Vor allem junge Menschen werden mit Kredit-Angeboten im Internet gelockt (Bild: IMAGO / Panthermedia).

Kleinkredite im Internet: Wie sich junge Menschen verschulden

Um kleine Verbraucherkredite hat sich ein großer Markt gebildet. Die Anbieter versprechen günstige Kreditkonditionen und sprechen vor allem junge Menschen an. Wird eine EU-Richtlinie dem ein Ende setzen?

Die Werbeclaims sind vielversprechend: „Minikredit mit Sofortauszahlung“ oder „in 24h Geld auf dem Konto“ – Anbieter wie Cashper, Auxmoney oder Vexcash locken damit online. Wer Probleme hat, seine nächste Rate, Miete oder Autoreparatur zu bezahlen, wird da hellhörig. Es sind vor allem Angebote, die mit kurzer Laufzeit, niedrigen Zinsen und schneller Auszahlung werben – ganz ohne Schufa-Abfrage und große Bonitätsprüfung.

Das Geschäft mit Kleinkrediten hat entsprechend Konjunktur: Die Anzahl der aufgenommenen Kleinkredite unter 1.000 Euro stieg laut Schufa von knapp über zwei Milliarden Euro im Jahr 2021 auf über 4,3 Milliarden im Jahr 2022. Mit mehr als 42 Prozent stellen Kleinkredite aktuell sogar den größten Anteil aller neu aufgenommenen Kredite da. Noch vor einigen Jahren waren das Kredite jenseits der 10.000 Euro, die Menschen beispielsweise für die Renovierung eines Hauses aufgenommen hatten.

Doch so nützlich die kleinen Kredite in bestimmten Situationen auch sein können, so gefährlich sind sie, wenn Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer es nicht mehr schaffen, die Raten zu zahlen. In einer Umfrage der Verbraucherzentralen gaben 19 Prozent der Befragten an, dass sie aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten Schwierigkeiten haben, ihren Kredit zu tilgen.

Besonders junge Menschen sind davon betroffen. Unter den 16- bis 29-Jährigen gaben fast ein Drittel der Befragten an, dass es ihnen schwerfällt, ihre Kreditschulden zurückzuzahlen. Besonders wenn Verbraucherinnen und Verbraucher bereits laufende Kredite haben, können die Kleinkredite sie in die Schuldenspirale führen, warnen Verbraucherschützer. Sie sehen den Trend hin zu immer kleineren Krediten deshalb kritisch. Eine EU-Richtlinie könnte dem bald den Riegel vorschieben. Doch reicht das? Und wo liegen die Gefahren für junge Menschen?

Besonders junge Menschen nutzen die Mini-Kredite

Bei der jungen Zielgruppe sind Kleinkredite besonders beliebt, hat die Auskunftei Schufa herausgefunden. Dabei handelt es sich häufig um sogenannte Buy-Now-Pay-Later-Angebote: Kaufe jetzt, zahle später. „Das sind beispielsweise Studenten oder Auszubildende, die nur ein kleines Einkommen haben, sich aber trotzdem etwas leisten möchten“, sagt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. In einer Umfrage der Bankenaufsicht Bafin gab knapp die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen an, dass Überziehungskredite für sie kein Tabu seien, 20 Prozent nutzen Ratenzahlungen über ihre Kreditkarte und viele sind zudem über die Kreditkonditionen nicht richtig informiert. Die durchschnittliche Kredithöhe bei 18- bis 19-Jährigen beträgt 312 Euro, bei den 20- bis 24-Jährigen 321 Euro.

Die Bafin fand bei einem Test heraus, dass 80 Prozent der Kreditanfragen nach Konsumkrediten bewilligt wurden, obwohl die Hälfte der Testkäuferinnen und Testkäufer nur eine schlechte Bonität vorweisen konnte. Bei 70 Prozent der Käufe fragten Anbieter nach dem freien Einkommen. Nach Miet- und Lebenshaltungskosten erkundigten sich nur die Hälfte der Firmen und nur 17 Prozent fragten nach bereits bestehenden Krediten. Auffällig war, dass nur bei zwei von 24 Onlinekäufen sowohl nach dem Einkommen als auch nach den Ausgaben gefragt wurde. „Junge Menschen haben oft noch wenig Erfahrung mit Finanzprodukten“, so Mai. „Sie können oft nicht einschätzen, wann ein Angebot für sie nachteilig ist“, sagt er. „Besonders alarmierend ist, dass Anbieter von Minikrediten gezielt Werbemaßnahmen einsetzen, um vor allem junge und finanziell unerfahrene Menschen anzusprechen“, heißt es bei der Verbraucherzentrale. „Dabei werden die Risiken der Kredite oft heruntergespielt oder gar nicht erst erwähnt.“

Bonitätsprüfung oft nur oberflächlich

Anbieter werben derweil auf sozialen Medien und im Fernsehen mit niedrigen Hürden für den Abschluss von Krediten. Sie locken damit, trotz schlechter Schufa-Auskunft einfach einen Kredit zu bekommen: Die Verbraucherzentralen bemängeln unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfungen. Oft fragen Kreditgeber lediglich nach den individuellen Einnahmen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und nicht nach Ausgaben. „Auch ohne wirkliche Bonitätsprüfung an einen Kredit zu kommen, widerspricht den Interessen der Verbraucher“, sagt Mai.

„Du willst ausziehen. Musst dich dafür bei der Bank aber erst ausziehen. Finde den Fehler“, heißt es in einem Werbespot der Plattform Auxmoney. Man könnte es so verstehen: Bei uns musst du weniger Angaben machen. Doch prüft Auxmoney deshalb gar nicht? Danach gefragt heißt es: Das im Werbespot erwähnte „Ausziehen“ vor dem Bankberater symbolisiere die Hürden, die viele Menschen bei traditionellen Banken empfänden. „Diese stehen sinnbildlich für die gefühlte Notwendigkeit, sich in solchen Gesprächen rechtfertigen zu müssen.“ Wie in der Werbung üblich, seien Botschaften bewusst verkürzt und zugespitzt, „um kreditinteressierte Personen auf das Produkt aufmerksam zu machen“, heißt es vom Unternehmen.

Trotzdem sei das oberste Ziel von Auxmoney, „Kredite verantwortungsvoll zu vergeben“. Dazu gehörten auch Kreditwürdigkeitsprüfungen, die über die üblichen hinausgingen. Dabei nutze man „eine Vielzahl zusätzlicher digitaler Datenpunkte wie Open-Banking-Daten und weitere externe Daten“. Dadurch könne das Unternehmen ein „differenzierteres und realistischeres Bild der finanziellen Situation“ der Kundinnen und Kunden gewinnen. Zudem verwende man Daten von externen Daten-Providern beispielsweise aus dem E-Commerce. Darüber hinaus beobachte man das Verhalten der Interessenten auf der Seite – beispielsweise, ob jemand mehrfach versuche, mit unterschiedlichen Angaben ein Angebot zu erhalten. Banken etwa „schließen von Anfang an viele Personengruppen aus und nennen das ‚Qualifikationsfilter ‘“, so wolle man nicht vorgehen. Interessenten ziehen sich also doch aus.

Bei anderen Anbietern müssen die Kredit-Interessenten für eine schnelle Überweisung zusätzliche Gebühren zu einem hohen Preis bezahlen. So verlangt der Anbieter Cashper eine Zusatzgebühr von 39 Euro für eine schnelle Auszahlung in 24 Stunden. Bei Kleinkrediten kann der effektive Zins, der eigentlich auf das Jahr gerechnet etwa bei 13 Prozent liegt, mit diesen Kosten auf über 600 Prozent steigen. Vexcash, ein anderer Anbieter, berechnete für eine „bevorzugte Bearbeitung“ 69 Euro monatliche Gebühr. Diese Optionen sind teilweise beim Abschluss schon ausgewählt. Wer nicht aufpasst, bucht die Zusatzkosten also mit, ohne sie ausgewählt zu haben. Auf eine Anfrage antworteten die Anbieter Cashper und Vexcash bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht.

Minikredite von Vorschriften ausgenommen

Verbraucherschützer wie Mai oder Kerstin Föller warnen zudem davor, dass bei Krediten bestimmte Zusatzversicherungen wie Kreditratenversicherungen verkauft werden. Auf Bewertungsportalen berichten mutmaßliche Kundinnen und Kunden von Maxda, dass sie Unfallversicherungen abgeschlossen haben, die auf den ersten Blick nichts mit der Aufnahme eines Kredits zu tun haben. „Zum Teil wird einem dann auch erzählt, um überhaupt eine Chance auf den Kredit zu haben, muss man seine Bonität verbessern“, sagt Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Und das geht am besten, indem man ihren Bausparvertrag abschließt und dann noch eine Lebensversicherung.“ Verbraucher sollten hiervon generell die Finger lassen. Auch Maxda äußerte sich zu den Kritikpunkten bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht.

Im Markt der Kleinkredite ist ein Kredittyp inzwischen besonders beliebt: Kredite unter 200 Euro oder einer Laufzeit bis zu drei Monaten. Für sie gibt es eine Ausnahme im Gesetz. Denn diese Kredite werden im rechtlichen Sinne nicht als Verbraucherdarlehen angesehen. Damit gelten auch entsprechende Vorschriften in diesen Fällen nicht. Darunter fällt die Pflicht, den Kreditvertrag schriftlich abzuschließen. Aber auch umfangreiche Mindestinformationen, die im Kreditvertrag enthalten sein müssen, wie zum Beispiel den Nettokreditbetrag, die für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde, die Art und Weise der Rückzahlung, den Zinssatz, sonstige Kreditkosten und den effektiven Jahreszins, erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher so nicht. Außerdem kann der Kreditvertrag von solchen Mini-Krediten vom Darlehensnehmer nicht wie üblich innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Ist der Kreditnehmer in Zahlungsverzug, kann der Kreditgeber den Vertrag zudem nur unter erschwerten Bedingungen kündigen.

EU-Richtlinie soll den Markt regulieren

Diese Kredite laufen unter dem Radar der Bonitätsprüfer. Doch das soll sich bald ändern. Denn eine EU-Richtlinie zu Verbraucherdarlehen, die im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, schließt diese Ausnahmen aus. Die Mitgliedstaaten haben bis November 2025 Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Verschwinden werden die Kleinkredite durch die neuen Gesetze wahrscheinlich nicht. Denn auch mit den Informationspflichten und dem Widerrufsrecht werden Verbraucherinnen und Verbraucher mit schlechter Bonität weiterhin an Kleinkredite kommen.

Die Verbraucherzentrale fordert deswegen vor allem, die Bonitätsprüfung zu verschärfen. „Wir fordern, dass auch Kleinkredite von der Bonitätsprüfung erfasst werden“, sagt Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. Im Sinne der Verbraucherinnen und Verbaucher sei es gut, wenn die Kreditaufnahme erschwert werde. Dazu gehöre die Verpflichtung, die individuellen Einnahmen und Ausgaben von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu betrachten. Eine Möglichkeit sei, Kontoinformationen zu verarbeiten, jedoch unter strengen Datenschutzregeln. Also lediglich generelle Informationen über Einnahmen und Ausgaben. Dazu müssten Einkommensänderungen berücksichtigt werden. Die Verbraucherzentrale fordert, die maximale Laufzeit für Warenfinanzierung zu verkürzen und den Abschluss von Zusatzprodukten ohne klaren Nutzen zu verbieten werden.