Wird hier nur verwaltet – oder auch kontrolliert? Hauptsitz des DLR Projektträgers in Bonn (Bild: PR)

Nachspiel für umtrittene Blockchain-Studie: Partnertausch und Eiertanz

Wegen seiner dürftigen Methodik geriet im Frühjahr eine aus Steuermitteln finanzierte Studie des Hanseatic Blockchain Institutes in die Diskussion. Wie sich nun zeigt, tauschte das Institut im Hintergrund den Studienpartner aus. Ist das ein Problem? Nein, sagt der zuständige Projektträger. Dann korrigiert er sich: Ist doch eins. Und dann noch einmal: Alles gut. Wirklich?

Dass das Studienvorhaben mit anderthalb Jahren Projektlaufzeit und dem ambitionierten Ziel, erstmals die Durchdringung der deutschen Wirtschaft mit der Blockchain-Technologie messen zu wollen, für das Hanseatic Blockchain Institute (HBI) eine Nummer zu groß sein könnte, das war den Beteiligten früh klar. Schon im Antrag für das Projekt, für das der Hamburger Verein auf Initiative des FDP-Parlamentariers Frank Schäffler 280.000 Euro vom Bund bekam, wurde Anfang 2023 daher als Partnerinstitution das renommierte ifo-Institut aus München eingeführt: Das ifo sollte bei sechs von insgesamt elf Arbeitspaketen entscheidend beteiligt sein – vor allem bei den methodisch anspruchsvollen wie der Erstellung eines Fragenkatalogs, der Konsolidierung des Umfragepanels, der Durchführung der Befragung sowie der Auswertung der Ergebnisse.

Doch in Wirklichkeit blieb die Beteiligung des ifo-Instituts auf nur ein Arbeitspaket begrenzt – es integrierte in seine monatliche Konjunkturumfrage unter mehreren tausend Unternehmensvertretern eine Frage zur Blockchain-Nutzung. Die anschließenden Aufgaben erledigte stattdessen das HBI in Zusammenarbeit mit dem zur Vermarktungsfirma Ströer gehörenden Hamburger Datenportal Statista. Das ifo habe „die erforderliche Kapazität nicht sicherstellen“ können, so erklärt der HBI-Vorsitzende Moritz Schildt den Wechsel des Partners, dazu habe es „eine Unklarheit hinsichtlich der Nutzung der Daten“ gegeben und nicht zuletzt seien „Kostenüberlegungen relevant“ gewesen.

Zweifelhafte Konstruktion der Befragung

Was wie eine nebensächliche Kursänderung klingen mag, hat aber weitreichende Implikationen: Zum einen stellt sich die Frage, ob die Studie mit einem Partner wie dem ifo eine höhere methodische Qualität hätte erreichen können. So beruhte sie auf gerade einmal 200 Teilnehmer einer Online-Umfrage, die das HBI aus seinem Netzwerk von Blockchain-Experten rekrutierte – eine Aussage über den Impact von Blockchain auf die Gesamtwirtschaft lässt sich auf der Grundlage kaum treffen. „Die nutzen doch alle schon Blockchain!“, verzweifelt ein Insider, der mit dem Projekt zu tun hat, angesichts der zweifelhaften Konstruktion der Befragung.

Zum anderen kann das HBI als Zuwendungsempfänger solch gravierende Änderungen im Projektverlauf nicht eigenmächtig treffen – es müsste den Projektträger informieren und sich im Fall einer Mittelumwidmung dafür auch grünes Licht geben lassen. Wie es scheint, ist das in diesem Fall nicht geschehen.

Wenig Anreiz für eine gute Kontrolle

Die sogenannten Projektträger haben im deutschen Forschungsfördersystem eine umfangreiche, aber kaum bekannte Stellung: Sie übernehmen vor allem für Ministerien von Bund und Ländern die Betreuung von Förderprojekten. Dazu gehört die fachliche und administrative Beratung von Antragstellern, aber auch die Vorbereitung von Förderentscheiden sowie eine kontinuierliche Projektbegleitung und schließlich eine Erfolgskontrolle. Mehr als ein Dutzend Projektträger mit insgesamt über 5.000 Mitarbeitern wickeln so jährlich gut 9 Milliarden Euro an öffentlichen Fördergeldern ab – eine gewaltige Verwaltungsmaschinerie.


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Das Beispiel der Blockchain-Studie wirft daher auch die Frage auf, ob dieses System funktioniert, ob die Projektträger bei all ihren Ressourcen ihren Kernaufgaben auch tatsächlich nachkommen. Und falls sie es nicht tun – wem das auffallen könnte. Zuständig dafür ist nicht etwa der Bundesrechnungshof, der sonst mit Genuss jede noch so kleinen Fall von Verschwendung im Bundeshaushalt anprangert. Von dort heißt es, die Projektträger seien allein den Ministerien verantwortlich. Die allerdings beauftragen auch die Projektträger – und haben daher wenig Anreize, deren Arbeit allzu genau unter die Lupe zu nehmen.

„Uneindeutig dargestellt“

Als Capital und Finance Forward im März erstmal über die W3Now-Studie berichteten, wollte der für das Projekt zuständige DLR Projektträger nichts zur Qualität der Studie sagen – auf Nachfrage verwies man an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, da das Projekt aus einem Förderprogramm des Ministeriums finanziert worden war. Erst als im Mai von Capital und Finance Forward in einer Anfrage darauf hingewiesen wurde, dass das HBI einen anderen Forschungspartner eingesetzt habe als im Förderantrag beschrieben, begannen im DLR offenbar Nachforschungen. Zunächst antwortete eine Sprecherin: „Nach unserer Aktenlage (hier sprechen wir vom Zwischenbericht 2023 und vom Zwischennachweis 2023) arbeitet das ifo-Institut wie geplant im Vorhaben mit. Dahingehende potenzielle Änderungen des Projektvorhabens sind uns nicht bekannt.“

Doch einen Tag später folgte eine weitere Mail – man sei „noch tiefer in die Sache eingestiegen“ und wolle daher die Antwort ergänzen. Es sei nun aufgefallen, dass das ifo-Institut im September 2023 „offenbar durch ein anderes Institut ersetzt“ worden sei, „was uns nicht explizit mitgeteilt wurde“. Erst ein Zwischenbericht, der im Februar 2024 beim DLR eintraf, enthielt demnach die entscheidende Information – offenbar aber verklausuliert formuliert. Man habe nicht gewusst, „dass das ifo-Institut damit vollständig aus dem Projekt ausgeschieden“ sei, denn in besagtem Zwischenbericht sei dies „uneindeutig dargestellt, weshalb wir nun um weitere Erläuterungen des Hanseatic Blockchain Instituts bitten“.

Wer recht hat? Schwer zu sagen

Das HBI allerdings widersprach auf Anfrage dieser Darstellung: „Selbstverständlich werden und wurden alle Änderungen und Mittelfreigaben und auch die Umwidmung von Mitteln im Vorfeld mit dem Projektträger abgestimmt und im Rahmen unserer Reportingpflichten auch dokumentiert“, hieß es vom Vereinsvorsitzenden Moritz Schildt. Er pflege zudem einen regelmäßigen informellen Austausch mit seinem Ansprechpartner beim DLR, den er über den Austausch des ifo auch informiert und dafür grünes Licht bekommen habe. Wer recht hat? Schwer zu sagen.

Jedenfalls klang es, als sei man beim DLR Projektträger inzwischen ziemlich schlecht auf das dürftige Studienprojekt zu sprechen: Man habe, heißt es gegenüber Capital und Finance Forward am Ende der zweiten Mail, „zudem eine Prüfung der Studienmethodik angestoßen“. Rumms – das saß.

Bemerkenswerter Eiertanz

Eine Überprüfung wäre, das muss man dazu wissen, für einen Projektträger durchaus ein ungewöhnlich drastischer Schritt. Die Qualität von Projektergebnissen werde eigentlich nur dann untersucht, „wenn sie außergewöhnlich deutlich hinter den Erwartungen“ zurückblieben, heißt es. Ansonsten fokussieren sich die Projektträger vor allem auf formalistische Aspekte, ob die Berichtspflichten vorschriftsmäßig erfüllt werden und ob alle Ausgaben korrekt belegt werden können. „Die kontrollieren eher Telefonabrechnungen als dass sie wirklich den Erfolg von Projekten messen“, kommentiert ein Spitzenforscher, der den Projektträgern im Übrigen ein „sehr sattes Dasein“ attestiert.

Da wäre es ja begrüßenswert, wenn der aktuelle Fall einen neue Dynamik anstoßen könnte. Dachte man. Bis Ende Juni eine dritte Mail des DLR Projektträgers bei Capital und Finance Forward eintraf: Man habe inzwischen einen ohnehin geplanten Besuch beim HBI vorgezogen und könne nun kein Fehlverhalten mehr erkennen. „Das Projekt Web3Now verläuft vielversprechend und gemäß der Planungen“, schreibt das DLR nun. Zwar seien im Zwischenbericht 2023 „bedauerlicherweise nicht alle Projektaktivitäten erwähnt“ worden, dies werde nun im Schlussbericht nachgeholt. Ansonsten seien „Zielsetzung der Studie und die geplanten Arbeitsschritte“ nicht verändert worden – allerhöchstens habe es eine „ungeschickte Kommunikation“ seitens des HBI gegeben, die „im Außenraum Erwartungen geweckt“ hätten, „die nicht erfüllt worden sind“. Kein Wort mehr zur Methodik oder der angedrohten Prüfung.

Es ist ein bemerkenswerter Eiertanz, den das DLR hier hinlegt. Bemerkenswert auch, weil es immerhin um mehr als eine Viertelmillion Euro aus Steuergeldern geht – wenngleich sich das bei 9 Milliarden Projektträgervolumen pro Jahr als ziemlich winzig ausnimmt. Nur: Wer sagt, dass es bei den anderen Millionen und Milliarden besser läuft?