Anyfin kommt aus Schweden (Bild: PR)

Das Anti-Klarna: So seriös ist Anyfin wirklich

Das Startup Anyfin refinanziert bestehende Kredite und will den Kundinnen und Kunden dabei ein besseres Angebot als die bisherige Bank machen. Was für Verbraucher gut klingt, ist allerdings nicht für jeden geeignet.

Die vergangenen Monate waren für viele Deutsche hart. Die Preise schossen so stark in die Höhe, dass laut der Auskunftei Schufa immer mehr Menschen nach Krediten für den Lebensunterhalt schauten, um sich zu refinanzieren. Andere landeten im Dispo oder trieben die Kreditkartenschulden nach oben. Schon im Frühjahr prahlten junge Menschen Im sozialen Netzwerk Tiktok mit ihren hohen Schulden, teilweise für mehrere tausend Euro hatten sie über die bekannte Payment-App Klarna geshoppt und den Einkauf per Ratenzahlung finanziert. Das Problem bei all diesen Formen der Geldbeschaffung: Die Zinsen sind meist extrem hoch. Gerade bei Dispozinsen können in Deutschland oft zweistellige Prozentbeträge auftauchen, die schnell mal zu einer hohen Verschuldung führen.

Da kommt das Angebot von Anyfin gerade passend. Das Startup bietet Kundinnen und Kunden an, den alten hoch verzinsten Kredit zu übernehmen, ihn abzubezahlen und dem Kunden dafür einen günstigeren Kredit zu geben. Um 30 Prozent drückt Anyfin so eigenen Angaben zufolge den effektiven Jahreszins der Kredite und spart einem durchschnittlichen Kunden so 400 Euro je Kredit und Laufzeit. Das Startup selbst, dessen Gründer Mikael Hussain selbst von Klarna kommt, verdient daran nach eigenen Angaben trotzdem Geld. Von der sonst eher skeptischen Community der Bewertungsplattform Trustpilot bekommt es vor allem guten Bewertungen. Wo ist der Haken?

Anyfin nimmt nicht alle Kunden an

Anyfin kommt aus Schweden, Startup-Investoren wie Rocket Internet haben bereits mehr als 100 Millionen Dollar in die Firma gesteckt. Im Heimatmarkt bietet es verschiedene Produkte an. Dazu gehört ein Sparkonto oder ein Kündigungsservice für Abonnements. In Deutschland ist das Unternehmen seit März 2021 aktiv, bietet aber in erster Linie sein Kernprodukt an: die Refinanzierung von hochverzinsten Krediten. Weltweit hat Anyfin bisher mehr als 100.000 Kundinnen und Kunden gehabt, in Deutschland sind aktuell 20.000 aktiv, erklärt Nickie Povel. Die gebürtige Brasilianerin war lange bei Procter and Gamble, danach bei Helpling, hat ein eigenes Startup gegründet und ist nun im Vorstand bei Anyfin für Marketing zuständig. Dort hat sie sich ein hehres Ziel gesetzt: „Wir wollen das finanzielle Wohlbefinden der Kunden steigern.“

In Deutschland will Anyfin das offenbar über die Refinanzierung von Krediten schaffen. Das können beispielsweise Ratenkredite sein, aber auch Kreditkartenschulden und Dispokredite sind Fälle, mit denen sich die Kunden an das noch junge Startup wenden. Grundsätzlich können sich Kunden mit jeder Art von Kredit an Anyfin wenden, doch nicht alle fallen ins Raster. Die maximale Kreditsumme, auch aus mehreren Kreditverträgen, darf 20.000 Euro nicht überschreiten und Anyfin macht eigenen Angaben zufolge nur ein Angebot, wenn es tatsächlich ein besseres Angebot vorlegen kann. Fallen beispielsweise Extragebühren für die vorzeitige Rückzahlung eines Kredits an, wird das Fintech diese mit in den neuen möglichen Zinssatz einberechnen. Ist das zu teuer, wird Anyfin dem Kunden kein Angebot machen. „Wenn wir den Zinssatz nicht senken können, dann geben wir auch kein Angebot ab“, fasst es Povel zusammen.

Verbraucherschützer finden kein Haar in der Suppe

Bei Verbraucherinnen und Verbrauchern kommt das offenbar gut an. Bei der Bewertungsplattform Trustpilot ist das Fintech mit 4,7 von 5 möglichen Sternen bewertet. Die meisten schreiben von einfacher Nutzung und schnellen Antworten oder davon, dass Anyfin ihnen wirklich geholfen habe, die Zinslast zu drücken. Die kritischen Kommentare sind meist von Nutzern, die sich darüber beschweren, dass Anyfin ihren Kredit nicht übernehmen wollte. Andere finden den Service grundsätzlich gut – aber bedauern, dass Anyfin nicht auch ihren zweiten oder dritten Kredit übernehmen wollte.

Auch Verbraucherschützer finden auf den ersten Blick kein größeres Manko. Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen beispielsweise sagt: „Haare in der Suppe können wir erst mal nicht ausmachen.“ Das heiße aber nicht, dass es nicht womöglich eines gebe. Er gibt zu bedenken: „Grundsätzlich ist wegen der angegebenen Spannweite der Zinshöhe und deren Bonitätsprüfung weiter mit recht hohen Kreditzinsen zu rechnen.“ Was er meint: Elf Prozent sind weniger als 15, aber eben immer noch viel.

Den neuen Vertrag schließen Kunden nicht mit dem Startup ab

Geld verdient das Startup nicht mit Daten oder Gebühren durch die Hintertür, sondern durch ein relativ simples Geschäftsmodell: Es zahlt den bestehenden Kredit des Kunden, der bisher mit beispielsweise 15 Prozent verzinst ist, auf einen Schlag an den Kreditgeber zurück. Dadurch spart es sich hohe Zinskosten und gibt davon einen großen Teil an seine Kunden weiter. Der bekommt nun einen Kredit mit einem effektiven Jahreszins von beispielsweise zehn oder elf Prozent, woran Anyfin immer noch gut verdient.

Eine Besonderheit gibt es in diesem Konstrukt allerdings: Da Anyfin keine Vollbanklizenz hat, arbeitet sie mit der Eric Penser Bank in Schweden zusammen. Kunden von Anyfin schließen ihren neuen Kreditvertrag deshalb nicht mit dem Startup, sondern mit dem schwedischen Geldhaus ab. Anyfin tritt hier also nur als Vermittler auf, selbst wenn es später erster Ansprechpartner bleibt und der Kunde beispielsweise auch die App des Fintechs und nicht der schwedischen Bank nutzt. Ob das Nachteile hat? Bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin nachgefragt, heißt es klar: „Nein, auf die durch die Anyfin GmbH vermittelten Kreditverträge ist deutsches Recht anwendbar.“ Auch wenn es zum Streitfall mit der Bank kommen sollte, gibt es laut Bafin keinen Nachteil für Verbraucher: „Zivilrechtlich ergeben sich für deutsche Kunden keine Änderungen dadurch, dass die Kreditgeberin in Schweden ansässig ist oder an einem Streitbeilegungsverfahren in Schweden teilnimmt.“

So läuft der Bewerbungsprozess für einen Kredit bei Anyfin

Wer das Angebot von Anyfin nutzen will, sollte zunächst die App herunterladen. Dort müssen einige Fragen beantwortet werden, beispielsweise zum aktuellen Einkommen und Kredit. Anyfin fordert den Nutzer zudem auf, sich in das Konto seines aktuellen Kreditgebers einzuloggen. Dadurch bekommt das Startup sofort Zugriff auf alle wichtigen Daten des aktuell laufenden Kredits. Möglich macht das die sogenannte PSD2, eine EU-Richtlinie, die seit einigen Jahren in Kraft ist. Wer diese Zustimmung nicht geben will, kann alternativ ein Foto oder Screenshot des Kreditvertrags hochladen.

Stichprobenartig prüft Anyfin zudem, ob die Angaben zum eigenen Einkommen korrekt sind. Auch das geht auf zwei Wegen: Entweder, die Kunden loggen sich bei ihrer Hausbank ein oder schicken ihren Gehaltsnachweis an Anyfin. „Wir prüfen so, ob die von den Kunden gemachten Angaben stimmen“, sagt Povel von Anyfin.

Daneben lässt Anyfin eine Schufa-Anfrage laufen, die dem Fintech zufolge den Schufa-Score nicht beeinflussen soll. Der zeigt an, ob Personen ausreichend Bonität haben, um beispielsweise einen Kredit zu bekommen. Banken, Fintechs und Einzelhändler können den Score gegen Gebühr bei der Schufa abfragen, um zu schauen, ob der Kreditnehmer seine Rechnungen regelmäßig gezahlt hat. Je nachdem, welche Anfrage eine Bank stellt, kann das eine negative Auswirkung auf den Schufa-Score haben. Das gilt es generell zu vermeiden. Anyfin hat sich deshalb – anders als viele andere Banken – dazu entschieden, die Anfrage Schufa-neutral zu stellen. Das bedeutet, nur Anyfin und der Kunde können die Anfrage im Schufa-Konto sehen, nicht aber andere Kreditinstitute. Bei der Schufa danach gefragt, bestätigt die Auskunftei, dass das möglich sei. Auch beeinflusse das den Score so nicht – weder positiv noch negativ.

Einzelne Features wie die Ratenpause sind an Bedingungen gebunden

Führen die Prüfungen durch Anyfin zu einem positiven Ergebnis und liegt der mögliche Zinssatz für den umgeschuldeten Kredit unter dem bisherigen, macht Anyfin ein Angebot. Ablehnungsgründe gibt es einige. Auf Trustpilot beispielsweise berichten potenzielle Kunden, dass sie aufgrund einer negativen Schufa-Auskunft kein Angebot von Anyfin bekommen hätten oder ihr zweiter oder dritter Umschuldungsantrag abgelehnt wurde. Für das Startup nur logisch: „Wir können nicht jeden Kredit refinanzieren“, sagt Povel. „Wenn wir beispielsweise aufgrund der Bonität eines Kunden kein besseres Angebot machen können, müssen wir auch Anfragen ablehnen.“

In der Regel wissen Antragsteller bereits nach wenigen Minuten, ob Anyfin Ihnen ein Angebot macht oder nicht. Wer das Angebot dann annehmen möchte, muss ein Ausweisdokument wie seinen Pass einscannen, einen letzten Blick auf die Verträge werfen und die Annahme des Vertrags per SMS-Code bestätigen. Anyfin zahlt dann in den nächsten Werktagen den alten Kredit ab und die neue Rückzahlung an die Partnerbank beginnt. Sondertilgungen sind ab dann jederzeit und kostenfrei möglich, die Rate kann bis zu einem Mindestbetrag nach unten angepasst werden. Lediglich die versprochene, zweimalige Ratenpause ist an Bedingungen geknüpft. Wer die Ratenzahlung einen Monat aussetzen will, darf das nicht zwei Mal hintereinander tun oder wenn er oder sie bereits im Verzug ist, sprich die letzten zwei Monatsraten muss er fristgerecht bezahlt haben. Dazu darf im vergangenen Monat kein neuer Kredit dazugekommen sein.