eine Yacht und mehrere Häuser am Meer kaufte.

Haben deutsche Anleger eine Chance, ihr Geld zurückzubekommen?

Einige deutsche Rechtsanwälte beraten Onecoin-Geschädigte. Ob diese eine Chance haben, ihr Geld zurückzubekommen, ist fraglich. Der Anwalt Christian Hensel von der Kanzlei Herfurtner sagt, Schadensersatzansprüche der Anleger gegenüber Onecoin-Vermittlern seien denkbar, sofern diese ihre Opfer im Vorfeld zum Beitritt zu Onecoin beraten hätten. Darüber hinaus seien auch Ansprüche gegenüber den Betreibern und Hintermännern von Onecoin möglich. Allerdings sind diese in Deutschland bisher nicht strafrechtlich verurteilt.

Auf die von der Bafin eingefrorenen 29 Millionen Euro können wohl nur einige Geschädigte hoffen. Die Behörde hat gegenüber der IMS angeordnet, die Gelder – soweit diese nicht einer Pfändung unterliegen – an diejenigen Einzahler zurück zu überweisen, die zuletzt ihr Geld an die IMS überwiesen hatten. Bei 360 Millionen Euro Einzahlungen bei der IMS in einem Jahr dürfte die Summe nur reichen, um einen kleinen Teil der Onecoin-Käufer zu entschädigen.

Die ganze Geschichte über den Milliardenbetrug der Krypto-Queen gibt es in der aktuellen Capital-Ausgabe 02/2020. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop, hier zur Digital-Ausgabe bei iTunes und GooglePlay. Mittlerweile ist der Artikel auch auf Capital.de online verfügbar.