Probewohnen mit Kaufoption: Was taugt Immobilien-Leasing wirklich?
Erst mal mieten, dann schauen wir weiter. Nach diesem Motto hat das Finanz-Startup Ownr ein Modell für unentschlossene Immobilienkäufer entwickelt. Die Flexibilität hat jedoch ihren Preis.
Der Kauf einer Immobilie ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden: Gefällt mir die Gegend? Was ist, wenn ich mich beruflich umorientiere und mit den Nachbarn nicht zurechtkomme? Gerade bei Gebrauchtimmobilien besteht zudem die Gefahr, dass es verdeckte Mängel geben könnte. „Viele Menschen tun sich schwer mit ihrer Entscheidung, weil ein Fehlkauf sehr teuer ist“, meint dazu Nils T. Kohle. Vor einigen Jahren fragte er sich, warum es nicht möglich sei, eine Immobilie einfach zu leasen, so wie ein Auto.
„Ohne Mindestmietdauer wären wir schnell pleite“
Das Unternehmen hat 75 Objekte im Bestand. Bei der Auswahl gibt es gewisse Prämissen. „Wir müssen sicherstellen, dass wir die Immobilien wieder verkaufen können, falls sich der Leasingnehmer gegen einen Kauf entscheidet.“ So würden sie Ein-Zimmer-Wohnungen, Luxusimmobilien, Sozialwohnungen und Objekte auf dem Land ablehnen. Auch die Lage sei entscheidend. Die Portfolio-Immobilien liegen in Hamburg und Berlin – inklusive Speckgürtel.
Seit Oktober ist Ownr auch im Rhein-Main-Gebiet aktiv. 2024 soll die Metropolregion Rheinland mit den Städten Düsseldorf und Köln dazu genommen werden. Die Budgets für die einzelnen Objekte liegen zwischen 200.000 und etwa 1,2 Millionen Euro. Das Unternehmen konnte zwar Atlantic Labs aus Berlin und private Risikokapitalgeber als Investoren gewinnen. In der Regel werden die Immobilien jedoch von der Volksbank fremdfinanziert.
Flexibilität ist teuer erkauft
In Zeiten relativ hoher Kreditzinsen ist das nicht gerade billig. Demzufolge gibt es auch die Kaufoption nicht zum Schnäppchenpreis. Die sogenannte Leasingrate, die mit der Miete vergleichbar ist, liegt laut Kohle im Durchschnitt etwa zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Sie setzt sich aus verschiedenen Parametern zusammen, wie dem Kaufpreis, den Kreditzinsen, den Renovierungskosten sowie den Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Maklercourtage. Dazu kommt: Wenn die Preise ansteigen, steigt auch die Miete, denn die Verträge enthalten einen nach oben gedeckelten Inflationsausgleich.
Bei Vertragsabschluss wird zwar ein Festpreis für die Immobilie vereinbart. Der hängt unter anderem auch von der Mindestmietdauer ab. Bei der Berechnung kommt nämlich eine Formel zum Tragen, die eine bestimmte Wertsteigerung während der Mietdauer vorsieht. „Wir orientieren uns an den Wertsteigerungsraten der vergangenen fünf Jahre und teilen sie durch zwei“, erklärt Kohle. Ein Rechenbeispiel: Wenn sie bei sechs Prozent liege, würde der Preis um drei Prozent pro Jahr steigen, ausgehend vom aktuellen Wert. „Bei der Berechnung versuchen wir, den Preis so niedrig wie möglich anzusetzen, wobei wir natürlich darauf achten, keinen Verlust zu machen.“
„Wenn der Kunde zu einem späteren Zeitpunkt die Immobilie kaufen möchte, machen wir ihm jedes Jahr ein Angebot.“ Die Formel dafür orientiert sich laut Kohle an der Entwicklung des Preisindizes für Wohnimmobilien des Statistischen Bundesamtes. „Es gibt jedoch eine untere Schwelle, weil wir die Immobilie natürlich nicht mit einem Verlust verkaufen können.“
Bei Kündigung verfällt die Anzahlung
Auf der anderen Seite werden zehn Prozent der Miete auf den späteren Kaufpreis angerechnet. „Den Passus hatten wir ursprünglich nicht vorgesehen und ihn erst auf Kundenwunsch aufgenommen.“ Wer den Vertrag kündigt, verliert jedoch das Geld, sobald er die Schlüssel abgibt. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Grunderwerbsteuer zweimal anfällt. Einmal, wenn Ownr die Immobilie kauft, und zweites Mal, wenn der Kunde sie erwirbt. Dadurch erhöhen sich auch die Kosten für den Käufer, da Ownr die Steuern weitergibt.
Mit Leasing im eigentlichen Sinne hat das Modell allerdings nichts zu tun. „Der Begriff verunsichert viele Verbraucher, weil sie unter dem Begriff etwas ganz anderes verstehen“, so das Fazit von Alexander Krolzik, Abteilungsleiter Immobilienfinanzierung, Bau- und Kaufvertrag bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Jurist und Versicherungsfachmann hat sich das Modell von Ownr für Ratsuchende genauer angesehen. Ein pauschales Urteil kann und möchte er nicht abgeben. „Man muss immer den Einzelfall betrachten.“ Das Modell könne eine interessante Option für Menschen sein, die sich in einer Umbruchphase befinden, etwa wenn sie noch nicht wissen, ob sie in einer bestimmten Region bleiben möchten.
Für Menschen, die sich bereits festgelegt haben und die in der Lage sind, das Objekt zu kaufen oder zu finanzieren, ist es seiner Meinung nach weniger geeignet. “In diesem Fall ist es besser, die Immobilie gleich zu erwerben und das Geld direkt für den Kauf zu investieren.“ Das Argument von Ownr, dass die Interessenten während der Mietphase Geld für den Kauf ansparen können, sieht er zwiespältig. „Durch den höheren Mietzins ist auch die monatliche Belastung höher, so dass Sie weniger Geld zurücklegen können.“ Dazu kommt die Wertsteigerungsrate während der Mindestmietdauer. „Der Vorteil ist, dass ich mit einem festen Preis kalkulieren kann.“ Es sei aber keinesfalls sicher, dass der Marktpreis, also der tatsächlich erzielbare Preis der Immobilie, in der Zwischenzeit im gleichen Verhältnis wächst wie der Kaufpreis ansteigt. Es könne auch sein, dass er fällt.
Verbraucherschützer sieht keinen Run auf das Produkt
Krolzik gibt außerdem zu bedenken, dass die Kaufoption nur besteht, solange der Käufer die Miete bezahlen kann. Wer sie nicht mehr aufbringen kann und kündigen muss, verliert das eingezahlte Geld und die Option zum Kauf. Einen großen Run auf solche Produkte sieht er nicht. „Das Modell hat seine Daseinsberechtigung, ich glaube aber, dass es ein Nischenprodukt bleiben wird.“ Aktuell hätte die Verbraucherzentrale Hamburg etwa zehn Anfragen pro Jahr zu diesem Thema.
Krolzik empfiehlt Interessenten, sich gründlich zu informieren und nichts zu überstürzen. Vor allem rät er aber, sich von einer neutralen Stelle beraten lassen, die kein wirtschaftliches Interesse hat. Das könne eine Verbraucherzentrale, aber auch ein Anwalt oder Freunde sein. „Am Ende ist es wichtig, eine Entscheidung zu treffen, die sich mit den individuellen Plänen und Interessen deckt.“ Sonst würde die Gefahr bestehen, viel Geld zu verlieren. Und genau das will man mit diesem Modell ja vermeiden.