Werbeaktion in der „Mall of Berlin“ (Bild: Smava)

Nach Finanzcheck-Übernahme: Kann Smava den großen Konkurrenten Check24 einholen?

Mit dem Zusammenschluss von Smava und Finanzcheck entsteht ein neuer großer Kreditvermittler. Gemeinsam soll der Angriff auf den Marktführer Check24 gelingen. Was bedeutet der Deal für die deutsche Fintech-Szene? Die Analyse. 

Innerhalb von Monaten hat sich ein Fintech-Markt komplett umgewälzt: Nachdem am Freitag bekannt wurde, dass Smava seinen Hamburger Konkurrenten Finanzcheck schluckt, bleiben noch zwei große Firmen, die über ihre Plattform Konsumentenkredite vermitteln und die sich den Markt aufteilen: die große Vergleichsplattform Check24 und eben Smava.

Im Herbst hatte das ambitionierte Projekt Joonko aufgegeben. Und Verivox ist in dem Geschäftsbereich zurückhaltend und vermittelt nur wenige Kredite. Doch was bedeutet das neue Duopol für den Markt? Wie groß sind die beiden Unternehmen? Und wer hat die besseren Chancen?

1. Wie sieht der Deal zwischen Smava und Finanzcheck konkret aus?

Smava übernimmt Finanzcheck komplett. Dafür erhält der bisherige Finanzcheck-Eigentümer Hellman & Friedman (ein US-Finanzinvestor) Anteile an Smava sowie eine Barzahlung. Das Handelsblatt bezifferte den Kaufpreis nach Gesprächen mit Smava-Chef Alexander Artopé und Christian Nagel vom Investor Earlybird auf „knapp 200 Millionen Euro“. Diese Summe wird in Branchenkreisen als realistisch angesehen. Aus dem Unternehmensumfeld heißt es, die Cash-Komponente habe den größeren Teil der „knapp 200 Millionen Euro“ ausgemacht.

2. Wie groß sind Smava und Finanzcheck?

In der Pressemitteilung zu dem Deal heißt es: „Insgesamt haben beide Unternehmen im Jahr 2020 ein Kreditvolumen von deutlich über vier Milliarden Euro zwischen Konsumenten und Banken vermittelt. Davon entfallen rund 65 Prozent auf Smava.“ Darüber hinaus wollte Smava-Chef Artopé im Gespräch mit Finanz-Szene.de und Finance Forward keine weiteren Geschäftszahlen nennen; Finanzcheck-CEO Moritz Thiele reagierte nicht auf eine Anfrage.

Allerdings: Auf Basis von älteren Geschäftsberichten, Investorenpräsentationen, Interviewaussagen und eigenen Berechnungen lässt sich die Entwicklung des vermittelten Volumens seit 2015 ziemlich exakt aufdröseln:

Man sieht: Obwohl Smava (gegründet 2005) einige Jahre älter ist als Finanzcheck (gegründet 2009), hatte die in Hamburg ansässige Firma Finanzcheck den Berliner Konkurrenten zwischenzeitlich überholt. Mitte 2018 wurde die bis dahin eigentümergeführte Finanzcheck an den Internetkonzern Scout24 verkauft. Spätestens da verkehrten sich die Verhältnisse wieder. Denn während sich die Zuwächse von Finanzcheck nach dem Exit dramatisch verlangsamten, setzte Smava seinen Wachstumskurs zumindest bis 2019 fort.

3. Ist Smava nach der Finanzcheck-Übernahme ein Unicorn?

Dass Smava sich medial zu positionieren weiß, ist nichts Neues. Ein paar Beispiele:

– 2016  hieß es in einer Pressemitteilung: „Smava erhält Investment von 34 Millionen Dollar“; später stellte sich heraus, dass es statt der umgerechnet 30,3 Millionen Euro nur 9,8 Millionen Euro gewesen waren.

– 2018 hieß es in einer Pressemitteilung: „Smava erhält 65-Millionen-Dollar-Investment“; später stellte sich heraus, dass es statt der umgerechnet 54 Millionen Euro nur 30 Millionen Euro gewesen waren.

– Im September 2017 behauptete Smava-Chef Artopé, sein Unternehmen sei profitabel; in Wirklichkeit war 2016 ein Fehlbetrag von 7,5 Millionen Euro angefallen, 2017 waren es 3,9 Millionen Euro.

Kommen wir zu den Fakten:

– Auf Basis unserer Berechnungen (die sich aus Einträgen in öffentlichen Registern herleiten) kam Smava im Jahr 2016 auf eine Bewertung von gerade einmal 64 Millionen Euro; Ende 2017 waren es dann immerhin rund 190 Millionen Euro.

– Wenn nun das „neue“ Smava annähernd eine Milliarde Dollar wert sein soll (die magische Grenze, um als Milliarden-Startup zu gelten) und Finanzcheck in dem Deal mit „knapp 200 Millionen Euro“ bewertet wird – dann müsste das „alte“ Smava in dem Deal mit 625 Millionen Euro taxiert worden sein, damit der Unternehmenswert umgerechnet in Dollar bei einer Milliarde liegt und die Unicorn-These stimmt, die im Handelsblatt-Text zumindest angerissen wird.

Ist das realistisch? Daran kann man zumindest Zweifel haben.
– Finanzcheck wurde Mitte 2018 für 285 Millionen Euro veräußert. Wenn Finanzcheck diesmal für „knapp 200 Millionen Euro“ weggegangen ist, so entspricht das einem Rückgang um rund ein Drittel. Und die Bewertung von Smava soll sich im ungefähr gleichen Zeitraum ungefähr verdreifacht haben (nämlich von 190 Millionen auf 625 Millionen Euro)?

– Smava dürfte 2020 einen Umsatz von circa 85 Millionen Euro gemacht haben. Eine siebenfache Bewertung wäre hoch, auch weil die Berliner Firma erst unter Beweis stellen muss, dass sie nach einem Jahr der Stagnation wieder wachsen kann.

– Nicht zu vergessen: 2019 sollte Smava der Nachrichtenagentur Reuters zufolge zu einer Bewertung von umgerechnet „bis zu 440 Millionen Euro“ verkauft oder an die Börse gebracht werden. Daraus allerdings wurde nichts.  Auch das spricht gegen die Annahme, dass die „alte“ Smava jetzt plötzlich 625 Millionen Euro wert sein soll.

4. Warum gehen Smava und Finanzcheck überhaupt zusammen?

Es handelt sich nicht um eine Traumhochzeit, sondern eher um eine Vernunftehe. Smavas Wunschszenario wäre der Börsengang gewesen – jedoch erzielten die Berliner allem Anschein nach keinen adäquaten Preis. Finanzcheck wiederum glich zuletzt einem Restposten. Hintergrund: Das Scout24-Management hatte bei der Übernahme 2018 geglaubt, es könne Synergien durch die Anbindung von Finanzcheck an den hauseigenen Onlinemarktplatz Autoscout24 heben.

Ende 2019 wurde Autoscout24 dann jedoch (mitsamt Finanzcheck) von Hellman & Friedman übernommen. Der US-Finanzinvestor, so heißt es, teilte die Synergiethese nicht wirklich. Finanzcheck sollte darum wieder weg – und Smava war ein dankbarer Abnehmer. Den Abschlag auf den 2018 erzielten Kaufpreis nahmen die Amerikaner offenbar billigend in Kauf.

5. Was ist der Hintergedanke der Smava-Eigentümer?

Auch wenn Smava in den zurückliegenden Jahren imposant gewachsen ist und 2020 sein Neugeschäftsvolumen trotz Coronakrise immerhin verteidigt zu haben scheint, wuchs der Abstand zum Marktführer Check24 nach übereinstimmenden Angaben aus Branchenkreisen kaum. In Zahlen: Mit einem vermittelten Volumen von grob geschätzt fünf Milliarden Euro dürfte Check24 weiterhin nicht nur vor der „alten“ Smava (2,7 Milliarden Euro) liegen, sondern auch vor der neuen Kombination aus Smava und Finanzcheck (circa 4,1 Milliarden Euro).

Durch den Zusammenschluss setzt Smava-Chef Artopé nun auf Skaleneffekte beispielsweise beim Einkauf von Marketingleistungen. Das Ziel lautet, in nicht allzu ferner Zukunft an Check24 vorbeizuziehen. Der Plan der hinter Smava stehenden Venture-Capital-Investoren wie Earlybird, Vitruvian oder Proventus dürfte es sein, spätestens dann bei einem möglichen Börsengang die eigenen Preisvorstellungen durchsetzen zu können.

6. Wird dieses Kalkül aufgehen?

Einfach wird es nicht. Denn Smava steht nicht nur in Konkurrenz zu Check24, sondern auch im Wettbewerb mit den Banken. Und beide haben die Möglichkeit, ihre Kundenakquisekosten über den Verkauf beziehungsweise die Vermittlung weiterer Produkte zu refinanzieren. Diese Möglichkeit hat Smava als Ein-Produkt-Anbieter nicht. Einer, der den Markt bestens kennt, aber keinem der in diesem Artikel genannten Unternehmen angehört, sagt: „Ratenkredite gehören zu den umkämpftesten Online-Lead-Märkten überhaupt – zumal auch viele Banken mittlerweile gelernt haben, wie dieses Spiel funktioniert. Die sorgen dann vertraglich dafür, dass der über Smava gewonnene Kunde auch wirklich ihr Kunde ist. Oder zumindest versuchen sie es.“

Die Frage lautet: Wird es Smava auf Dauer gelingen, diesen Kreislauf (die Kunden immer wieder aufs Neue über Google oder über TV-Werbung gewinnen zu müssen, um sie dann gegebenenfalls an die Banken zu verlieren) zu durchbrechen? Also einen „Lock-in-Effekt“ zu schaffen, wie das im Fachjargon heißt? Artopé beziffert den Anteil der Kunden, die mehrfach einen Kredit bei Smava beantragen, auf ein Drittel.

Es gibt auch Gründe, die dafür sprechen, dass es klappen könnte: Durch den Deal hat sich ein Duopol entwickelt. Das Vergleichsportal Verivox macht in dem Segment wenig Geschäft und der große Hoffnungsträger Joonko hat kürzlich wieder aufgegeben. Der Fall zeigt anderen interessierten Playern, dass dreistellige Millionensummen nötig sind, um etwas zu erreichen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich ein neuer Player in den Markt traut. Nun haben die Banken nur noch zwei Partner, über die sie hohe Volumen erhalten können – das verbessert die Verhandlungsposition tatsächlich.

7. Wie geht es nun weiter?

In den nächsten Monaten wird der Fokus auf der Zusammenführung von Smava und Finanzcheck liegen. Zu der Frage, ob dabei möglicherweise auch Arbeitsplätze (etwa bei Backoffice-Tätigkeiten) wegfallen, wollte sich Artopé am Freitag nicht äußern. Eine klare Ansage gab es dagegen in Bezug auf die Markenstrategie: Smava und Finanzcheck sollen demnach dauerhaft als eigenständige Marken erhalten bleiben. Auf kurze und mittlere Sicht erscheint diese Strategie sinnvoll: Schließlich ist nicht nur Smava, sondern auch Finanzcheck vielen Verbrauchern ein Begriff.