Die Linkedin-Agentur Swinx aus Berlin (Bild: FFWD).

Finanz-Promis lassen sich über Linkedin-Agentur buchen – und wollen plötzlich nichts mehr damit zu tun haben

Über das Influencer-Netzwerk Swinx kann man für monatlich 3.900 Euro Beiträge buchen, unter anderem bei prominenten Managern aus der Finanzwelt. Doch mehrere Influencer reagieren bei einer Anfrage von Finance Forward überrascht, dass sie in dem Influencer-Netzwerk von Swinx überhaupt auftauchen. Sie wollten eigentlich keine buchbaren Influencer sein.

Es begann alles mit einem ganz normalen Post im Karriere-Netzwerk Linkedin, in dem sich ein Schweizer Banker ganz alltägliche Fragen vorknöpfte: Welche Auswirkungen haben die Zinserhöhungen? Wie hartnäckig ist die Inflation? Und was bedeutet all das eigentlich für das eigene Portfolio? Gut drei Monate ist es jetzt her, dass Matthias Geissbühler, Chief Investment Officer der Raiffeisen Bank, offenbar beschloss, dass eine Einordnung der Lage vonnöten sei. In einem gut zwei Minuten langen Video fragte er den Experten Carsten Roemheld vom Finanzdienstleister Fidelity, wo die Welt der Finanzen denn gerade stehe. Es wäre ein Kunststück der Zentralbanken, wenn sie es hinbekommen würden, „eine sanfte Landung der Konjunktur zu fabrizieren“, sagt der Fidelity-Manager in die Kamera. Vorsichtiges Handeln sei angebracht.

Das Video sollte auf den ersten Blick zur Diskussion über die Finanzmärkte anregen. 94 Mal wurde darauf mit einem Emoji reagiert, es gab vier Kommentare und eine Person teilte den Beitrag direkt. Auf den zweiten Blick sollte das Video dann offenbar aber noch viel mehr bewirken: In diesem Fall wollten sich Carsten Roehmheld und sein Arbeitgeber Fidelity International offenbar als Experten für derartige Fragen „positionieren“. Ganz von alleine auf die Idee, Roehmfeld zu befragen, kam der Schweizer Banker Geissbühler übrigens auch nicht.

Dahinter steht die Linkedin-Influencer-Agentur Swinx, die für 3.900 Euro im Monat auf dem Netzwerk Unternehmen und Personen bewirbt – über sie ist der Beitrag zustande gekommen. Wenn Unternehmen wollen, dass Menschen wie Geissbühler entweder über sie auf Linkedin sprechen oder – noch besser – mit ihnen reden, dann können sie sich an die Agentur aus Berlin wenden. Es sind einige Banker und Geldmanager dabei: Von Dirk Kannacher, Vorstandsmitglied der GLS Bank, über Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, bis hin zum Cleantech-Investor und Grünen-Großspender Jochen Wermuth: Die Liste der Personen, die Swinx zu seinem Netzwerk zählt, lässt sich lange fortführen. Viele stammen aus dem Personalbereich, manche haben einen Finanzhintergrund, auch Gründer sind darunter. „Wir sorgen dafür, dass Influencer auf Linkedin über ihr Unternehmen sprechen“, heißt es auf der Homepage von Swinx. „Sie werden als Lösungsanbieter auf Knopfdruck einer großen Zahl von B2B-Entscheidern nachhaltig bekannt.“

Sind die entsprechenden Beiträge als Werbung gekennzeichnet?

Es ist eine Liste, die gleich eine ganze Reihe von Fragen aufwirft: Sind also all diese Menschen bereit, gegen Geld über mehr oder weniger informative Posts Werbung für andere Unternehmen zu machen? Wie viel Geld erhält ein Influencer für einen Beitrag? Sind die entsprechenden Beiträge als Werbung gekennzeichnet? Und falls nicht: Wie glaubhaft sind diese Linkedin-Größen dann überhaupt noch?

Arian Ruß hat Swinx gegründet. Auf Anfrage antwortet Ruß nur fünf Minuten später und schlägt einen Termin für ein Telefongespräch vor. Es ist nicht das erste mal, dass Ruß mit Medien spricht. Er hat beispielsweise schon in einem Podcast seine Idee erklärt.

Linkedin funktioniere vor allem für Personen-Marken, sagt er. Das könnten etwa profilierte Mitarbeiter sein oder auch die Führungsriege eines Unternehmens, die ihr Wissen mit ihrer Zielgruppe teilen. Auf die Idee, Unternehmen mit exponierten Personen zusammenzubringen, kam Ruß nach eigenen Angaben schon vor einigen Jahren. Immer mehr Content sei damals auf der Plattform hochgeladen worden, schildert er seine damalige Beobachtung. Und genau das habe Linkedin auch für Marketing-Unternehmer wie ihn interessant gemacht.

Linkedin wächst in Deutschland stark

Ruß hat ganz offenbar einen guten Zeitpunkt erwischt, um mit Swinx loszulegen. Die Zahl der Linkedin-Mitglieder im deutschsprachigen Raum ist in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. Im Frühjahr 2018 waren es nach Angaben des Netzwerks noch zwölf Millionen Menschen, heute hat das Portal mehr als 20 Millionen Mitglieder. „Unser hiesiger Umsatz macht Deutschland für Linkedin zum drittstärksten Markt weltweit“, teilt ein Sprecher mit. Hinsichtlich des Engagements der Mitglieder sei Deutschland der am schnellsten wachsende europäische Markt und weltweit der zweitgrößte, nur in Indien geht es noch schneller.

Der Agentur-Gründer ist recht offen in diesem ersten Gespräch. Im Nachgang wird er auch Beispiele für von ihm vermittelte und organisierte Linkedin-Posts nennen. Wer seine Agentur engagiert, zahlt bei einer Vertragslaufzeit von sechs Monaten laut Webseite 3.900 Euro pro Monat. Eine kurzfristige Eventpromotion kostet einmalig mindestens 5.900 Euro. Ruß verdient also durch seine Vernetzung und die Vorbereitung der Beiträge, der Unternehmenskunde erhält mehr Wahrnehmung und der Influencer bekommt für seinen Einsatz Geld. Nur: Warum machen das Spiel auch so viele gut verdienende Menschen mit, die es eigentlich gar nicht nötig hätten?

GLS Bank und Allianz wenden sich ab

Finance Forward und Capital haben fünf Personen aus dem Finanzbereich kontaktiert, die laut Swinx zum Netzwerk gehören. Wenige Zeit später verschwinden die fünf allesamt von der Webseite der Agentur. Vier von ihnen haben mindestens einen Beitrag veröffentlicht, der ihnen von Swinx vermittelt wurde.

Zu ihnen zählt Dirk Kannacher von der GLS Bank. Auch er hat in einem Video mit Roemheld von Fidelity gesprochen. Geld wäre dabei für ihn auch drin gewesen, auch wenn er es nicht selbst angenommen habe, wie er gegenüber Finance Forward und Capital betont. „Swinx hat die 1.000 Euro direkt für einen Schulbau in Kenia gespendet“, sagt er. Die Anfrage sei für ihn damals stimmig gewesen, so Kannacher. Er habe nun aber doch veranlasst, sich von der Liste von Swinx nehmen zu lassen – „da Ihre Fragen mir zeigen, dass ich mit meinen Linkedin-Beiträgen als Vorstand der GLS Bank wahrgenommen werde.“ Denn Teil der Marketingstrategie der nachhaltigen Bank sei es nicht, solche Beiträge zu machen.

Gelistet hatte Swinx auch Bettina Dietsche, Chief People und Culture Officer bei der Allianz. In der Liste der Agentur wurde Dietsche dann gleich mal zur „Vorstandsvorsitzenden / Chief Operating Officer“ gemacht. Die Allianz teilt mit, dass Dietsche keine Influencerin sei, Projekte mit Swinx habe der Konzern auch nicht. „Frau Dietsche hat zudem keinen bezahlten, von Swinx vermittelten Beitrag veröffentlicht“, sagt eine Sprecherin.

„Wir waren schockiert“

Investor Jochen Wermuth tauchte ebenfalls bei Swinx auf, genauso wie Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse. Wermuth lässt über seinen Sprecher angeben, nicht von der Auflistung gewusst zu haben. Auf weitere Fragen, um welche Beiträge es gehe und wie viel Geld er bekommen habe, möchte er nicht antworten. Die Wiener Börse gibt an, dass Boschan tatsächlich einen entsprechenden Beitrag veröffentlicht hat. Wieder ging es um ein simuliertes Expertengespräch mit Fidelity. „Aufgrund der Anfrage von Fidelity haben wir einmalig einen von Swinx organisierten Experten-Beitrag auf Social Media gemacht“, teilt eine Sprecherin mit. „Herr Boschan hat für seinen Beitrag kein Geld angenommen.“ Für eine Listung als Influencer bei Swinx habe es nie eine Freigabe gegeben. Inzwischen werden Boschan und Wermuth nicht mehr bei Swinx aufgeführt.

Auch der Arbeitgeber von Matthias Geissbühler gibt sich überrascht. „Wir waren schockiert, dass Herr Geissbühler dort als Influencer dargestellt wird“, teilt ein Sprecher von Raiffeisen Schweiz mit. „Er wird dort ohne seine Einwilligung gelistet.“ Dabei ist es streng genommen gar nicht falsch von Swinx, den Manager von Raiffeisen Schweiz zu benennen: Er hat von der Agentur vermittelte Beiträge über sein Profil veröffentlicht. Geissbühler bekomme normalerweise kein Geld für seine Posts, so der Sprecher weiter. In den konkreten Fällen sei lediglich eine Aufwandsentschädigung geflossen. Wie hoch die war, gibt der Sprecher nicht an, macht aber klar: „Wir als Raiffeisen haben damit gar nichts zu tun.“ Inzwischen listet Swinx auch Geissbühler nicht mehr auf.

Das Netzwerk selbst hat keine expliziten Regeln formuliert

Geissbühlers drei Beiträge waren zu Beginn der Recherche zudem nicht als „Anzeige“ gekennzeichnet. Das hat er inzwischen nachgeholt. Auch der Beitrag von Kannacher von der GLS Bank war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht entsprechend gekennzeichnet. Dabei hatte Swinx-Gründer Ruß im Gespräch explizit angegeben, dass Beiträge ordentlich als Anzeige gekennzeichnet würden.

Linkedin selbst hat für Influencer-Beiträge keine expliziten Regeln formuliert. Auf Anfrage verweist das Netzwerk darauf, dass „alle Mitglieder sich verpflichten, alle für sie geltenden Gesetze und Vorschriften einzuhalten“. Bei gängigen sozialen Netzwerken wie Instagram oder Youtube müssten solche Beiträge in jedem Fall als Werbung gekennzeichnet werden, erläutert Oliver Brexl, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Geistiges Eigentum & Medien im Deutschen Anwaltverein. Bei dem Karrierenetzwerk könnte der Fall womöglich etwas anders sein. „Bei sehr vielen Beiträgen auf Linkedin handelt es sich streng genommen um Werbung, und wenn es nur Eigenwerbung ist, aber das erwarten und erkennen die Nutzer“, sagt der Anwalt. Fließt für einen solchen Post jedoch Geld, ohne das deutlich zu machen, dann sei das vermutlich nicht lauter. „Das ist mir dann eine Spur zu viel, denn man kann dem Post nicht ansehen, ob es eine echte oder eine gekaufte Meinung ist“, so Brexl.

Sie wollen keine buchbaren Influencer sein

Am Ende wollte sich keiner der kontaktierten Linkedin-Promis als buchbarer Influencer sehen. Entsprechende Beiträge hat der eine oder andere aber dennoch veröffentlicht. Warum Jochen Wermuth und Matthias Geissbühler das gemacht haben, ließen beide unbeantwortet. Bleiben noch zwei Fragen an Swinx-Gründer Ruß selbst: Wie kann es sein, dass dann doch nicht alle Beiträge als Anzeige korrekt bezeichnet werden? Und wie kommt er darauf, all die Personen einfach so auf seiner Seite zu nennen?

Ruß möchte diese Fragen ganz offenbar nicht mehr beantworten. Als Capital und Finance Forward ihn noch einmal kontaktieren, antwortet er lediglich per E-Mail, dass alle von ihm im ersten Gespräch getätigten Aussagen vertraulich gewesen seien und keinerlei Informationen veröffentlicht werden dürften.